Am Dienstag haben sich Vertreter der EU-Staaten auf einen Notfallplan zur Senkung des Gaskonsums verständigt. Dieser soll einen befürchteten Stopp von Gasimporten aus Russland abfedern.
Diplomaten bestätigten in der Nacht auf Dienstag gegenüber der Nachrichtenagentur DPA, dass der nationale Gaskonsum in den EU-Staaten vom 1. August 2022 bis zum 31. März 2023 freiwillig um 15 Prozent gesenkt werden soll. Zudem soll die Möglichkeit geschaffen werden, bei weitreichenden Versorgungsengpässen einen Unionsalarm auszulösen und verbindliche Einsparziele vorzugeben.
Im Vergleich zum ersten Entwurf der EU-Kommission sind dafür allerdings deutlich mehr Ausnahmemöglichkeiten vorgesehen. So sollen etwa Länder wie Zypern, Malta und Irland nicht zum Gassparen verpflichtet werden, solange sie nicht direkt mit dem Gasverbundnetz eines anderen Mitgliedstaats verbunden sind.
Bei anderen Staaten sollen Anstrengungen zur Einspeicherung von Gas, eine drohende Stromkrise und der Verbrauch von Gas als Rohstoff etwa zur Erzeugung von Düngemitteln die verpflichtende Einsparmenge reduzieren können.
Auch die Hürden für die Einführung von verbindlichen Einsparzielen wurden erhöht. Letztere soll nur vom Rat der Mitgliedstaaten und nicht von der EU-Kommission durchgesetzt werden können.
Konkret heisst das: Verbindliche Einsparziele erfordern die Zustimmung von mindesten 15 der 27 EU-Mitgliedstaaten. Diese müssen zudem mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU ausmachen.
Nein. «Die Schweiz verfolgt die Entscheidungen der EU aufmerksam. Das Gesetz über die wirtschaftliche Landesversorgung lässt es aber nicht zu, eine Reduktion um 15 Prozent vor einer Mangellage einzuleiten», sagt Fabien Lüthi vom Bundesamt für Energie BFE. Bundesrätin und UVEK-Vorsteherin Simonetta Sommaruga stehe allerdings im regelmässigen Kontakt mit Energieministern der EU-Staaten.
Ganz untätig will das BFE aber trotzdem nicht zuschauen. Für Anfang August sei eine Kampagne geplant, die sich auf «kurzfristig wirksame Massnahmen im Bereich Energieeffizienz» fokussiere. «Diese liegen etwa beim Heizen, der Beleuchtung oder dem Warmwasser», sagt Lüthi. Die Kampagne soll im Hinblick auf den kommenden Winter Einsparungen erzielen und voraussichtlich bis April 2023 laufen.
Weiter anerkennt das BFE, dass die Schweiz in Energiefragen keine Insel ist. «Die Schweiz zeigt sich solidarisch mit den Nachbarländern», sagt Lüthi. So exportiere man derzeit Strom nach Italien, welches so Gas für die Einstromung sparen könne.
Mit Sicherheit kann man dies nicht sagen, aber es deutet vieles darauf hin. Die Gaslieferungen wurden bereits jetzt drastisch gedrosselt. Der staatlich kontrollierte Gazprom-Konzern veröffentlichte am Montag eine Erklärung, ab Mittwoch sollen nur noch 33 Millionen Kubikmeter Gas am Tag nach Deutschland fliessen. Das entspricht 20 Prozent der ursprünglichen Leistung.
— Gazprom (@GazpromEN) July 25, 2022
Grund dafür seien Wartungsarbeiten an einer weiteren Turbine. Bereits im Juni drosselte Gazprom die Gasmenge mit der Begründung, eine Gasturbine von Siemens müsse nach Kanada zur Reparatur geschickt werden.
Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck warf Moskau am Montag vor, ein «perfides Spiel» zu treiben. Es gebe keine technischen Gründe für die Lieferkürzungen. «Putin versucht, die grosse Unterstützung für die Ukraine zu schwächen und einen Keil in die deutsche Gesellschaft zu treiben», sagte der Grünen-Politiker.
Beim Bundesamt für Energie hält man sich derweil bedeckt. «Wir wissen derzeit nicht, ob und in welcher Menge und über welchen Zeitraum künftig Gas durch die Pipeline Nord Stream 1 laufen wird», sagt Fabien Lüthi. Momentan sei die Energieversorgung in der Schweiz aber gesichert.
Setzt Russland seine Lieferkürzungen fort oder kommt es gar zu einem Stopp, so könnte es hingegen eng werden. «Man muss davon ausgehen, dass die europäischen Gasspeicher nicht so gefüllt werden können, wie das eigentlich geplant ist», sagt Thomas Hegglin vom Verband der Schweizerischen Gasindustrie VSG. Das erhöhe die Gefahr einer Mangellage im Winter.
Davon wäre auch die Schweiz betroffen, die ihr Gas hauptsächlich von den Nachbarländern Deutschland, Italien und Frankreich bezieht, welche wiederum stark von Russland abhängig sind.
Die Schweiz hat auch keine eigenen Gaspflichtlager, sie kauft Speicherkapazitäten im Ausland ein. «Es stellt sich die Frage, ob das Gas überhaupt noch in die Schweiz kommt», sagt Hegglin vom VSG.
Die Sorge vor Alleingängen dürfte nicht unbegründet sein. So weigerte sich Deutschland zu Beginn der Pandemie zum Beispiel, Gesichtsmasken in die Schweiz zu exportieren. Erste Anzeichen für solche nationalen Egoismen gibt es bereits: Ungarn erklärte letzte Woche den Ausnahmezustand und verbot alle Energieexporte.
«Umso wichtiger ist es nun, dass der Bund Solidaritätsabkommen mit Nachbarstaaten wie Deutschland abschliesst», sagt Hegglin. Aber selbst wenn die Schweiz ein Netz an gegenseitigen Beistandsverpflichtungen geknüpft hat: Eine Garantie, dass sich die Partner dann auch daran halten, gibt es keine, wie Sommaruga Ende Juni an einer Pressekonferenz mit Parmelin einräumen musste.
Schweiz in 5 Monaten:
Das verdanken wir den selben Sparfüchsen, die Milliarden in die Landwirtschaft für eine angebliche Versorgungssicherheit pumpen wollen und gleichzeitig komplett ausklammern, dass wir keine entsprechenden Pflichtlager für Saatgut, Düngemittel, Pestizide, Medikamente oder Treibstoffe für landwirtschaftliche Geräte haben.