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Russland verlässt Europarat – was dies für Folgen haben könnte

Russland verlässt Europarat – was das für Folgen haben könnte

Russland und der Europarat trennen sich nach 26 Jahren. Menschenrechtsorganisationen sind über den Austritt besorgt. Wofür die Organisation steht und was der Austritt für Folgen haben könnte.
17.03.2022, 20:1018.03.2022, 08:39
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In einer Dringlichkeitssitzung am 15. März 2022 stimmte die Parlamentarische Versammlung des Europarates für den Austritt Russlands aus der Organisation. Am selben Tag entschied Russland über den freiwilligen Ausstieg aus der Menschenrechtsorganisation. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow erklärte laut Nachrichtenagentur Interfax den Ausstieg aus allen Mechanismen des Europarates.

Aber Moment. Was macht der Europarat überhaupt?

Der Europarat ist die älteste zwischenstaatliche Institution Europas. Sie setzt sich hauptsächlich für den Schutz der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit ein. Bislang gehörten alle europäischen Flächenstaaten ausser Belarus und Kosovo zur internationalen Organisation mit Sitz in Strassburg.

«Der Europarat hat die Aufgabe, einen engeren Zusammenschluss unter seinen Mitgliedern zu verwirklichen.»
Satzung des Europarates, Artikel 1

Um seine Aufgaben den Frieden und die Menschenrechte zu erhalten, haben die Mitgliederstaaten verbindlichen Übereinkommen vereinbart. Dazu zählen etwa die Antifolter-Konvention sowie die europäische Sozialcharta. Die Antifolter-Konvention verpflichtet die Vertragsstaaten dazu, Massnahmen zur Verhinderung von Folter zu ergreifen. Die europäische Sozialcharta regelt soziale und wirtschaftliche Grundrechte, wie das Recht auf Arbeit oder das Recht auf Bildung.

Wie ist der Europarat entstanden?

Geboren wurde die Organisation 1949 – aus den Ruinen des Zweiten Weltkriegs. Das übergeordnete Ziel: Die Menschen sollen in Harmonie und in Wohlstand miteinander leben können.

Zu den Gründungsmitgliedern des Europarats zählen Frankreich, Belgien, Dänemark, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlanden, Norwegen, Schweden und das Vereinigte Königreich.

Der Sitz in Strassburg wurde nicht zufällig gewählt. Die Franzosen und die Deutschen haben Jahrhunderte um die Stadt im Elsass gekämpft und machte sie durch den Sitz des Europarats zum Symbol der demokratischen Werte.

Winston Churchill, der Premierminister von Grossbritannien, der Grossbritannien durch den Zweiten Weltkrieg navigiert hatte, fasste die Motivation, diese Institution aufzubauen, in einer berühmten Rede in Zürich im Jahr 1946 wie folgt zusammen: «Wir müssen eine Art Vereinte Nationen von Europa aufbauen. Nur auf diese Weise werden Hunderte Millionen von Arbeitern in die Lage versetzt, wieder zu den einfachen Freuden und Hoffnungen zurückzufinden, die das Leben lebenswert machen.»

Gehört Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte auch zum Europarat?

Ja, die europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) gehört zu einer der wichtigsten Konventionen des Europarats. Der EMRK ist auch für die Schweiz von zentraler Bedeutung nd verfügt über einen Richtersitz.

Der 1959 wurde der Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) von den Mitgliedstaaten des Europarats eingerichtet. Der EGMR ist zum einen ein Zufluchtsort für einzelne Personen oder Personengruppen, die sich ungerecht behandelt fühlen und bei den Gerichten in einem der Mitgliedstaaten kein Recht bekommen hatten. Und zweitens urteilt der Gerichtshof auch über Beschwerden von Staaten, die sich auf Verletzungen der in der Europäischen Menschenrechtskonvention anerkannten Rechte beziehen.

Und seit wann gehört Russland zum Europarat?

Russland gehört seit 1996 zum Europarat. Die Organisation sah in der Aufnahme einen Weg, die Demokratisierung des Landes voranzutreiben. Ein Erfolg des Europarates in Russland war die Abschaffung der Todesstrafe 1999.

2014 nach der Annexion der Krim verlor Russland 2014 für fünf Jahre sein Stimmrecht. Im Gegenzug stellte Russland 2017 die Beitragszahlungen ein. 2019 einigte man sich auf einen Kompromiss: Russland zahlte die Beiträge zurück und erhielt sein Stimmrecht im vollen Umfang zurück – trotz der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim.

Aber nun zum Austritt. Was bedeutet der Entscheid Russlands für das Bündnis?

«Ein Austritt wäre ein schwerer Schlag für den Menschenrechtsschutz in Russland», schrieb das Auswärtige Amt, nachdem Russland sein Stimmrecht zurückerhalten hatte.

Als Reaktion auf die ukrainische Invasion reagierte der Europarat einen Tag nach Kriegsbeginn, am 25. Februar 2022, mit einer Suspendierung Russlands. Das Ministerkomitee des Europarats bezeichnete das Vorgehen Russlands als «einen Friedensbruch von nie dagewesenem Ausmass auf dem europäischen Kontinent seit der Gründung des Europarats».

«Ausserhalb des Europarates werden einige der letzten Schutzmassnahmen gegen Menschenrechtsverletzungen für diejenigen, die sie im heutigen Russland am dringendsten benötigen, nicht mehr zugänglich sein.»

Am selben Tag, dem 15. März 2022, als die parlamentarische Versammlung über einen Ausschluss Russlands stimmte, kündigte Russland den sofortigen Austritt an.

Mit dem Austritt aus dem Europarat unterliegt das Land auch nicht mehr der Gerichtsbarkeit des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.

Menschenrechtsorganisationen befürchten nun, dass die Todesstrafe in Russland wieder eingeführt werden könnte. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International spricht von einer «Tragödie für die Opfer der Misshandlung durch den Kreml».

Marie Struthers, die Direktorin von Amnesty für Osteuropa und Zentralasien sagt: «Ausserhalb des Europarates werden einige der letzten Schutzmassnahmen gegen Menschenrechtsverletzungen für diejenigen, die sie im heutigen Russland am dringendsten benötigen, nicht mehr zugänglich sein».

Ist dies der erste Austritt?

Griechenland ist 1969 – zwei Jahre nach dem Militärputsch – als erster Staat aus dem Europarat ausgetreten. Nach dem Sturz der Junta wurde das Land 1974 aber wieder aufgenommen.

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45 Kommentare
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JBV
17.03.2022 20:48registriert September 2021
"Mit dem Austritt aus dem Europarat unterliegt das Land auch nicht mehr der Gerichtsbarkeit des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte."

Als ein Beispiel. Bereits im Februar 2021 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Russland aufgefordert, den Oppositionellen Alexej Nawalny sofort aus der Haft zu entlassen. Was ist geschehen? Russland pfeift doch doch auf die Entscheidungen des EGMR. Der Rauswurf ist nur konsequent.

Wandel durch Handel, durch Integration, durch Zusammenarbeit... hat doch im Fall Putin-Russlands nichts gebracht. Leider!
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TanookiStormtrooper
17.03.2022 22:20registriert August 2015
Jetzt mal ganz ehrlich was kann schon passieren? Wollen die jetzt plötzlich Regimekritiker erschiessen, vergiften oder ins Arbeitslager schicken? Fangen sie plötzlich an friedliche Demonstranten einzupacken? Mit diesem Austritt ändert sich an der Menschenrechtslage in Russland nichts, die waren auch vorher nicht gegeben.
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frank frei
17.03.2022 22:13registriert September 2018
Der Europarat braucht keine russischen Faschisten und Kriegstreiber in seinen Reihen.
Jetzt sind die Russen einem Rauswurf zuvorgekommen, bevor sie einen Tritt in den Hintern bekommen haben. Kein Verlust für Europa. Ganz im Gegenteil.
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