Die südkoreanische Opposition hat nach Medienberichten beantragt, den Präsidenten Yoon Suk Yeol seines Amtes zu entheben. Das Staatsoberhaupt hatte zuvor nachts überraschend das Kriegsrecht verhängt und Stunden später nach massivem politischem Widerstand wieder aufgehoben. Laut der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap wurde der Antrag von 191 der insgesamt 300 Abgeordneten unterzeichnet. Demnach unterstützte kein Vertreter der Regierungspartei das Vorhaben.
Der Antrag soll am Donnerstag in der Nationalversammlung eingebracht werden und entweder am Freitag oder Samstag zur Abstimmung kommen. Die grösste Oppositionspartei hatte zuvor dem konservativen Staatsoberhaupt Verfassungsbruch vorgeworfen und zum sofortigen Amtsverzicht aufgerufen.
Unklar blieb zunächst, was Yoon zu seinem radikalen Schritt bewog. Die USA als wichtigster Verbündeter und Schutzmacht Südkoreas zeigten sich über die kurzzeitige Verhängung des Kriegsrechts zutiefst besorgt, ebenso wie Deutschland. Auch Japans Regierungschef Shigeru Ishiba liess wissen, seine Regierung verfolge die Entwicklung im Nachbarland mit «ernsten Bedenken». US-Aussenminister Antony Blinken begrüsste die spätere Kehrtwende Yoons und mahnte, politische Differenzen müssten «friedlich und im Einklang mit den Prinzipien des Rechtsstaats» ausgeräumt werden.
In Seoul waren in der Nacht Tausende Demonstranten vor das vom Militär abgesperrte Parlament gezogen, um lautstark gegen Yoons Vorgehen zu protestieren. Kritik kam auch aus seiner eigenen Regierung: «Die Republik Korea ist eine liberale demokratische Nation, und wir stehen an der Seite des Volkes, um die liberale Demokratie zu verteidigen, und werden uns dieser Erklärung des Kriegsrechts entschieden widersetzen», erklärte Parteichef Han Dong Hoon.
Es war das erste Mal seit Südkoreas Übergang zur Demokratie Ende der 1980er Jahre, dass der Präsident des Landes das Kriegsrecht verhängte. Zuvor war Südkorea nach Erlangung seiner Unabhängigkeit von Japan im Jahr 1945 überwiegend von Militärdiktaturen regiert worden. Im Frühjahr 1980 verhängte der damalige Militärdiktator Chun Doo Hwan das bislang letzte Mal das Kriegsrecht.
Infolge des nun von Yoon verhängten Ausnahmezustands waren kurzzeitig sämtliche politischen Aktivitäten in Südkorea verboten. Auch die Tätigkeit von Medien und Verlagen schränkte der 63-Jährige damit faktisch ein.
In einer live im Fernsehen ausgestrahlten Rede argumentierte Yoon, das Kriegsrecht ziele auf den «Schutz der verfassungsmässigen Ordnung der Freiheit» ab. «Gestern Abend um 23 Uhr habe ich den Ausnahmezustand ausgerufen, in der festen Absicht, die Nation vor den staatsfeindlichen Kräften zu schützen», sagte er. Yoon beschuldigte die Opposition, mit dem kommunistischen Regime in Nordkorea zu sympathisieren.
Da der Korea-Krieg 1953 mit einem Waffenstillstand und nicht mit einem Friedensvertrag endete, befindet sich Südkorea formell bis heute im Kriegszustand mit dem nördlichen Nachbarn. Für die politische Rechte, der Yoon angehört, ist es ein gängiger Vorwurf, das linke Lager als kommunistisch und «pro-nordkoreanisch» zu diffamieren.
Yoons Vorgehen dürfte Experten zufolge innenpolitisch motiviert sein. Die Umfragewerte des unpopulären Präsidenten sind seit Monaten miserabel. An Wochenenden gingen zuletzt vermehrt Demonstranten in der Innenstadt von Seoul auf die Strassen, um seine Amtsenthebung zu fordern. Zudem gibt es seit längerem Korruptionsvorwürfe gegen seine Ehefrau. Gleichzeitig stritten Regierungslager und Opposition über den Staatshaushalt fürs kommende Jahr.
Yoon warf dem von der Opposition dominierten Parlament vor, durch Anträge zur Amtsenthebung von Ministern und weiteren Amtsträgern die Regierungsgeschäfte behindert zu haben. Seit dem Antritt der Regierung im Mai 2022 habe die Nationalversammlung 22 Amtsenthebungsanträge gestellt.
Im südkoreanischen Staatssystem hat der Präsidenten eine starke Rolle. Auch der Ministerpräsident ist ihm deutlich untergeordnet. Die Macht des direkt gewählten Präsidenten ist also vergleichsweise umfassend, allerdings darf er nach einer einmaligen, fünfjährigen Legislaturperiode nicht wiedergewählt werden. Angesichts des öffentlichen Drucks halten es Experten für unwahrscheinlich, dass Yoon bis zum Ende seiner Legislaturperiode 2027 im Amt bleiben wird.
Trotz der Proteste vor dem Parlament blieb die Lage bis auf ein paar kleinere Rangeleien friedlich. Die deutsche Botschaft in Seoul sah zunächst «keine unmittelbare Gefahr für die persönliche Sicherheit und das Eigentum ausländischer Staatsangehöriger». (sda/dpa)
Könnte sich ein gewisses anderes Land, welches sich sonst ja auch gerne als Leuchtturm der Demokratie präsentiert, ein Beispiel nehmen.