«Merci pour leur soutien»: Mit diesen Worten bedankte sich Aussenminister Ignazio Cassis am Sonntag auf Twitter für die Unterstützung Frankreichs bei der Evakuierung des Schweizer Botschaftspersonals aus der sudanesischen Hauptstadt Khartum. Wie ernst die Lage war, schilderte Botschafter Christian Winter am Dienstag nach der Rückkehr.
Demnach war die Schweizer Gesandtschaft mitten ins Kreuzfeuer des Machtkampfs im Sudan geraten: «Es war klar, dass wir uns nicht selber retten können. Wir brauchten die Hilfe eines Nachbarlandes. Schlussendlich half uns dann Frankreich», sagte Winter. Und Cassis betonte: «Die Zusammenarbeit mit westlichen Partnern ist enorm wichtig.»
#Soudan: pour des raisons de sécurité, nous fermons notre ambassade à Khartoum. Notre personnel et leurs familles ont été évacués & sont en sécurité. L’exercice a été rendu possible grâce à une collaboration avec nos partenaires, notamment la France 🇫🇷. Merci pour leur soutien. pic.twitter.com/WCeMFFNFPp
— Ignazio Cassis (@ignaziocassis) April 23, 2023
So ist es immer, wenn es irgendwo brennt und die Schweiz ihre Landsleute herausholen will. Es geht nicht ohne die Hilfe jener europäischen Staaten, denen der Bundesrat sonst gerne die kalte Schulter zeigt. Sei es bei der Institutionalisierung der Beziehungen mit der Europäischen Union, sei es bei der Weitergabe von Waffen und Munition für die Ukraine.
Hilfe aus Europa nimmt die Schweiz in der Not gerne an. Mit Gegenleistungen aber tut sie sich schwer. Ein weiteres Beispiel ist die NATO. Seit Jahrzehnten profitiert die Schweiz als mitten in Europa liegendes Land von ihrem Schutzschirm. Der Beitrag der Schweiz zur Verteidigung Europas aber ist überschaubar.
Ein weiteres, besonders prägnantes Beispiel für unsere Abhängigkeit vom Ausland war die Rückkehr der Taliban an die Macht in Afghanistan im August 2021. In der umfangreichsten Rettungsaktion in der Geschichte des Landes gelang es, 385 Personen herauszuholen, sowohl Schweizer Staatsbürgerinnen und Staatsbürger wie einheimisches Hilfspersonal.
Zwar war die Schweiz mit einem Detachement der Armee und zwei Sicherheitsexperten des Aussendepartements in Kabul präsent. Für die Evakuierung aber war man auf die deutsche Bundeswehr und ihre Transportflugzeuge angewiesen. Der Schweiz blieb einmal mehr nichts anderes übrig, als sich «bei ihren internationalen Partnern» zu bedanken.
Eigene Ressourcen für Rettungsaktionen kann oder will sich die Schweiz nicht leisten. Dabei verfügt die Armee seit 2004 mit dem Aufklärungsdetachement AAD 10 über eine Profitruppe, die für solche Einsätze ausgebildet wurde. Ein Plan zur Befreiung der Libyen-Geiseln Max Göldi und Rachid Hamdani wurde 2009 ernsthaft erwogen und am Ende verworfen.
Das eigentliche Problem aber ist ein fehlendes Transportflugzeug. Seit vielen Jahren wird über eine mögliche Beschaffung gestritten. Zuletzt wurde ein Vorstoss des jurassischen SP-Nationalrats Pierre-Alain Fridez vor einem Jahr abgelehnt, auch von der SVP, die sich gerne als Gralshüterin einer unabhängigen und souveränen Schweiz aufspielt.
Verteidigungsministerin Viola Amherd erwähnte in der Debatte das eigentliche Problem: «Bei Evakuationen ist die Schweiz immer auf die militärische Zusammenarbeit mit Partnern angewiesen.» Zum Beispiel bei Schutz, Sicherheit, Logistik, Besatzungen von Flughäfen und Fluglotsendiensten. Mit anderen Worten: Ohne Europa (und die USA) geht es nicht.
Eine Weitergabe von Waffen und Munition an die Ukraine wäre eine mehr als angemessene Gegenleistung. Doch Bundespräsident Alain Berset erteilte solchen Forderungen letzte Woche beim Besuch in Berlin einmal mehr eine Absage. Bundeskanzler Olaf Scholz nahm es an der gemeinsamen Medienkonferenz ziemlich angesäuert zur Kenntnis.
Andere Länder helfen gegenwärtig dem Botschaftspersonal der Schweiz im Sudan, auch wenn es ‘den dortigen Krieg nicht beeinflusst’.https://t.co/90vL4pgpEX
— Gerhard Pfister 💙💛 (@gerhardpfister) April 24, 2023
Das grösste Hindernis ist das Kriegsmaterialgesetz. Eine Lockerung scheiterte im Parlament in der Frühjahrssession. Langsam aber dämmert es der Politik, dass die Schweiz sich nicht immer «gratis» helfen lassen sollte. Das zeigt ein Tweet, den Mitte-Präsident Gerhard Pfister am Montag als Reaktion auf ein Interview des Schweizer Botschafters in Berlin gepostet hat.
Angesichts der labilen Weltlage ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Schweiz erneut Landsleute aus einem Krisenherd evakuieren muss. Die Europäer werden auch dann helfen. Sie sind viel zu anständig, um die Schweiz einfach im Stich zu lassen. Umso mehr sollte man in Bern darüber nachdenken, ob es als Dank nicht mehr braucht als nette Worte.
Ich bin klar für die Weitergabe - allerdings ist das Argument komplett absurd. Erstens: weil der "Nutzen" nicht beim Erbringer der ursprünglichen Hilfsleistung liegt. Zweitens: weil das ein "Kuhhandel" ist, bei dem der zuerst Helfende dann aussuchen kann, was er als Gegenleistung möchte.
Meiner Meinung nach ist eine anteilige Übernahme der Kosten gerechtfertigt.
Die Weitergabe von Munition & Waffen muss trotzdem kommen - aus anderen Gründen.