In Neuseeland begann am Montag die Urteilsverkündung gegen den Christchurch-Attentäter. B. T. hatte im März 2019 in zwei Moscheen 51 Menschen getötet und 40 verletzt. Da er auf schuldig plädiert, entfällt ein Prozess. Allerdings erhalten die Angehörigen der Opfer und die Überlebenden vor Gericht die Möglichkeit, sich zu äussern. In 66 Statements erzählen sie von ihrem Trauma und dem Leben nach dem Terroranschlag.
Da ist zum Beispiel Maysoon Salama. Ihr Sohn, Ata Elayyan, war 33 Jahre alt, als er bei dem Anschlag auf die Moschee getötet wurde. Er sei einem «unmenschlichen Mord» zum Opfer gefallen, sagt sie. Und zum Täter gerichtet: «Sie haben Ihre eigene Menschlichkeit getötet und ich glaube nicht, dass die Welt Ihnen Ihr schreckliches Verbrechen verzeihen wird. Sie dachten, Sie könnten uns brechen. Aber Sie sind erbärmlich gescheitert.»
Oder der Vater von Ozair Kadir, der erzählt, wie sein Sohn von Indien nach Neuseeland gekommen war, um sich seinen Lebenstraum zu erfüllen: Pilot zu werden. Er sagt: «Er hat seine Heimat am 25. März 2018 auf der Suche nach einem besseren Leben verlassen. Am 25. März 2019 kam er in einem Sarg zurück.»
Dem 29-jährigen Angeklagten droht eine lebenslange Freiheitsstrafe, möglicherweise auch ohne die Chance einer vorzeitigen Entlassung. Ihm werden 51 Morde, 40 versuchte Morde sowie Terrorismus angelastet. Er hatte zuerst in der Al-Nur-Moschee im Stadtteil Riccarton 42 Menschen erschossen, fuhr dann zum Linwood Islamic Centre und tötete dort weitere sieben Personen. Bei seinem Terrorakt ging B. T. gezielt gegen Muslime vor, die sich an jenem Tag zum Freitagsgebet versammelt hatten. Die Opfer waren zwischen 71 und drei Jahren alt.
Vier Tage sind für die Anhörungen angesetzt. B. T. wird die ganze Zeit über im Gerichtssaal anwesend sein. Äussern darf er sich aber erst am Schluss vor der Urteilsverkündung. Der Prozess ist so angelegt, dass dem Attentäter möglichst keine Aufmerksamkeit zukommt, hingegen die Opfer eine Stimme erhalten sollen.
Wie der Attentäter auf die Statements im Gerichtssaal reagiert, ob er aufmerksam zuhört, was sein Blick verrät, wird der Öffentlichkeit weitgehend vorenthalten. Eine Live-Berichterstattung der Medien ist nicht erlaubt. Die anwesenden Journalisten dürfen nur in der Mittagspause und am Abend nach der Verhandlung berichten. Video- und Fotoaufnahmen aus dem Gerichtssaal werden streng kontrolliert. Nur ein akkreditierter Fotograf und Kameramann sind anwesend. Mit diesen Massnahmen will der zuständige Richter verhindern, dass B. T. mit provokativem Verhalten eine Bühne bekommt.
Denn genau das ist es, was der Attentäter will: eine möglichst grosse Öffentlichkeit für seine perversen Ideen. Ansehen für das, was er getan hat. Nachahmer für weitere Anschläge. Zu diesem Zweck hatte er seine perfide Tat auch live auf Facebook gestreamt und sein rechtsextremes Manifest im Internet verbreitet. Das Ziel von B. T. war, als Märtyrer in die Geschichte einzugehen.
Dabei orientierte er sich auch am Massenmörder Anders Breivik, der bei einem Terrorangriff im Jahr 2011 in Norwegen 77 Menschen getötet hatte. Beim Gerichtsprozess durfte dieser in feiner Garderobe seine menschenverachtenden Ideologien kundtun und mit Hitlergruss salutierend in die Kameras lächeln. Breiviks Bilder und kranke Vorstellungen gingen – ganz in seinem Interesse – um die Welt und bekräftigten andere Rechtsextreme in deren Weltanschauung.
Aus solchen Fehlern hat Neuseeland gelernt. Bereits wenige Tage nach der Attacke in Christchurch rief die Premierministerin Jacinda Ardern die Öffentlichkeit dazu auf, den Namen des Täters nicht mehr zu nennen. «Er wollte viele Dinge mit seinem Akt des Terrors erreichen. Eines davon war, berühmt zu werden», sagte sie. Man solle sich stattdessen an die Namen der Menschen erinnern, die ihr Leben verloren hatten.
Und so bleibt es vorerst still um B. T. Die neuseeländischen Medien berichten zurückhaltend und haben sich in einer Art stillem Abkommen darauf geeinigt, dass dem Mörder nicht zu viel Publizität gegeben wird. So beschreibt es die Journalistin Heather Ramsay gegenüber dem SRF. Wie sich die internationale Berichterstattung gestaltet, ist allerdings schwieriger kontrollierbar. Es wird befürchtet, dass der Attentäter bei seinem Schlussplädoyer die Plattform nutzen wird und bei den Opfern und deren Angehörigen zusätzliches Leid verursachen wird. Insbesondere, weil B. T. seine Anwälte entlassen hat und gefordert hat, sich selber zu verteidigen.
Der neuseeländische Rechtsprofessor Andrew Geddis sagte der australischen Nachrichtenagentur AAP: «Selbst wenn dann der Richter die Presse auffordert, zurückhaltend zu berichten, wird dies kaum durchsetzbar sein.»
Na da sind wir ja mal gespannt wie die Medien reagieren werden... Aber total genial von den Neuseeländern, wie sie das durchziehen!