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Uno schlägt Alarm: Sudan und Nachbarländern droht humanitäre Katastrophe

Uno schlägt Alarm: Sudan und Nachbarländern droht humanitäre Katastrophe

Bis zu 800'000 Menschen könnten in den kommenden Tagen und Wochen aus dem Sudan in die Nachbarländer fliehen. Doch diese sind schon auf internationale Hilfe angewiesen. Eine humanitäre Katastrophe sondergleichen bahnt sich an.
08.05.2023, 18:1208.05.2023, 18:12
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Seit dem 15. April kämpfen im Sudan die zwei mächtigsten Männer des Landes (und ihre Armeen) gegeneinander, bisher wurden mindestens 700 Menschen getötet, die meisten von ihnen Zivilisten. Tausende sind auf der Flucht. Viele der Vertriebenen überqueren die Landesgrenzen und suchen in Nachbarstaaten Unterschlupf – doch diese gehören teilweise zu den ärmsten Ländern der Welt und können die Flüchtlingswelle eigentlich nicht tragen.

Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR schreibt:

«In allen Zufluchtsländern, die von dieser neuen Notsituation betroffen sind, gibt es bereits grosse Flüchtlings- und Vertriebenengruppen. Es wird dringend Unterstützung benötigt, um sicherzustellen, dass die Menschen, die vor den Feindseligkeiten fliehen, lebensrettende Hilfe erhalten.»

Dabei kann die Flucht schon das Todesurteil sein. «Die Strassen werden von Milizen kontrolliert», berichtete «Arte».

Beispiel Zentralafrikanischen Republik

Allein in die Zentralafrikanischen Republik sollen bisher rund 9700 Menschen aus dem Sudan geflüchtete sein, so UN-Beamten, die aus einer Grenzstadt in der Zentralafrikanischen Republik zurückkehrten. Doch die Zentralafrikanische Republik war 2022 selbst das siebt ärmste Land der Welt – ein Grund dafür ist ein Bürgerkrieg, der den Staat seit mehreren Jahren geisselt.

Nach Angaben der UNO ist mehr als die Hälfte der Bevölkerung in der Zentralafrikanischen Republik «hilfs- und schutzbedürftig». Die Menschen dort hatten im vergangenen Jahr nicht einmal 1,5 Dollar pro Tag zum Leben. Nach Angaben der UN benötigen rund 120'000 Menschen in der Zentralafrikanischen Republik Nahrungsmittelhilfe.

Und nun kommen also weitere Schutzbedürftige aus dem Sudan dazu. Etwa ein Drittel der Menschen, die vom Sudan in die Zentralafrikanischen Republik geflüchteten sind, sollen Zentralafrikaner sein, so das UNHCR. Diese sind in der Vergangenheit vom Bürgerkrieg in ihrer Heimat in den sichereren Sudan geflohen – und werden jetzt also wieder zur Flucht gezwungen. Bei den meisten der anderen Flüchtenden handelt es sich um Sudanesen.

Ag Ayoya, der oberste humanitäre Beamte der UNO in der Zentralafrikanischen Republik sagt:

«Wir diskutieren derzeit mit dem Minister, der im Namen der Regierung entscheiden wird, wo diese Menschen untergebracht werden sollen.»

Einige wenige der Geflüchteten könnten von einheimischen Familien aufgenommen werden, andere müsse man in behelfsmässige Lager bringen. Allerdings sind die Bedingungen für solche Lager derzeit alles andere als ideal, denn in diesem Monat hat die Regenzeit begonnen. Entsprechend würden Krankheitsausbrüche, insbesondere Malaria, der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Sorgen bereiten. Gervais Tengomo, ein Notfallbeauftragter der WHO sagte gegenüber «africa news».

«Wir versuchen zu prüfen, ob wir Moskitonetze bereitstellen können, damit sich die Menschen zumindest vor Malaria schützen können.»

Daneben sei auch die Mangelernährung ein Problem, das sich durch die Geflüchteten weiter verschärfe, so das UN-Kinderhilfswerk UNICEF. Denn gerade Kinder sind besonders gefährdet auf der Flucht.

Beispiel Tschad

Auch der Tschad ist ein Ziel vieler, die aus dem Sudan flüchten.

Mehr als 20'000 Geflüchtete seien allein im Dorf Koufroun untergekommen, so «Arte». Dieses Dorf befindet sich just hinter der Grenze. Die Uno verteilt dort Lebensmittel oder Schlafmatten. Eine Uno-Mitarbeiterin erklärt:

«Tausende Menschen versuchen, sich in Sicherheit zu bringen. Aber sie kommen in Dörfer, in denen es kaum Wasser gibt, keine Gesundheitsversorgung, keine Strassen und keine Schulen.»
In this photo provided by UNICEF, refugees fleeing from the conflict in Sudan arrive in the village of Koufroun, near the Chad-Sudan border, in Chad Thursday, April 27, 2023. Heavy explosions and gunf ...
Eine Mutter und ihr Kind flüchten auf einem Esel über die Grenze vom Sudan in den Tschad.Bild: keystone
In this photo provided by UNICEF, refugees fleeing from the conflict in Sudan are seen in the village of Koufroun, near the Chad-Sudan border, in Chad Thursday, April 27, 2023. Heavy explosions and gu ...
Koufroun. In solchen Lagern leben die Geflüchteten aus dem Sudan.Bild: keystone

Dabei lebt die Bevölkerung des Tschad bereits von der Hand im Mund. Die Flüchtlinge aus dem Norden verschärfen die Situation zunehmend.

Ein Ende der Kämpfe ist nicht in Sicht. Gespräche zwischen den Kriegsparteien konnten noch nicht vermittelt werden. Die humanitäre Tragödie wird wohl noch zunehmen – im Sudan und anderswo. Die UNO schätzt, dass bis zu 800'000 Menschen aus dem Sudan in Nachbarländer fliehen könnten.

Ein Geflüchteter sagt dem Reporter von «Arte»:

«Im Sudan herrscht Chaos. Es gibt keine staatlichen Strukturen mehr.»

(yam)

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