Sexismus ist in Südkorea tief verwurzelt. Von den Frauen wird erwartet, dass sie nicht arbeiten, früh heiraten und Kinder bekommen. Wenn sie dieser Erwartung nicht entsprechen, werden sie als minderwertig in der Gesellschaft angesehen. Seit Jahren lehnen sich nun die Feministinnen des Landes gegen die Unterdrückung auf – und nutzen dazu jetzt auch TikTok.
Im Jahr 2016 wurden die Umstände in Südkorea von Cho Nam-Joo in ihrem Roman «Kim Jiyoung, geboren 1982» beleuchtet. Das Buch wurde zum internationalen Bestseller und sorgte für ein erstes Aufhorchen. Es erzählt die fiktive, aber sehr alltagsnahe Geschichte von Kim Jiyoung. Diese wird Mutter, Hausfrau und schliesslich depressiv – immer begleitet vom zermürbenden Sexismus der koreanischen Gesellschaft.
Im selben Jahr wurde in Südkorea eine Frau in einer U-Bahnstation brutal von einem Mann ermordet. Daraufhin entbrannten Proteste. Südkoreanerinnen machten die frauenfeindliche Gesellschaft im Land dafür verantwortlich. Die allgemeine Frustration und das weltweite #MeToo-Movement führte dann schlussendlich zur sogenannten 4B-Bewegung in Südkorea.
Die 4B-Bewegung ist eine radikalfeministische Initiative, die im Jahr 2019 entstand. Die vier B's bedeuten: Bihon (Nein zur heterosexuellen Ehe), Bichulsan (Nein zum Kinderkriegen), Biyeonae (Nein zum Dating von Männern) und Bisekseu (Nein zu Sex mit Männern). 2019 soll die Bewegung 4000 Mitglieder gehabt haben. Heute ist die genaue Zahl undefiniert, man geht jedoch von einer Spanne von 5000 bis 50'000 Teilnehmerinnen aus.
Die Bewegung zeigt sich in vielen Bereichen.Immer mehr junge Frauen verzichten auf Make-up und schneiden sich die Haare kurz, um gegen das Schönheitsideal im Land vorzugehen. So wird von Frauen in Südkorea erwartet, dass sie sich für ihren Partner schön machen. Dazu gehören Haare und Make-up, aber manchmal auch Schönheitseingriffe.
Die Proteste führten dazu, dass die Fertilitätsrate in Südkorea weiterhin sinkt. Im Jahr 2008 bekamen noch 62 Prozent der Frauen Kinder. 2018 sank diese auf 44 Prozent. 1950 gebaren die Frauen in Südkorea durchschnittlich 5,97 Kinder, letzten Monat waren es 0,71. Somit liegt südkoreanische Fruchtbarkeitsrate weit unter dem Wert von 2,1 pro Frau, der nötig wäre, damit die Bevölkerungszahl stabil bleibt. So ist Südkorea laut «SRF» das Land mit der geringsten Fertilitätsrate. Zudem machen allein lebende Menschen ein Drittel der Haushalte aus.
Die Proteste finden offline, wie auch online statt. Auf TikTok gibt eine ganze Nische von Frauen, die über die 4B-Bewegung berichten. «Koreanische Frauen sind so frustriert von den Männern, dass sie lieber aussterben, als zu heiraten», sagt etwa die koreanische Creatorin Jeanine in einem ihrer Videos.
@denimchromosome also hilarious that the govt thinks just throwing money at pregnant ppl is gonna fix the problem instead of addressing the cutthroat lvls of competition, insane housing prices, misogyny, and the worst gender gap in OCED 😌 #fypシ #korea #4b ♬ original sound - jeanie 🍉
Der Clip hat fast fünf Millionen Aufrufe und viele in den Kommentaren unterstützen sie. «Wir Frauen in Südafrika brauchen diese Bewegung auch», schreibt etwa eine Userin, während eine andere meint:
Viele Frauen, die sich öffentlich zur Bewegung äussern, bekommen aber auch starke Gegenreaktionen. Der Feminismus wird als «Gebärmutterprotest» bezeichnet und Creatorinnen online gemobbt.
Trotzdem beginnen die Auflehnungen erste Früchte zu tragen. Laut der Nachrichtenagentur Reuters hat die Regierung eine Reihe kostspieliger Massnahmen ergriffen, um die Gleichstellung der Geschlechter zu fördern. Darunter die Verbesserung der Elternurlaubsregelungen und das Angebot von Fruchtbarkeitsbehandlungen für Paare und alleinstehende Frauen. Alleinerziehende Mütter dürfen zudem ihre Kinder mit ihrem Nachnamen registrieren lassen, um die Stigmatisierung zu verringern, mit der unverheiratete Frauen häufig konfrontiert sind.
Ein Ende der Auflehnung ist aber trotzdem nicht zu erwarten. Wie Expertinnen und Experten laut ntv meinen, reicht diese Finanzspritze allein nicht. So müsse die Regierung bei ihren Programmen nicht so sehr die Geburtenrate im Blick haben, sondern sich mehr um das Leben der jungen Menschen kümmern.
Sozusagen der Gegenpol zu den tradwives. Wird ja auch Zeit, dass der Mensch andere Lebensziele als die eigene Fortpflanzung entdeckt (bei 8 Mia. menschen auf diesem Planeten).