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Südkorea

Südkoreas neuer Präsident steuert auf Nordkorea, China und Russland zu

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Der neu gewählte Lee Jae-myung tritt alles andere als ein leichtes Erbe auf dem Präsidentenstuhl an.Bild: keystone

Südkoreas neuer Präsident steuert auf Nordkorea, China und Russland zu

Ein halbes Jahr nach einer gescheiterten Kriegsrechtserklärung hat Südkorea einen neuen Präsidenten gewählt. Lee Jae-myung will nun das zerstrittene Land vereinen - und aussenpolitisch etwas bewegen.
03.06.2025, 18:5803.06.2025, 18:58
Felix Lill, Seoul / ch media
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Als um acht Uhr abends die ersten Umfragen vom Wahltag verkündet wurden, sprang man im blauen Lager jubelnd auf, während die Roten still sitzenblieben. Mehr als 50 Prozent des Wahlvolks hatte demnach ihre Stimme Lee Jae-myung gegeben, dem Kandidaten der liberalen Demokratischen Partei (DP), die in Südkorea in Blau auftritt. Der Abstand zu Kim Moon-soo, der für die bis dahin regierende konservative People's Power Party (PPP) angetreten war, betrug mehr als 12 Prozentpunkte.

Der neue Präsident Südkoreas heisst also Lee Jae-myung – jener Mann, der vor drei Jahren nur hauchdünn gegen PPP-Rechtspopulisten Yoon Suk-yeol unterlegen war, der das ostasiatische Land dann wiederum in eine Staatskrise stürzte. Am 3. Dezember 2024 hatte Yoon, der bis dato autoritär anmutend regiert hatte, plötzlich das Kriegsrecht ausgerufen. Das Vorhaben scheiterte vor allem am Widerstand von DP-Abgeordneten, die am späten Abend das abgeriegelte Parlament stürmten und dagegen stimmten.

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Jubel im Lager der Blauen nach Verkündigung der ersten Hochrechnungen.Bild: keystone

Seitdem hat Südkorea – das erst ab 1987 von einer Militärdiktatur zu einer Demokratie aufstieg – wacklige Monate durchlebt. Gegen Yoon Suk-yeol, der seinen Schritt mit einer Unterwanderung durch das verfeindete Nordkorea begründete, dies aber bis heute nicht beweisen konnte, läuft ein Strafverfahren. Während das Land ein Urteil erwartet, musste es nunmehr ein halbes Jahr lang auf eine neue Regierung warten.

Am Wahltag gab sich Lee als der Beschützer der Demokratie vor den «Putschkräften.» Lee hatte schliesslich am Abend der Kriegsrechtserklärung grossen Anteil daran, dass Yoons Plan scheiterte. Inwieweit die Wahl am Dienstag aber den Erhalt der Demokratie tatsächlich sichert, daran bestehen offenbar Zweifel: Die Polizei ist in Alarmbereitschaft. Lee, der Anfang vergangenen Jahres ein Messerattentat überlebte, trat immer wieder in kugelsicherer Weste und hinter Schutzscheiben auf. Die Lage ist höchst angespannt.

Der neue Präsident ist ziemlich unbeliebt

Dass mit Lee Jae-myung nun ein sonderlich beliebter Kandidat gesiegt hätte, lässt sich ebenso wenig behaupten. Denn selbst wenn er rund die Hälfte aller Stimmen auf sich vereinte – was angesichts einer Handvoll Kandidaten locker zum Sieg reichte -, konnte die zweitplatzierte PPP immerhin um die 40 Prozent erringen. Dass diese PPP trotz Yoons Putschversuch noch immer so viele Stimmen erhält, gilt als Zeichen der Unbeliebtheit von Lee.

Hinzu kommt: Er hat mehrere Verfahren gegen sich anhängig, darunter eines um mögliche Falschaussagen im letzten Wahlkampf. Auch hier erwartet Südkorea ein Urteil. Im Fall eines Schuldspruchs müsste Lee das Präsidentenamt wohl wieder räumen.

So sind viele Wählerinnen noch am Wahltag unentschlossen gewesen. Lee Eun-jeong zum Beispiel, eine Gastronomin aus Seoul, die sonst immer Rotwählt, sagte am Dienstag: «Ich weiss nicht, wem ich meine Stimme geben soll.» In der Opposition wird sich die PPP jedenfalls neu erfinden müssen, womöglich gar aufspalten, denn das Lager um den amtsenthobenen Ex-Präsident Yoon Suk-yeol scheint mit anderen Kräften in der Partei nur noch schwer vereinbar zu sein.

Former South Korean President Yoon Suk Yeol casts his vote for the presidential election at a polling station in Seoul, South Korea, Tuesday, June 3, 2025. (Korea Pool/Yonhap via AP)
Yoon Suk Yeol
Auch der amtsenthobene Yoon Suk-yeol durfte wieder zur Wahl antreten und für sich stimmen.Bild: keystone

Dem neuen Präsidenten Lee Jae-myung stehen seinerseits grosse Konflikte ins Haus, vor allem aussenpolitisch. Lee hat angekündigt, der konfrontativen Politik seines Vorgängers Yoon gegenüber Nordkorea ein Ende zu bereiten und erneut Gespräche mit dem verfeindeten Bruderstaat zu suchen.

In der PPP wird dies gerade jetzt, da Nordkoreas Diktator Kim Jong-un gute Beziehungen zu Russland etabliert hat, als gewaltiger Irrtum kritisiert. Lee Jae-myung wiederum will nicht nur mit Pjöngjang die Beziehungen verbessern, sondern auch mit Moskau und Peking. Das wiederum werden die USA unter Donald Trump, insbesondere im Fall von China, keineswegs goutieren. (nib/aargauerzeitung.ch)

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24 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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P.Rediger
03.06.2025 19:45registriert März 2018
Langsam spinnen sie irgendwie überall hat man das Gefühl. Diejenigen die an der Macht sind und diejenigen, die noch wählen dürfen. Letztere verfallen scheinbar immer mehr dem Irrtum, dass man mit solchen Wahlen "denen da oben" eins ans Bein pinkeln kann. Das stellt sich dann über kurz oder lang als Rohrkrepierer heraus.
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Hallo22
03.06.2025 22:37registriert Oktober 2016
Bis vor kurzem bildeten die USA, Kanada, Australien, Neuseeland, Taiwan, Japan, Südkorea und Westeuropa ein scheinbar unzertrennbarer Machtblock von Industriestaaten. Das nun nach der USA auch Südkorea auszuscheren droht, macht mir Angst.
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