Mit seinen 20 Türmen und Türmchen, Palästen und Kathedralen sowie den auffälligen Farben sieht er aus wie ein mit Zuckerguss übergossener Prinzessinnentraum, dabei ist er das Zentrum der russischen Macht: der Kreml in Moskau. Nun sollen zwei ukrainische Drohnen das Ziel gehabt haben, Teile dieses Ortes in die Luft zu jagen und so den russischen Präsidenten kaltzumachen. Das behauptet zumindest Russland.
Was wir über den Drohnenangriff auf den Kreml wissen:
Die ersten Videos des Vorfalls wurden am Mittwoch gegen drei Uhr morgens auf russischen Telegram-Kanälen publiziert.
Sie verbreiteten sich in Windeseile und zeigen eine etwas unscharfe Videoaufnahme einer Drohne, die in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch gegen einen Fahnenmast auf dem Dach des Senatspalastes auf dem Kreml-Gelände geknallt sein soll und danach explodierte. Weitere Videos zeigten eine weitere Drohne, deren Explosion man aber nicht sehen konnte. Der Senatspalast ist die Arbeitsresidenz des russischen Präsidenten Wladimir Putin.
There were 2 drones which flew from different directions. 1st one caused some fire, second one didn't. Check the clock: 1st one is 2.27, 2nd one 2.43. The video with the people climbing the dome is indeed the 2nd drone (no fire caused). https://t.co/jA372Jf02O pic.twitter.com/OfLncMNFGS
— Mark Krutov (@kromark) May 3, 2023
Laut der russischen Regierung hat die Explosion keinen Schaden am symbolischen Herzens Russlands verursachen können. Trotzdem verhängte der Moskauer Bürgermeister Sergej Sobjanin ein Drohnenverbot in der ganzen Hauptstadt.
Die Aufnahmen konnten nicht unabhängig verifiziert werden.
Der Kreml bestätigte die Informationen der Telegram-Blogger am Nachmittag (Ortszeit). In der Pressemitteilung beschuldigt Russland die Ukraine bereits im ersten Satz, für den mutmasslichen Anschlag verantwortlich zu sein:
Russland schreibt, dass man den Drohnen-Angriff als geplanten und gezielten Terroranschlag «auf das Leben des Präsidenten» einschätze. Allerdings sei Putin nicht verletzt worden – im Gegenteil: «Er konnte wie gewohnt weiterarbeiten.» Denn Putin befand sich zum Zeitpunkt des Angriffs nicht im Kreml, sondern in seiner Residenz in Nowo-Ogarjowo, wie der Präsidentschaftssprecher Dmitri Peskow verkündete.
Sollte die Drohne wirklich von der ukrainischen Seite gesteuert worden sein, dann wäre es aber fraglich, dass es sich bei dem Drohnenangriff um ein gezieltes Attentat auf Putin gehandelt hat. Denn Putin gehe «notorisch selten in den Kreml» und dort zu übernachten mache für den Präsidenten erst recht keinen Sinn, schreibt der Politologe, Russland-Spezialist und Sicherheitsanalyst Mark Galeotti auf Twitter.
Am Schluss des Schreibens steht, dass sich die russische Seite das Recht vorbehalte, «Vergeltung zu üben, wo und wann sie es für richtig hält.»
Weder aus dem Video noch aus der russischen Nachricht geht hervor, ob die Drohne im Video von Moskaus Luftabwehr abgeschossen wurde oder wegen des Zusammenstosses mit dem Fahnenmast explodierte.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte, dass das einzige Anliegen der Ukraine sei, die eigenen Städte und Dörfer gegen die russische Invasion zu verteidigen. Er sagte:
Es wäre nicht das erste Mal, dass Russland die Ukraine beschuldigt, russische Ziele mit Drohnen angegriffen zu haben – wobei die Ukraine diese Anschuldigungen stets von sich wies. Die US-amerikanische Nichtregierungsorganisation Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED) listete seit dem 21. April 2022 insgesamt 602 solcher Vorfälle direkt an der ukrainischen Grenze auf. Offiziell ist die Armee in Besitz von Kampfdrohnen mit einer maximalen Reichweite von rund 300 Kilometern, was nicht ausreichte, um Moskau zu erreichen.
Unabhängigen Experten wie Markus Galeotti sehen allerdings starke Indizien, dass die Ukraine mittlerweile im Besitz von Drohnen ist, die eine grosse Reichweite aufweisen. Und solche Drohnen würden immer näher an Moskau gefunden. Berichten zufolge ist erst im Februar eine Drohne in der Nähe der Stadt Kolomna, etwa 100 km südöstlich der Stadt, aufgetaucht. Im vergangenen Monat stürzte eine Drohe etwa 30 km östlich von Moskau ab.
Ein Anschlag auf den Kreml – mitten in Moskau, einer der wohl am stärksten gesicherten Städte der Welt – wäre allerdings die bis dato kühnste Demonstration der ukrainischen Schlagkraft auf russischem Territorium – getreu dem Motto:
Eine symbolische und politische Aktion also – und kein Attentat auf den russischen Präsidenten.
Diese Drohung wäre zudem kurz vor dem 9. Mai platziert worden. Der 9. Mai wird in Russland als «Tag des Sieges» über NS-Deutschland gefeiert und wird normalerweise mit Paraden und Gedenkmärschen an tote Soldaten begangen. Für dieses Jahr wurde das Programm aus Sicherheitsgründen bereits zusammengestaucht.
Bereits schwirrt die These umher, dass es sich bei den Drohnen über dem Kreml um eine inszenierte «False-Flag»-Operation von Moskau handle. Um das russische Volk noch mehr gegen die Ukraine aufzuwiegeln und einen Vorwand für weitere Barbareien in der Ukraine zu liefern, wie der «Guardian» schreibt.
Auch Mykhaylo Podolyak, einer der Berater Selenskyjs, behauptete gegenüber BBC, Kiew habe nichts damit zu tun. Allerdings würde das Video ein Zeichen für eine bevorstehende russische Gräueltat sein.
Ebenfalls von einer «False-Flag»-Operation geht das renommierte Institute for the Study of War (ISW) aus. Es sei «äusserst unwahrscheinlich, dass zwei Drohnen mehrere Ebenen der Luftverteidigung durchdrungen haben und direkt über dem Herzen des Kreml detonieren oder abgeschossen werden könnten. Und zwar auf eine Weise, die spektakuläre Bilder lieferte, die gut mit der Kamera eingefangen wurden», schreibt das ISW in seinem Bericht vom 3. Mai. Möglicherweise diente der Angriff unter falscher Flagge dazu, weitere Mobilisierungsmassnahmen zu rechtfertigen, schlussfolgert das ISW.
Einer anderen Meinung ist der russische Politologe und frühere Redenschreiber von Putin, Abbas Galjamow. Er meint, egal, wie man es drehe und wende: Russland stehe nicht gut da. Denn der Vorfall habe «in erster Linie die Schwäche der russischen Luftverteidigung demonstriert.» Weshalb er auch nicht an eine «False-Flag»-Operation glaube.
Auch Galeotti bläst in dasselbe Rohr: Sollte die Drohne tatsächlich aus der Ukraine kommen, dann hätte sie ein peinliches Sicherheitsmanko Russlands aufgedeckt. Er sieht sogar die Möglichkeit, dass bald die letzte Stunde des Verteidigungsministers Sergej Schoigu geschlagen haben könnten. Analog zum Fall, als 1987 der Deutsche Mathias Rust mit einem Kleinflugzeug auf der Grossen Moskwa-Brücke direkt neben dem Kreml landete – und in der Folge die höchsten militärischen Ränge Russlands gesäubert wurden.
1.August Rakete attackiert! 😂
Entweder Fals-Flag Operation, Fake-Video oder die Flugabwehr muss unglaublich schlecht sein was wohl über dem Kreml kaum der Fall sein wird.