Die USA haben pünktlich zum G7-Gipfel neue Sanktionen gegen Unterstützer des russischen Krieges gegen die Ukraine verhängt. Die Ankündigung machte den Auftakt für einen weiteren Kraftakt, den die sieben demokratischen Industrienationen zur Unterstützung des angegriffenen Landes bei ihrem dreitägigen Gipfeltreffen in Süditalien unternehmen wollen. Die Staats- und Regierungschefs der Länder kommen an diesem Donnerstag im Luxushotel «Borgo Egnazia» in Apulien zusammen. Neben der Ukraine stehen auch der Gaza-Krieg, die schwierigen Handelsbeziehungen zu China und die Migration auf der Tagesordnung. Gäste der Gipfelrunde sind unter anderem der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und erstmals auch der Papst.
Zur Gruppe der Sieben gehören die USA, Kanada, Japan, Grossbritannien, Frankreich, Deutschland und Italien, das dieses Jahr Gastgeber ist und den Vorsitz hat. Für Deutschland reist Bundeskanzler Olaf Scholz an. US-Präsident Joe Biden wurde am Mittwochabend in Süditalien erwartet. Für die EU sind Ratspräsident Charles Michel und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit dabei.
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Wegen des Angriffs auf die Ukraine vor mehr als zwei Jahren hat der Westen bereits beispiellose Sanktionen gegen Russland und seine Unterstützer verhängt. Mit der Verkündung neuer Sanktionen hatte die US-Regierung auch im vergangenen Jahr den G7-Gipfel in Japan eingeläutet, um Moskau den Zugang zu Gütern zu erschweren, die auf dem Schlachtfeld wichtig sind. Das neue Paket richtet sich gegen mehr als 300 Personen und Einrichtungen, die Russland unterstützten, Sanktionen zu umgehen und Materialien für das Schlachtfeld herzustellen, hiess es am Mittwoch vom US-Aussenministerium. Dazu gehörten auch chinesische Firmen. Von den neuen Sanktionen seien ausserdem Personen betroffen, die für die Verschleppung und Umerziehung ukrainischer Kinder verantwortlich seien.
Selenskyj nimmt am Donnerstag an einer der Arbeitssitzungen der G7-Staaten teil. Während des Gipfels kann er mit Zusagen rechnen. Erwartet wird, dass sich die Gruppe grundsätzlich darauf verständigt, der Ukraine möglichst schnell neue Hilfen in Höhe von rund 50 Milliarden US-Dollar (etwa 47 Mrd. Euro) zu gewähren. Dies soll mithilfe eines Kreditpakets geschehen, das über die Zinserträge aus eingefrorenem russischen Staatsvermögen finanziert wird. Mit dem Geld könnte die Ukraine ihre Verteidigung stärken und den Wiederaufbau zerstörter Infrastruktur bezahlen. Zudem sollen Engpässe im ukrainischen Staatshaushalt ausgeglichen werden können, erklärte ein EU-Beamter am Dienstagabend.
Die EU-Staaten hatten bereits entschieden, die Zinserträge direkt für die Finanzierung von Militärhilfen für die Ukraine bereitzustellen. Allein dieses Jahr sollen so bis zu drei Milliarden Euro zusammenkommen. Über den sogenannten Kredithebel könnte die Wirkung nun aber noch einmal deutlich erhöht werden.
Nach Kommissionsangaben sind rund 210 Milliarden Euro der russischen Zentralbank in der EU eingefroren. Das in Brüssel ansässige Finanzinstitut Euroclear hatte zuletzt mitgeteilt, 2023 rund 4,4 Milliarden Euro an Zinsen eingenommen zu haben. Es ist in der EU das mit Abstand wichtigste Institut, das Vermögenswerte der russischen Zentralbank verwahrt.
Die US-Regierung sieht die Verhandlungen über eine Nutzung von eingefrorenem russischen Staatsvermögen zugunsten der Ukraine auf gutem Weg. Die Gespräche dazu liefen produktiv und konstruktiv, sagte der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Biden, Jake Sullivan, am Mittwoch auf dem Flug nach Italien zum G7-Gipfel, wo eine Entscheidung zu dem Thema erwartet wird. Sullivan betonte jedoch, die geplante Erklärung der Staats- und Regierungschefs zu den Plänen werde nicht jede Einzelheit regeln, sondern nur den Rahmen vorgeben. Die operativen Details müssten im Anschluss an den Gipfel weiter von Fachleuten ausgearbeitet werden - innerhalb eines festen Zeitraumes.
In der EU und in anderen Ländern sind seit dem russischen Angriff auf die Ukraine im grossen Umfang russische Zentralbankgelder eingefroren. Der Bärenanteil befindet sich innerhalb der Europäischen Union: nach Kommissionsangaben rund 210 Milliarden Euro. Das festgesetzte Geld Russlands wirft jährlich Zinserträge in Milliardenhöhe ab.
US-Präsident Joe Biden und sein ukrainischer Kollege Wolodymyr Selenskyj wollen am Donnerstag am Rande des G7-Gipfels in Italien ein bilaterales Sicherheitsabkommen beider Länder unterzeichnen. Das kündigte Bidens Nationaler Sicherheitsberater, Jake Sullivan, am Mittwoch auf dem Flug nach Italien vor Journalisten an. 15 Länder hätten bereits entsprechende Vereinbarungen mit der Ukraine geschlossen. Nun seien auch die Verhandlungen der US-Regierung mit Kiew abgeschlossen.
Sullivan nannte noch keine konkreten Details zum Inhalt der Vereinbarung. Er betonte aber, das Abkommen werde keinerlei Verpflichtung zum Einsatz amerikanischer Streitkräfte zur Verteidigung der Ukraine beinhalten. «Es ist eine Zusage, dass wir sicherstellen werden, dass die Ukraine sich selbst verteidigen kann.»
Sullivan deutete auch an, in der Vereinbarung werde festgehalten, dass die US-Regierung mit dem Kongress zusammenarbeiten wolle, um einen Weg zu «nachhaltiger» Unterstützung für die Ukraine zu finden. Konkreter wurde Sullivan nicht und betonte, konkrete Summen würden in der Vereinbarung nicht genannt. Abgeordnete aus den Reihen der Republikaner hatten zuletzt über Monate neue Finanzhilfen für die Ukraine im Parlament blockiert.
Bidens Berater nannte das Abkommen mit Kiew eine «Brücke» zu einer möglichen Nato-Mitgliedschaft der Ukraine. «Diese Brücke besteht darin, dass wir der Ukraine helfen, die Fähigkeiten zu schaffen, die sie für ihre eigene Sicherheit und für die Wahrung ihrer Souveränität und territorialen Integrität benötigt.» Er betonte: «Mit der Unterzeichnung werden wir auch Russland ein Signal unserer Entschlossenheit senden.» Wenn Kreml-Chef Wladimir Putin denke, dass er mehr Durchhaltevermögen habe als die Koalition der Ukraine-Unterstützer, dann irre er sich. Die USA zeigten mit dem Abkommen ihr anhaltendes Engagement für die Ukraine.
Sullivan betonte, das Abkommen werde keine Zusagen zur Lieferung bestimmter Waffensysteme enthalten. Es gehe darin vielmehr um einen «Rahmen» für die Zusammenarbeit beider Länder. Er wollte sich auch nicht äussern zu einem Medienbericht, wonach die USA der Ukraine ein weiteres Patriot-Flugabwehrsystem zur Verfügung stellen wollen, um die Verteidigung gegen Russlands Angriffe aus der Luft zu stärken. Es gehöre aber zu den obersten Prioritäten Bidens, der Ukraine mehr Luftabwehrsysteme zu liefern. Wenn es dazu Neuigkeiten gebe, werde die US-Regierung darüber informieren.
US-Präsident Biden will der Ukraine einem Medienbericht zufolge ein weiteres Patriot-Flugabwehrsystem zur Verfügung stellen. Biden habe sich vergangene Woche nach einer Reihe von Treffen mit ranghohen Beratern dazu entschieden, schrieb die «New York Times» unter Berufung auf nicht namentlich genannte Quellen in der Regierung. Der Kommunikationsdirektor des Weissen Hauses, John Kirby, bestätigte den Bericht auf Nachfrage nicht. Denkbar ist, dass die US-Regierung die Ankündigung im Rahmen des Gipfels macht.
Das neue Patriot-System der USA sei derzeit in Polen, schrieb die «New York Times» weiter. Es könne in den kommenden Tagen an der ukrainischen Front eingesetzt werden. Es wäre das zweite Patriot-Flugabwehrsystem, dass die USA der Ukraine zur Verfügung stellen.
Es zählt zu den modernsten der Welt. Mit ihm werden feindliche Flugzeuge, ballistische Raketen und Marschflugkörper bekämpft. Auf eine Entfernung von etwa 100 Kilometern und bis in Höhen von 30 Kilometern können die Abwehrraketen in einer gedachten Glocke um die Stellung Ziele treffen – abhängig vom eingesetzten Lenkflugkörper.
Italiens rechte Ministerpräsidentin Giorgia Meloni begrüsst ihre Gäste in dem Luxus-Resort «Borgo Egnazia», das 28 Villen sowie 63 Suiten oder Zimmer in traditionell apulischem Stil unterhält. Dazu gibt es Restaurants, Pools, ein Golfplatz und ein Beachclub.
Auch der Papst wird dort mit den Staats- und Regierungschefs zusammentreffen. Zum ersten Mal überhaupt nimmt ein Papst an einem G7-Gipfel teil. Das Oberhaupt der katholischen Kirche soll über das Thema Künstliche Intelligenz sprechen. Bei der Arbeitssitzung soll es aber auch um Afrika und das Mittelmeer gehen – und Franziskus pocht immer wieder auf Solidarität mit Flüchtlingen und Migranten, die den gefährlichen Seeweg nach Europa wagen.
Nach der zweitägigen Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine in Berlin schliesst das G7-Treffen nahtlos an. Am Samstag geht es für Scholz und auch Selenskyj weiter zur Ukraine-Friedenskonferenz in der Schweiz, zu der sich nach Angaben der Regierung in Bern bislang rund 40 Staats- und Regierungschefs angemeldet haben. Eingeladen waren rund 160. Weitere gut 40 Staaten sollen mit anderen hohen Regierungsvertretern dabei sein. (sda/dpa)