Mitten in Europa gibt es einen Flecken Erde, auf dem alle Männer Kutte tragen und Frauen keinen Zutritt haben – ausser Katzen und Hühnern sind sogar alle weiblichen Wirbeltiere unerwünscht: die Mönchsrepublik Berg Athos auf der griechischen Halbinsel Chalkidiki.
Und dieser Flecken Erde, bestehend aus 20 orthodoxen Klöstern, hat seine ganz eigene Rolle in den russisch-europäischen Beziehungen. Denn auf dem Athos spinnen falsche Mönche mit Unterstützung Russlands mitten in der EU ihre Fäden, während echte Mönche erbittert gegen russische Kriegspropaganda kämpfen.
Doch von vorn.
Das grösste aller Klöster auf der Halbinsel ist russisch-orthodox: das Rossikon. Und das Rossikon ist geschichtsträchtig – die Ursprünge dieser heiligen Stätte gehen ins 10. Jahrhundert zurück. Über 2000 Mönche lebten zeitweise in den alten Gemäuern, wo die Liturgien ausschliesslich in Kirchenslawisch zelebriert werden.
Zusammen mit den anderen Klöstern auf dem Berg Athos gehört das Rossikon zu dem UNESCO-Weltkulturerbe.
Die russisch-orthodoxe Kirche entsendet die Mönche jeweils exklusiv ins Rossikon, weshalb es sich bei den Männern vorwiegend um russische und ukrainische Staatsbürger handelt. Allerdings erhalten alle Mönche auf dem Berg Athos irgendwann die griechische Staatsbürgerschaft.
Zwar zerbröselte die Gemeinschaft der Rossikon-Mönche während der Sowjetunion und schrumpfte auf einen historischen Tiefstand zusammen (Griechenland kontrollierte den Zustrom an russischen Bürgern und Mönchen genau). Doch mittlerweile hat sich der Mönchsbestand etwas erholt – finanziert vom russischen Staat und russischen Privatpersonen.
- Maaltijd in het Panteleimon klooster (Rossikon) op Athos
— A. den Doolaard (@AdenDoolaard) July 14, 2019
- Meal in the Panteleimon monastery (Rossikon) on Athos
foto Cas Oorthuys - ca 1957
© Nederlands Fotomuseum 99039/x pic.twitter.com/d57iejt4uB
Obwohl die Mönche ein strenges Lebens- und Glaubens-Regime befolgen müssen und der Realität etwas entrückt wirken, sind sie und ihr Kloster seit Jahrzehnten Teil der Weltpolitik. Denn einige Mönche seien gar keine echten heiligen Männer, sondern Spione des russischen Geheimdienstes. Sagen westliche Beobachter. Das Rossikon ist also ein Ort der Geheimnisse.
Der russische Präsident Wladimir Putin und die russisch-orthodoxe Kirche sind eng verflochten. Die Oberhäupter der russisch-orthodoxen Kirche unterstützen Putins Krieg in der Ukraine – wenigstens das ist kein Geheimnis.
Putin on Athos - Monastery St. Panteleimon - Rossikon 5 pic.twitter.com/caatAgDkdD
— AmorOmniaVincit (@Mishoni54) May 30, 2016
Der russische Präsident gibt sich in der Öffentlichkeit betont fromm und erzählt gerne die Geschichte, dass er – der ehemals stramme Kommunist – bei einem Brand 1996 nicht nur sein Haus bei Sankt Petersburg, sondern auch fast seine beiden Töchter verloren hätte. Aus den Trümmern des Hauses habe er neben seinen Kindern bloss sein Taufkreuz retten können.
Auffällig ist: Das Rossikon ist ein beliebtes Ausflugsziel von russischen Oligarchen. Auch Putin besuchte die Männer in Kutten bereits mehrfach.
Zu der Anwesenheit der Oligarchen und Putins sagt Bartholomäus, rechtmässiger Abt des Klosters Esfigmenou auf der Halbinsel, diesen Mai gegenüber der «Bild-Zeitung», dass diese zu den Expansionsplänen Russlands passen würde, die die russische Regierung schon immer für den Berg Athos gehabt habe.
Doch warum hat sich dieser heilige Ort zu einem Zentrum der russischen Geschäfte in Europa gewandelt? Bartholomäus erklärt dies in der «Bild» so:
Das «Geschäft» der Oligarchen auf der Halbinsel: Geldwäsche mittels Spende an das Rossikon. Und obwohl alle von diesen kriminellen Machenschaften Kenntnis hätten, seien den Behörden die Hände gebunden. Denn, wie ein griechischer Beamter der «Bild» erklärte:
Abt Bartholomäus nimmt übrigens keine Oligarchenspenden entgegen. Er begründet dies in der NZZ damit, dass die vermögenden Männer zu eng mit der russischen Regierung verbandelt wären. Und diese stelle den Berg Athos als «das Erbe der Russen und ihr Eigentum» dar.
Doch via Rossikon fliessen russische Oligarchengelder wohl weiterhin unbemerkt nach Griechenland, um dort gewaschen zu werden.
Im Februar – nur wenige Tage vor Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine – kaperte eine Gruppe russischer Nationalisten Teile des Klosters Esfigmenou von Abt Bartholomäus, einem griechisch-orthodoxen Kloster.
Dabei leben die Mönche von Esfigmenou zurzeit nicht einmal in ihrem Zentralgebäude. Denn dieses wird seit 20 Jahren von ultrakonservativen Mönchen besetzt, denen die Glaubensgrundsätze des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel, dem die Klöster auf dem Athos unterstellt sind, nicht orthodox genug sind.
Doch wer sich genau unter den Kutten der Besetzer-Mönche verstecke, wisse man nicht so genau, klagt Bartholomäus der NZZ – ob geistliche Eiferer, weltliche Spione oder beides. Der «Bild» sagt der Abt:
Er betont in der NZZ, dass es im Konflikt mit den ultrakonservativen Mönchen nicht um eine spirituelle Frage gehe, sondern darum, dass versucht werde, sich fremdes Eigentum anzueignen. Eine anhaltende Beeinträchtigung der Eintracht der Orthodoxie und der Athos-Mönche.
Während die klerikalen Besetzer Bartholomäus' Klostergemeinschaft seit 20 Jahren in Atem halten, versucht der Abt gegen die profanen Russen, die seit Februar in seinem Kloster hausen, sofort etwas zu unternehmen: Er wandte sich an die griechische Presse, die den Fall publik machte. Bartholomäus beschreibt, dass es weitere ähnliche Vorfälle gegeben habe. Der O-Ton von Bartholomäus' Berichten: Die Russen versuchen den Athos definitiv zu übernehmen.
Diese Anschuldigung mitten im Ukraine-Krieg wiederum passt Russland nicht. Das russische Aussenministerium gab sogar eine Erklärung heraus, in der «ungenaue Berichte über russische Themen in den griechischen Medien» allesamt als falsch abgetan werden. Das Aussenministerium schreibt:
Unter Punkt fünf heisst es weiter, dass die Anschuldigungen Bartholomäus' bloss ein weiteres Kapitel der Mär seien, dass der Kreml versuche, «die Situation auf dem Heiligen Berg zu destabilisieren.»
Ab April verbreiteten sich in russischen Medien die Gerüchte, dass auf dem Berg Athos ein Pogrom gegen Mönche mit russischer Herkunft stattfinde. Denn der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, der ebenfalls Bartholomäus heisst, besuchte im Mai die Halbinsel.
Im Rahmen des «aktuellen Informationskrieges des Westens gegen Russland und die kanonische Orthodoxie als tausendjähriges Fundament des russischen Staates» habe man begonnen, die «Athos-Karte» auch in den westlichen Medien zu spielen, sagte der russische Sekretär des Departements für interreligiöse Beziehungen, Vater Dimitry Safonov, der russischen Nachrichtenagentur Tass.
Mittlerweile kursieren Videos auf den russischen sozialen Medien, die die Nachricht verbreiten, dass es auf dem Berg Athos bald einen Krieg geben werde.
Wie auch immer es in der irren Geschichte um das Rossikon und den Berg Athos weitergeht, eines steht fest: Mit der andächtigen Stille ist es auf dem Klosterberg bis auf Weiteres vorbei.
Es müsste sicher Wege geben, um den Berg zumindest von den russischen Mönchen, die die griechische Staatsbürgerschaft noch nicht inne haben zu befreien.
Ich wurde letzte Woche von einem anderen User auf den Berg aufmerksam gemacht, wegen so glaubens Gedöns was da abgeht.
Aber das scheint nur Fassade, für das was da wirklich abgeht.
Sehr interessante Sache, danke für den Bericht. Ich hoffe die Griechen werden den Missstand unter die Lupe nehmen und aufräumen.