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WEF: Jetzt ist klar, warum Gründer Klaus Schwab per sofort zurücktritt

Darum tritt WEF-Gründer Schwab per sofort zurück

Vorwürfe, die kaum zu glauben sind, führen zu einer Untersuchung gegen den 87-jährigen Klaus Schwab. Was über Ostern hinter den WEF-Kulissen ablief, hat den Anschein einer Palastrevolution.
23.04.2025, 04:4323.04.2025, 09:04
Patrik Müller / ch media
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Am Anfang des abrupten Endes der 55-jährigen WEF-Karriere von Klaus Schwab steht ein Whistleblower, der – anonym – schwere Anschuldigungen erhebt. Genau genommen ist es nicht der Whistleblower, der Schwab am Ostersonntag zum sofortigen Rücktritt bewog, sondern die Reaktion seines eigenen Stiftungsrats auf dessen Vorwürfe.

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Über die Gründe für Schwabs sofortigen Rücktritt wurde intensiv spekuliert.Bild: keystone

Aber der Reihe nach. Am frühen Ostermontag teilte das Weltwirtschaftsforum überraschend den Abgang seines Gründers mit. Klaus Schwab wurde wie folgt zitiert: «Nach meiner kürzlichen Ankündigung und mit dem Eintritt in mein 88. Lebensjahr habe ich beschlossen, mit sofortiger Wirkung von meinem Amt als Vorsitzender sowie als Mitglied des Stiftungsrats zurückzutreten.» Weiter hiess es in der Mitteilung, an einer ausserordentlichen Sitzung des Stiftungsrats am 20. April sei der Rücktritt von Klaus Schwab zur Kenntnis genommen worden. Es folgte ein Dank.

Gründe für den abrupten Rückzug wurden keine genannt. Das war seltsam, denn bislang hiess es, Schwabs Nachfolge werde bis Anfang 2027 geregelt sein.

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Klaus Schwab mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am WEF 2025. Bild: keystone

Schnell schossen die Spekulationen ins Kraut. Medien im In- und Ausland fragten sich, ob eine Untersuchung in den USA damit zu tun habe. Dort hatten Mitarbeiterinnen Diskriminierungsvorwürfe erhoben. Später wurde ein Sonderausschuss eingesetzt. Dieses Newsportal fragte: «Hat der Ausschuss etwas gefunden, das zu Schwabs sofortigem Rücktritt führt?» Aus Schwabs Umfeld verlautete zudem, er habe nicht mehr die Lust, in dem veränderten, radikalisierten Umfeld, geprägt vom Populisten Trump, die Organisation in die Zukunft zu führen.

In der «NZZ» erteilte Schwab den Spekulationen eine Absage und nannte das Rücktrittsmotiv. In der Dienstagsausgabe sagte er, er habe seinen 87. Geburtstag mit seiner Frau im Ausland verbracht und über seine Zukunft nachgedacht. Dabei sei er zum Schluss gekommen, dass es viel Energie brauche, das Forum in dieser schwierigen Weltsituation zu führen. Diese Aufgabe müsse jemand Neues übernehmen.

Massagen im Hotel und Luxusreisen

Dieser Beweggrund vermochte jedoch nicht zu erklären, warum Schwab derart überstürzt und dazu noch an einem Ostersonntag den Rücktritt einreichte. Die Erklärung dafür lieferte am Dienstagabend das «Wall Street Journal», das bereits die Diskriminierungsstory enthüllt hatte. Demnach schmiss Schwab den Bettel hin, nachdem der Stiftungsrat gegen seinen Willen beschloss, Whistleblower-Vorwürfe zu untersuchen. Diese klingen so abenteuerlich, dass man sich angesichts der korrekten Wesensart von Schwab fast nicht vorstellen kann, dass sie zutreffen:

  • Schwab soll junge Mitarbeitende gebeten haben, mehrere Tausend Dollar von Geldautomaten für ihn abzuheben.
  • Er soll Massagen in Hotelzimmern auf Kosten des Forums gebucht haben.
  • Seine Ehefrau Hilde Schwab soll «Scheintermine» auf Forumskosten organisiert haben, um Luxusreisen zu rechtfertigen.

Schwab bestreitet die Vorwürfe nicht nur vehement, sondern er kündigt auch an, rechtlich gegen die anonymen Verfasser und Verbreiter der Anschuldigungen vorzugehen. Im «Wall Street Journal» sagt ein Sprecher von Schwab, dieser habe Massagen stets aus eigener Tasche bezahlt, und die Anschuldigungen zu Bargeld und Luxusreisen seien unwahr.

FILE - Klaus Schwab, Chairman of the World Economic Forum attends the opening of the Annual Meeting of World Economic Forum in Davos, Switzerland, Jan. 16, 2024. (AP Photo/Markus Schreiber, File)
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Klaus Schwab bestreitet jegliche Vorwürfe vehement.Bild: keystone

Dass anonym Vorwürfe gegen einflussreiche Chefs grosser Organisationen erhoben werden, ist nicht ungewöhnlich. Bei Schwab ohnehin nicht, der notorisch von Verschwörungstheoretikern verfolgt wird, deren Lieblingsfeinde Georges Soros und Bill Gates Stammgäste am WEF sind.

Alle Stiftungsräte persönlich angefragt

Ungewöhnlich ist etwas anderes: Dass der Stiftungsrat die Vorwürfe für relevant genug hält, um sie untersuchen zu lassen. Dabei erhielt das Gremium den anonymen Brief erst letzte Woche. Man muss sich das vorstellen: Der Mann, der das WEF aufgebaut und alle 27 Mitglieder des Stiftungsrats persönlich für das Amt angefragt hat, wird von ebendiesem Gremium fallen gelassen – indem es gegen seinen Willen eine Untersuchung aufgrund anonym erhobener Vorwürfe einleitet.

Das riecht nach Palastrevolution. Jedenfalls muss es Schwab so empfunden haben, sodass er an der österlichen Sitzung den Rücktritt bekannt gab.

President of European Central Bank, Christine Lagarde, addresses the media during a press conference after an ECB's governing council meeting in Frankfurt, Germany, Thursday, April 17, 2025. (AP  ...
Christine Lagarde, Vorsitzende der Europäischen Zentralbank, ist Teil des WEF-Stiftungsrates.Bild: keystone

Dass der Stiftungsrat leichthin eine Untersuchung startet, ist allerdings schwerlich anzunehmen. Dort sitzen immerhin Persönlichkeiten wie Christine Lagarde, Chefin der Europäischen Zentralbank, Ex-US-Vizepräsident Al Gore, Königin Rania von Jordanien und Roche-Vizepräsident André Hoffmann. Geleitet wird es seit Sonntag interimistisch von Ex-Nestlé-Chef Peter Brabeck-Lethmathe (80). Dass sie den Bruch mit Klaus Schwab zumindest in Kauf nehmen und ebenso, dass ein Schatten auf sein Lebenswerk fällt, ist fast nur dann vorstellbar, wenn die anonymen Vorwürfe detailliert belegt waren.

Das «Wall Street Journal» bleibt hier vage, mit einer Ausnahme. Es nennt die Nutzung der «Villa Mundi», einem Anwesen am Genfersee, das dem WEF gehört. Es wird gemäss der Zeitung behauptet, Hilde Schwab kontrolliere den Zugang zur Villa, und Teile seien angeblich für den privaten Gebrauch der Familie reserviert. Die Schwabs bestreiten dies. Die Villa soll etwa 30 Millionen Dollar gekostet und zusätzlich rund 20 Millionen für Renovierungen verschlungen haben.

Neue Machtverhältnisse

Die offizielle WEF-Kommunikation widerspiegelt bereits die neuen Machtverhältnisse in der über 1000-köpfigen Organisation. In einer Stellungnahme erklärte das Forum, dass der Stiftungsrat einstimmig die Entscheidung unterstützt habe, eine unabhängige Untersuchung einzuleiten, «nachdem ein Whistleblower-Schreiben Anschuldigungen gegen den ehemaligen Vorsitzenden Klaus Schwab enthielt. Diese Entscheidung wurde nach Rücksprache mit externen Rechtsberatern getroffen.» Das Forum teilte weiter mit, es nehme «diese Anschuldigungen ernst», betonte aber auch, sie seien bislang unbewiesen, und man werde das Ergebnis der Untersuchung abwarten.

Offen bleibt die Frage: Warum hat das WEF die Untersuchung in seiner Kommunikation am Ostermontag nicht selber erwähnt? Die neusten Enthüllungen werden die Organisation nicht so schnell zur Ruhe kommen lassen. (aargauerzeitung.ch)

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quelle: keystone / wael hamzeh
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114 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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winglet55
23.04.2025 05:57registriert März 2016
Abgesehen vom Resultat der anstehenden Untersuchung, finde ich es sinnvoll, dass Ü80 keine solch einflussreiche Posten besetzen. Ob in Politik oder Wirtschaft.
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Nume no eis, bitteee!
23.04.2025 05:36registriert Januar 2019
Nichts zu unternehmen, wäre dann auch problematisch geworden. Das Ergebnis der Untersuchung wird es zeigen. Mich stört vorallem, dass in Biden-Manier keine potentiellen Nachfolger:innen in den Startlöcherm stehen, auch wenn ursprünglich mit 2027 gerechnet wurde. Jede KMU plant da offenbar besser. Mich befremdet es halt grundsätzlich, wenn über 80 Jährige noch solche exekutiven Posten bekleiden - Berater:innen, Stiftungs- oder Verwaltungsrät:innen usw. wäre mMn sinnvoller.
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BG1984
23.04.2025 05:12registriert August 2021
Auch wenn es unangenehm ist, eine Untersuchung einzuleiten ist ja keine Verurteilung und wenn Vorwürfe im Raum stehen, dann sollten diese doch aufgearbeitet werden. Ob das WEF ohne Schwab noch zieht, ist fraglich. Sie haben es verpasst, einen Nachfolger aufzubauen. Auch wenn der Geschäftsführer ab und zu zu Wort kam, so stand immer noch Schwab im Mittelpunkt.
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