Pawl Prigoschin hat es versprochen. Der junge Mann, der nach dem Tod seines Vaters Jewgeni die Leitung der Wagner-Gruppe übernommen hatte, erklärte am 2. Oktober auf seinem Telegram-Account:
Er übernahm die Rhetorik des Kremls und bezeichnete die Regierung in Kiew als «Neonazis». Weiter versprach er die Rückkehr der Söldner in die Ukraine – dies scheint nun Tatsache zu sein, wie mehrere Quellen berichten.
Musikanten, wie die Söldner auch genannt werden, sollen in der Gegend von Awdijiwka stationiert sein, einer kleinen Stadt in der Nähe von Donezk, die seit Monaten erbittert umkämpft ist. Der Kommandant des Bataillons Arbat, das den prorussischen Kräften im Donbass angegliedert ist, behauptete in einem Interview mit dem Sender DNR News, dass seine Einheit fast vollständig aus ehemaligen Wagner-Mitgliedern bestehe.
Der Kommandant sagte auch, dass die Lage des Bataillons angesichts der schweren Verluste an der Frontlinie «gut, aber nicht hervorragend» sei. Er fügte hinzu, dass die Wagner-Kämpfer je nach Bedarf in anderen Einheiten kämpften. Dabei handele es sich insbesondere um Drohnenpiloten und Spezialisten für elektronische Kriegsführung.
Der Telegram-Kanal Grey Zone, der der Wagner-Gruppe nahesteht, berichtet auch davon, dass «die Miliz zurück auf dem Schlachtfeld in der Ukraine» ist. Und ergänzt:
Die Rekrutierung hat bereits in den Reihen des tschetschenischen Kadyrow-Regiments begonnen, wie dessen Kommandeur Apti Alaudinow bestätigte, der auch die rechte Hand des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow ist.
In einem Interview mit der staatlichen Nachrichtenagentur Ria Novosti sagte Alaudinow, dass eine «massive» Anzahl von Wagner-Kämpfern sich verschiedenen Abteilungen der Kadyrow-Truppen angeschlossen habe und in mehreren nicht näher bezeichneten Frontabschnitten in der Ukraine operiere.
Am Sonntag bestätigte Ramsan Kadyrow die Nachricht und schrieb auf Telegram, dass sich 170 Wagner-Kämpfer dem Regiment angeschlossen hätten. Die Truppen «verfügen über umfangreiche Erfahrungen mit militärischen Operationen im Donbass und in der Ukraine», erklärte der tschetschenische Führer. Er fügt hinzu:
Um seine Behauptung zu belegen, postete Kadyrow ein Video auf seinem Telegram-Kanal, das einen tschetschenischen Kommandanten zeigt, der mehreren Männern in Kampfanzügen mit dem für die Gruppe charakteristischen Totenkopfabzeichen die Hand schüttelt.
Kadyrov: 170 Wagner PMC fighters joined the "elite Akhmat Chechen special forces".
— Anton Gerashchenko (@Gerashchenko_en) October 29, 2023
At the time of Prigozhin's death, Wagner numbered between 25,000 and 30,000 men.
Now Kadyrov is personally delighted that 170 of them have decided to join Akhmat. pic.twitter.com/hV0O57yjh7
Dies waren die ersten Meldungen über die Anwesenheit von Wagner in der Ukraine seit mehreren Monaten. Die bewaffnete Gruppe hatte nach der Eroberung der Stadt Bachmut am 20. Mai begonnen, das Land zu verlassen. Zwei Wochen nach der Rebellion erklärte das Pentagon, dass die Söldner nicht mehr «in nennenswertem Umfang» in der Ukraine kämpften.
Im Vergleich zur Situation vor der Meuterei von Wagner (und dem Tod von Jewgeni Prigoschin) gibt es jedoch einen grossen Unterschied: Sowohl das separatistische Bataillon Arbat als auch das tschetschenische Kadyrow-Regiment sind Teil der regulären russischen Armee, wie der amerikanische Thinktank Institute for the Study of War (ISW) feststellt.
Mit anderen Worten: Wagner ist keine private Miliz mehr, sondern wurde von der russischen Armee übernommen. Die Gruppe, oder zumindest die verbliebenen Mitglieder, gehorchen nun dem Verteidigungsministerium – demselben Ministerium, gegen das Jewgeni Prigoschin seine Rebellion gerichtet hatte.
Die Zusammenführung von Wagner und der regulären Armee war eine der Hypothesen, die von Experten am Tag nach Prigoschins Tod diskutiert wurden. Drei Tage nach seinem Tod unterzeichnete Wladimir Putin ein Dekret, das die Mitglieder paramilitärischer Gruppen dazu verpflichtete, ihre Treue zu Russland in Form eines Eides zu erklären, wie es auch die reguläre Armee tut.
Obwohl die Wagner-Gruppe in dem Dekret nicht explizit genannt wurde, war es eindeutig an ihre Kämpfer gerichtet, so der ukrainische Wissenschaftler Petro Burkovskyi gegenüber der BBC: «Entweder ihr leistet den Eid und behaltet eure Waffen, oder ihr gebt eure Waffen ab und geht ins Gefängnis.»
Es bleibt abzuwarten, ob es der Wagner-Gruppe in dieser neuen Konstellation gelingt, den Einfluss, den sie in der Ukraine gewonnen hatte, wiederzuerlangen. Während der Schlacht um Bachmut hatte sich die Miliz allmählich zu einer «quasi-unabhängigen militärischen Parallelstruktur» entwickelt, so das ISW damals. Dies gehöre nun der Vergangenheit an, meint der Thinktank heute:
Die ehemaligen Mitglieder der Miliz «werden nicht die Stärke haben, die die Wagner-Gruppe aus ihrem Status als einheitliche Organisation unter einem klaren und einheitlichen Kommando gezogen hat», fügt das ISW hinzu. Dennoch können die Wagner-Kämpfer «durch die Verstärkung der neuen Einheiten, in die sie integriert sind», immer noch eine Bedrohung für die ukrainischen Streitkräfte darstellen.