Bisher konnten Personen mit Wohnsitz in der Schweiz sich bei jedem Einkauf in Deutschland die deutsche Mehrwertsteuer zurückerstatten lassen. Das war möglich ohne eine Mindestgrenze. Neu soll dies erst bei einem Einkauf ab 50 Euro gehen, die sogenannte Bagatellegrenze.
Einkäufe dürfen nicht kumuliert werden. Das bedeutet, sie müssen an der gleichen Kasse bezahlt werden. Es ist nicht möglich, Einkäufe im Bio-Laden, in der Buchhandlung und im Supermarkt zusammenzurechnen. Einen grünen Zettel für die Rückerstattung der Mehrwertsteuer erhält man erst, wenn der Einkauf in einem Geschäft 50 Euro oder mehr beträgt.
Das kommt ganz auf den Mehrwertsteuersatz der eingekauften Waren an. Bei den Drogeriewaren liegt er in der Regel bei 19 Prozent. Wer im Drogeriemarkt für 50 Euro einkauft, erhält rund zehn Euro zurück. Den gleichen Mehrwertsteuersatz haben auch alkoholhaltige Getränke oder Säfte. Für Lebensmittel liegt er meist bei 7 Prozent. Die Erstattung wäre dann dementsprechend tiefer.
Sie soll mit dem neuen Jahressteuergesetz Anfang 2020 in Kraft treten.
Im Gesetzestext heisst es, dass sie abgeschafft wird, wenn eine neue digitale Lösung mit einer App auf dem Smartphone fertig ist. Das soll bereits Ende 2021 der Fall sein, könnte sich aber auch verzögern.
Der deutsche Zoll, der Detailhandel, die Konsumenten und die Finanzverwaltung sind schon seit Jahren an dem Thema. Es ist äussert komplex. Die App müsste flächenübergreifend in ganz Deutschland und auch auf Flughäfen funktionieren. Ein Problem war, dass der Bundesrechnungshof die 28 Millionen Euro, die für die Entwicklung des Systems bereit stehen, nicht frei geben wollte. Dies sollte jetzt aber schnell gelöst sein.
Jeder Konsument mit Wohnsitz in der Schweiz muss die App laden, sich registrieren und identifizieren. Das heisst, er muss gegenüber den deutschen Behörden nachweisen, dass er wirklich in der Schweiz lebt. Beim Übertritt an der Grenze reicht es, den Barcode zu scannen. Kontrollen, ob die angegebenen Waren wirklich ausgeführt werden, wird es weiter stichprobenartig geben.
Nein. Nicht auszuschliessen ist, dass manche Personen sich dagegen wehren, weil sie den deutschen Behörden keine persönlichen Daten zur Verfügung stellen wollen. Laut einer Umfrage der Industrie- und Handelskammer Hochrhein-Bodensee würden sich 70 bis 80 Prozent der befragten Personen registrieren lassen.
Im Gesetz wird nichts Gegenteiliges erwähnt. Zwei Bestimmungen für Personen mit und ohne App wären unwahrscheinlich.
Das ist nicht gesagt. Der deutsche Zoll geht davon aus, dass von 15 Millionen grünen Zetteln, die 2018 an der Schweizer Grenze im Bereich der Hauptzollämter Singen und Lörrach abgestempelt wurden, ab 2020 ein Drittel, also 5 Millionen, wegfallen. Allein beim Hauptzollamt Lörrach sind derzeit 130 Zollbeamte mit dem Abstempeln beschäftigt. Mit der neuen Bagatellgrenze will der Zoll 43 Beamte und eine Lohnsumme von zwei Millionen Euro einsparen. Die Zollbeamten werden also weniger Arbeit haben, aber auch nicht mehr so viel sein. Prognose: Die Schlangen am Zoll bleiben.
Ja. Die Industrie- und Handelskammer Hochrhein-Bodensee geht von einem veränderten Einkaufsverhalten aus. Weil sie nicht mehr so oft ins Deutsche kommen, würde der Rückgang der Kunden bei 25 Prozent liegen. Um die benötigte Einkaufssumme von 50 Euro zu erreichen, dürften sie die Einkäufe gruppieren. Ob auch der Umsatz der deutschen Detailhändler im gleichen Ausmass sinkt, ist noch unklar.
Genauere Zahlen gibt es nicht. Man weiss nur, dass der Jahresumsatz durch Schweizer Einkaufstouristen zwischen Lörrach und Konstanz bei 1,5 Milliarden Euro liegt. In den meisten Branchen beträgt ihr Anteil 30 Prozent, bei einzelnen sogar bis zu 50 Prozent.
In Frankreich ab 175 Euro, in Österreich ab 75 Euro, in Italien ab 155 Euro. Für Gäste in der Schweiz gilt die Regelung bei Einkäufen ab 300 Franken. (bzbasel.ch)