Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten haben sich auf ein Lieferkettengesetz geeinigt. Damit sollen grosse Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie etwa von Kinder- oder Zwangsarbeit ausserhalb der EU profitieren.
Dies geht aus Mitteilungen des Europaparlaments und der EU-Staaten von Donnerstag hervor. Grössere Unternehmen müssen zudem einen Plan erstellen, der sicherstellt, dass ihr Geschäftsmodell und ihre Strategie mit dem Pariser Abkommen zum Klimawandel vereinbar sind, wie die EU-Staaten mitteilten.
Unternehmen sind nach den geplanten Regeln den Angaben zufolge für ihre Geschäftskette, also auch Geschäftspartner des Unternehmens und teilweise auch für nachgelagerten Tätigkeiten wie Vertrieb oder Recycling verantwortlich. Der Finanzsektor soll zunächst von den Vorgaben ausgeschlossen werden. Grundsätzlich gelten die Regeln für Firmen mit mehr als 500 Beschäftigten und mindestens 150 Millionen Euro Umsatz.
Firmen, die nicht in der EU sitzen, fallen unter das Gesetz, wenn sie in der EU einen Umsatz von mehr als 300 Millionen Euro machen. Die EU-Kommission soll eine Liste der betroffenen Nicht-EU-Unternehmen veröffentlichen.
Vorgesehen ist auch, dass Unternehmen vor europäischen Gerichten zur Rechenschaft gezogen werden können, wenn es in ihren Lieferketten zu Verstössen gegen Menschenrechte kommt. Die Einigung muss vom Parlament und den EU-Staaten noch bestätigt werden, das ist normalerweise aber Formsache.
Die Vorsitzende des Binnenmarktausschusses im EU-Parlament, Anna Cavazzini, sprach zwar von einem guten Tag für die Menschenrechte, sie hätte sich aber noch strengere Regeln für Klima- und Umweltschutz gewünscht. Die Grünen-Politikerin betonte auch, dass das EU-Lieferkettengesetz über das deutsche Gesetz hinaus gehe.
So müssten in Zukunft mehr Unternehmen über ihre gesamte Lieferkette hinweg Risiken erfassen. Das EU-Lieferkettengesetz ist eine sogenannte Richtlinie, die die Bundesregierung noch in nationales Recht umsetzen muss, in Deutschland gilt seit Jahresbeginn bereits ein Lieferkettengesetz.
Die Auswirkungen auf Schweizer Unternehmen sind noch nicht ganz klar. Grosse Wirtschaftsverbände wollen das Gesetz zuerst analysieren, wie sie Anfrage der Nachrichtenagentur AWP sagten.
Kritik an dem Gesetz kam von Wirtschaftsvertretern: Sie befürchteten etwa zu grossen Bürokratieaufwand für Unternehmen und dadurch einen Wettbewerbsnachteil gegenüber Firmen aus Drittstaaten, die nicht von den Regeln betroffen sind. Nach der Einigung teilte der deutsche Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger mit: «Das Ergebnis ist ein übereilter und handwerklich schlecht gemachter Kompromiss.» Er forderte Deutschland dazu auf, den Kompromiss abzulehnen und sprach von einem drohenden europäischen Bürokratiemonster.
Laut Angaben des deutschen Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) arbeiten weltweit knapp 80 Millionen Kinder unter ausbeuterischen Bedingungen in Textilfabriken, Steinbrüchen oder auf Kaffeeplantagen. «Auch für unsere Produkte», so das Ministerium. Laut der Hilfsorganisation Terre des Hommes können zahlreiche Produkte von Kinderarbeit betroffen sein. Dazu zählen etwa Blumen, Kleidung, Computer, Tabak, Feuerwerk, Fussbälle, Kosmetik oder Lebensmittel. (saw/sda/awp/dpa)