Als das spanische Königshaus am Montagabend völlig unerwartet das Exil von Altkönig Juan Carlos bekannt gab, da war der 82-Jährige offenbar schon über alle Berge. Der von einem Korruptionsskandal und von Justizermittlungen bedrängte Vater von König Felipe VI. hatte den Zarzuela-Palast nordwestlich von Madrid - seine Residenz der vergangenen 58 Jahre - nach Medienberichten bereits am Sonntag verlassen. Er sei mit einem Wagen nach Galicien und von dort über die Grenze nach Portugal gefahren, hiess es.
In Porto soll Juan Carlos dann einen Flieger Richtung Karibik bestiegen haben, wie unter anderem auch die den Royals sehr nahe stehende Zeitung «ABC» versicherte. In der Dominikanischen Republik habe das frühere Staatsoberhaupt Zuflucht bei einem engen Freund, dem Zuckermagnaten Pepe Fanjul, gesucht, hiess es.
Eine Stellungnahme der «Casa Real» oder der Regierung gab es dazu vorerst nicht. Das sorgte für Verwirrung. Der staatliche TV-Sender RTVE und auch die Menschen in den Cafés überall im Lande stellten deshalb immer wieder dieselbe Frage: «Wo ist Juan Carlos?»
Pablo Iglesias, der Chef des Juniorpartners der sozialistischen Regierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez, des Linksbündnisses Unidas Podemos, beklagte eine «Flucht» des Altkönigs und erneuerte seine Forderung nach Abschaffung der Monarchie. «Eine demokratische Regierung darf da nicht wegschauen», schrieb er auf Twitter. Juan Carlos' Anwalt Javier Sánchez-Junco beteuerte, sein Mandant stehe der spanischen Justiz weiter zur Verfügung.
Die in Sachen Monarchie sehr gut informierte Zeitung «El Mundo» versicherte unterdessen, das Exil von Juan Carlos sei von Felipe und Sánchez vereinbart worden. Das Königshaus habe Juan Carlos zum Verlassen Spaniens «gezwungen», um die konstitutionelle Monarchie zu retten, so das Blatt. Ob es etwas bringt? «El Mundo» meint, die «dramatische Geste» von Juan Carlos werde «den Kreuzzug» der Monarchiegegner um Iglesias nicht stoppen. Sorge auch im Ausland: Die Londoner «Times» warnte, die spanische Monarchie sei so beschädigt, «dass ihr langfristiges Überleben ungewiss ist».
Dabei galt Juan Carlos, der selber 1938 im Exil geboren wurde, jahrzehntelang als Vorzeige-König. Spätestens seit er 1981 die damals noch sehr junge spanische Demokratie nach einem Putschversuch energisch verteidigt hatte. Doch in den letzten zehn Jahren erregte er immer wieder Ärger: eine umstrittene Elefantenjagd, Medienberichte über angebliche Seitensprünge, ein Betrugsskandal, der sich über Jahre hinauszog und bei dem sein Schwiegersohn Iñaki Urdangarin zu knapp sechs Jahren Haft verurteilt wurde.
Und dann wurde zu allem Übel auch der ominöse Deal um den «Wüstenzug» aufgedeckt: Juan Carlos soll 2008 Schmiergeld in Höhe von 100 Millionen US-Dollar kassiert haben, damit der Bau einer rund 450 Kilometer langen Schnellbahnstrecke zwischen Mekka und Medina durch ein spanisches Konsortium zustande kam. Das Oberste Gericht leitete im Juni offiziell Ermittlungen gegen den von rund 20 Operationen körperlich stark geschwächten Juan Carlos ein.
Für die vier Jahrzehnte, die er König und Staatsoberhaupt von Spanien war (vom 22. November 1975 bis zum 14. Juni 2014) geniesst Juan Carlos Immunität. Doch obwohl die mutmassliche Schmiergeldzahlung 2008 erfolgte, könnte der Ex-König in Zusammenhang mit dem Skandal unter anderem der Geldwäsche und des Steuerbetrugs in der Zeit nach 2014 beschuldigt werden. Nach seinem Thronverzicht zugunsten seines Sohnes hat Juan Carlos zwar auch heute noch Sonderrechte, kann aber vom Obersten Gericht auf die Anklagebank gesetzt werden.
Juan Carlos hatte zuvor bereits im März einen heftigen Schlag erlitten, als sein Sohn nach einem Bericht des «Telegraph» mit ihm brach. Das britische Blatt hatte enthüllt, dass Felipes Name - offenbar ohne sein Wissen - als Begünstigter einer dubiosen Offshore-Stiftung aufgetaucht war, in der auch Teile der Saudi-Dollars deponiert sein sollen. Der König verzichtete auf sein Erbe und strich dem Vater auch noch das Jahresgehalt von 194 000 Euro.
Ans Licht waren die offenbar unsauberen Saudi-Geschäfte gekommen, als Medien 2018 Aufnahmen eines Gesprächs veröffentlichten, bei dem eine Deutsche dem Altkönig Korruption und Geldwäsche vorwirft. Die heute 55-Jährige war dem Bourbonen nach eigenen Angaben bis 2012 eng verbunden. Sie sei «eine innige Freundin» gewesen, sagte sie den Medien, die immer wieder gern über ihr Leben berichten.
In einem vom Königshaus veröffentlichten Brief an seinen Sohn schrieb der Altkönig nun: Er wolle mit seiner Entscheidung, ins Ausland zu ziehen, die Arbeit von Felipe als Staatschef «erleichtern», «angesichts der öffentlichen Auswirkungen, die gewisse vergangene Ereignisse meines Privatlebens derzeit verursachen». «Es ist eine Entscheidung, die ich mit tiefen Gefühlen, aber mit grosser Ruhe treffe.»
Gattin Sofía wird laut Medien nicht mit ins Ausland gehen. Die 81-Jährige ist bereits seit einigen Tagen auf Mallorca und wartet in der Sommerresidenz der Royals auf der Mittelmeerinsel, dem Palacio Marivent, auf die für Freitag vorgesehene Ankunft von Felipe (52), Königin Letizia (47), Kronprinzessin Leonor (14) und Infantin Sofía (13). Auf alle warte ein «bewegter Sommer», so RTVE. (aeg/sda/dpa)
Er ist also im Kongo oder bei Berlusconi in Italien oder in der Schweiz.