Sein «Kalifat» ist zerschlagen, sein Verbleib war lange ein Rätsel, doch jetzt gibt es ein Lebenszeichen von «IS»-Führer Abu Bakr al-Bagdadi: Am Montag veröffentlichte die Terrormiliz «Islamischer Staat» (IS) ein Video.
In diesem spricht al-Bagdadi die Einnahme der letzten «IS»-Bastion im Osten Syriens im März an. «Die Schlacht um Baghus ist vorbei», sagt der Mann, auf dessen Kopf die USA eine Prämie in Höhe von 25 Millionen Dollar ausgesetzt haben.
In dem Video sitzt al-Bagdadi im Schneidersitz auf einer Art Matratze und spricht mit drei Männern, deren Gesichter unkenntlich gemacht wurden. Sein langer grauer Bart scheint teilweise mit Henna gefärbt, er spricht langsam, unterbricht seine Sätze häufig für mehrere Sekunden.
Im Video erklärt er unter anderem, der Kampf gegen die «Kreuzfahrer» werde lange dauern. Er droht damit, «Rache zu nehmen» für die getöteten Kämpfer. Es werde noch mehr passieren nach diesem Kampf, so al-Baghdadi.
Wann genau und wo das Video aufgenommen wurde, blieb zunächst unklar. Versteckt sich der selbsternannte Kalif mit seinen letzten Kämpfern in der syrischen Wüste, ist er im Irak untergetaucht oder konnte er ins Exil entwischen?
Soweit bekannt trat der 47-Jährige nur einmal in der Öffentlichkeit auf: Anfang Juli 2014, als er von der Kanzel der Al-Nuri-Moschee in der nordirakischen Grossstadt Mossul den «Gehorsam» aller Muslime gegenüber seinem «Kalifat» in Syrien und dem Irak einforderte.
Seitdem veröffentlichte seine Gruppe in unregelmässigen Abständen Audiobotschaften, die von al-Bagdadi stammen sollen. Doch wurde der Iraker, der an Diabetes leidet, nicht wieder in der Öffentlichkeit gesehen. Mehrfach wurde er bereits für tot erklärt, mindestens einmal wurde er verletzt.
«Er ist nur von drei Menschen umgeben: Seinem älteren Bruder Dschumua, seinem Fahrer und Leibwächter Abdellatif al-Dschuburi, den er seit seiner Kindheit kennt, und seinem Kurier Saud al-Kurdi», sagte der Dschihadismus-Experte Hischam al-Haschemi im März. Er vermutete die vier in der weitläufigen Badia-Wüste im Zentrum Syriens.
Geboren wurde al-Bagdadi 1971 als Sohn einer armen Familie im zentralirakischen Samarra unter dem Namen Ibrahim Awad al-Badri. Als Junge begeisterte er sich für Fussball und träumte davon, Anwalt oder Soldat zu werden, doch seine mangelhaften Noten und seine schlechten Augen verhinderten beides. So studierte er schliesslich in Bagdad Theologie, bevor er nach der US-Invasion 2003 als Anführer einer Dschihadistengruppe in den Untergrund ging.
Die Journalistin Sofia Amara, die einen Dokumentarfilm über ihn gedreht hat, sagt, er mache nicht den Eindruck eines «brillanten Mannes», sondern erscheine eher als «geduldig und arbeitsam». Doch habe der «geheime Planer» schon früh «eine sehr klare Vorstellung» von der Organisation gehabt, die er schaffen wollte. Als er 2004 im Februar von der US-Armee im Gefängnis von Bucca inhaftiert wurde, knüpfte er dafür wichtige Kontakte.
Das Gefängnis im Südirak galt als «Universität des Dschihad», da dort radikale Islamisten mit Militär- und Geheimdienstleuten des gestürzten Baath-Regimes von Saddam Hussein zusammenkamen. «Alle haben gemerkt, dass dieser schüchterne Typ ein feiner Stratege ist», sagt Amara über al-Bagdadis Zeit in Bucca.
Als er im Dezember 2004 aus Mangel an Beweisen freikam, schloss er sich dem Al-Kaida-Führer Abu Mussab al-Sarkawi an. Als erst al-Sarkawi und dann sein Nachfolger getötet wurden, übernahm der einstige Theologiestudent aus Samarra 2010 unter dem Namen Abu Bakr al-Bagdadi die Führung der Extremisten im Irak.
Indem er frühere Offiziere Saddam Husseins anwarb, machte er aus seiner Guerillagruppe eine schlagkräftige Truppe und nannte sie «Islamischer Staat» (IS). Sie überrannte im Sommer 2014 die nordirakische Grossstadt Mossul und drang binnen weniger Wochen bis vor Bagdad vor.
Doch mit Gräueltaten und blutigen Anschlägen brachte er viele Iraker und Syrer sowie die internationale Gemeinschaft gegen sich auf. In den vergangenen Jahren folgte eine Niederlage auf die andere, und nach dem Verlust des letzten Dorfs in Ostsyrien bleiben dem «IS»-Führer nur noch einige versprengte Zellen. (sda/afp)