Fast einen Monat ist es her, seit ein Kleinflugzeug mit sieben Insassen über dem kolumbianischen Dschungel abgestürzt ist. Während die Leichen der drei Erwachsenen bereits geborgen werden konnten, gelten die vier Kinder noch immer als vermisst. Und obwohl sie erst 13, 9, 4 und ein Jahr alt sind, deuten Spuren darauf hin, dass sie fast vier Wochen nach dem Absturz noch immer leben.
Über 100 Streitkräfte suchen seit 24 Tagen im Rahmen der «Operation Hoffnung» nach den vermissten Kindern im Dschungel. Hoffnung haben sie tatsächlich noch immer: Wie die Streitkräfte am Dienstag bekannt gaben, haben sie am vergangenen Sonntag einen kleinen Fussabdruck entdeckt. Nach Angaben des Geheimdienstes dürfte dieser nicht älter als 48 Stunden sein, berichtet die kolumbianische Zeitung El Colombiano. Die Streitkräfte vermuten, dass der Fussabdruck der 13-jährigen Lesly gehört.
«Sie war immer wie die Mutter, sie hat die anderen mit in den Wald genommen», sagte die Grossmutter Fátima Valencia im Radiosender La FM über das älteste der Kinder.
Insgesamt ist dies der dritte Fussabdruck und der zehnte Hinweis auf die Kinder, den die Streitkräfte gefunden haben. Alle drei Fussabdrücke sollen von Minderjährigen stammen. Während die zuvor gefundenen Fussabdrücke kleiner waren und wohl von Flip-Flops stammten, zeigten die neusten Spuren den Abdruck eines nackten Fusses.
#EsNoticia | Una nueva pista sobre el posible paradero de los cuatro menores desaparecidos, fue hallada una huella sobre el terreno fangoso que al parecer pertenecería a Lesly, la niña de 13 años.(1) pic.twitter.com/6pqg0UNOmZ
— Fuerzas Militares de Colombia (@FuerzasMilCol) May 30, 2023
In der Nähe der Fussabdrücke entdeckten die Streitkräfte zudem erneut wilde Früchte, von denen sie glauben, dass sie den Minderjährigen als Nahrungsquelle dienen. Die Grossmutter überrascht das nicht. Über ihre 13-jährige Enkelin sagt sie: «Sie kennt die Pflanzen und Früchte. Wir Indigene lernen von klein auf, welche man essen kann und welche nicht.»
Además, se encontró frutos silvestres propios de la zona que de ser consumidos pueden servir para aportar nutrientes y fuerza a los pequeños para sus desplazamientos. (2) pic.twitter.com/QBPb2eDp87
— Fuerzas Militares de Colombia (@FuerzasMilCol) May 30, 2023
Die Suchaktion war zuletzt mit Satellitenbildern und neuem Personal intensiviert worden. Nun suchen insgesamt 200 Streitkräfte sowie indigene Gruppen nach den vermissten Kindern. In den vergangenen Tagen entdeckten sie gleich mehrere mögliche Hinweise. So sind Gegenstände wie Tennisschuhe, eine Handyhülle und ein Deckel von einem Nuckelbecher nahe der Absturzstelle gefunden worden. Auch zwei Windeln wurden entdeckt – eine davon gebraucht.
«Wir glauben, dass wir bis auf 200 bis 300 Meter an sie herangekommen sind», zitierte die kolumbianische Zeitung El Tiempo den Oberbefehlshaber für Sondereinsätze der Streitkräfte, Pedro Arnulfo Sánchez Suárez. Allerdings ist der Dschungel laut Sánchez zwischen Caquetá und Guaviare so dicht, dass man nicht weiter als 20 Meter sehe. Zudem regnet es 16 Stunden am Tag, was die Spurensuche zusätzlich erschwert.
Sánchez ist überzeugt davon, dass die Kinder noch leben. Gegenüber Colombia Hoy Radio erklärte er:
Die Streitkräfte teilen ihren Optimismus auch auf Twitter und berichten von neuen Strategien:
La búsqueda no se ha detenido y continuamos esperanzados en encontrar los niños con el apoyo de los equipos satelitales que guían y orientan las tropas y comunidades indígenas en la zona. (3) pic.twitter.com/t15e36aztn
— Fuerzas Militares de Colombia (@FuerzasMilCol) May 30, 2023
Die Satelliten können Wärme erkennen und Fotos bis zu 30 Zentimeter über dem Boden machen. Sie vereinfachen die Suche der Streitkräfte, die laut der Zeitung El País bereits eine Strecke von 1250 Kilometern zurückgelegt haben.
Am Montag teilten sie zudem mit, visuelle und akustische Objekte an strategischen Punkten zu platzieren. Auf diese Weise könnten die Kinder selbst zu den Streitkräften finden, statt von ihnen gefunden zu werden. Die neuen Geräte, die mithilfe von Stromgeneratoren betrieben werden, sollen sowohl tagsüber als auch nachts laufen und in Entfernungen von mehr als 500 Metern zu sehen und hören sein, wie es weiter hiess.
#LoÚltimo | Implementamos nueva estrategia para hallar a los cuatro menores desaparecidos; con reflectores, sonido y perifoneo terrestre ubicados en diferentes puntos avanza la búsqueda de los pequeños.#OperaciónEsperanza pic.twitter.com/Xmxi6zUlZt
— Fuerzas Militares de Colombia (@FuerzasMilCol) May 29, 2023
Nach wie vor werden zudem Lautsprecher eingesetzt, die eine Nachricht der Grossmutter in ihrer indigenen Sprache übertragen.
Auch der Vater der Kinder beteiligt sich an der Suche. «Mir geht es nicht gut. Das ist ein harter Schlag», sagte Manuel Ranoque vor einigen Tagen in einem Lager der Suchmannschaften im Regenwald. «Aber ich habe noch Hoffnung, wieder bei meinen Kindern zu sein, bei meiner Familie. Das ist das Wichtigste.»
Es kursieren Theorien, wonach die Kinder in die Hände von FARC-Dissidenten – eine kolumbianische Guerillabewegung – gefallen sein könnten. Die Behörden halten dies laut «El Colombiano» allerdings für unwahrscheinlich.
Eine andere Möglichkeit bestünde darin, dass die Kinder von einer unkontaktierten indigenen Gemeinschaft hätten gefunden werden können. Dies würde die Aufklärung des Falles erschweren, da diese Gemeinschaften laut Gesetz nicht kontaktiert werden dürfen.
Die Behörden gehen aber aufgrund der gefundenen Hinweise davon aus, dass sich die Kinder noch immer auf eigene Faust durch den Dschungel schlagen.
Die Geschwister waren am 1. Mai mit der Propellermaschine vom Typ Cessna 206 im Department Caquetá abgestürzt. Bei dem Unglück kamen ihre Mutter, der Pilot und ein indigener Anführer ums Leben. Am 18. Mai fanden Soldaten auf der Suche nach den Kindern eine aus Blättern und Ästen gebaute Notunterkunft sowie halb verzehrte Früchte.
Die Kinder gehören der indigenen Gemeinschaft der Huitoto an und waren Medienberichten zufolge mit ihrer Mutter auf dem Weg in die Hauptstadt Bogotá gewesen, wohin der Vater nach ständigen Drohungen bewaffneter Gruppen geflohen war.
Mit Material der Nachrichtenagenturen SDA und DPA.