Die afghanische Regierung prüft Berichte, wonach Talibanchef Mullah Omar tot sein soll. Dies sagte ein Präsidentensprecher am Mittwoch in Kabul. Zuvor hatten Medien unter Berufung auf Regierungskreise berichtet, dass Omar seit zwei oder drei Jahren tot sei.
«Wir haben die Bestätigung von den pakistanischen Behörden und Taliban-Quellen, dass er vor zwei Jahren an einer Krankheit in Pakistan gestorben ist», sagte der Regierungsvertreter, der nicht namentlich genannt werden wollte. Seit dem Sturz der Taliban 2001 durch eine von den USA angeführte Offensive war Omar nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen worden.
Taliban leader Mullah Omar has died, Afghan government sources say, but the militant group has not commented http://t.co/cx8qWfQ47m
— BBC Breaking News (@BBCBreaking) 29. Juli 2015
Sky News zitierte am Nachmittag jedoch einen Taliban-Sprecher, wonach Mullah Omar «immer noch am Leben ist und die Bewegung anführt.»
Sky Sources: Taliban spokesman Qari Yousef Ahmadi says #Taliban leader #MullahOmar is "still alive and leading the movement"
— Sky News Newsdesk (@SkyNewsBreak) 29. Juli 2015
Über den nach unterschiedlichen Angaben 1959 oder 1960 bei Kandahar geborenen Omar ist wenig bekannt. Der in Koranschulen an der pakistanischen Grenze erzogene Islamist brach nach dem Einmarsch der sowjetischen Truppen in Afghanistan 1979 seine Studien ab, um sich dem bewaffneten Kampf gegen die Invasoren anzuschliessen. Er wurde Kommandant einer Mudschaheddin-Truppe und verlor im Kampf ein Auge.
Nach dem Sturz des kommunistischen Regimes im Jahr 1992 brach Bürgerkrieg in Afghanistan aus. Omar begann zu dieser Zeit, eine radikale Bewegung aufzubauen: die Taliban (Koran-Schüler), welche 1996 unter Omars Führung an die Macht kamen. Bis 2001 war er Chef der Taliban-Regierung, mit der er eine radikale Auslegung des islamischen Rechts in dem Land durchsetzte.
Omar war ein enger Vertrauter des von den USA getöteten Al-Kaida-Chefs Osama bin Laden, an dessen Seite er in den 1980er Jahren gegen die sowjetischen Besatzer gekämpft hatte. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 gewährten die Taliban Bin Laden Zuflucht und weigerten sich, diesen an die USA auszuliefern. Sie läuteten damit den Sturz ihres eigenen Regimes Ende desselben Jahres ein, nachdem US-geführte Truppen in Afghanistan einmarschierten.
Bei US-Angriffen nach den Anschlägen vom 11. September starb Medienberichten zufolge Omars zehn Jahre alter Sohn. Omar drohte den USA mit Rache, tauchte unter und galt seither als verschwunden. Die USA setzten damals ein Kopfgeld in Höhe von zehn Millionen Dollar auf ihn aus. Mullah Omar wurde in Pakistan vermutet.
In den folgenden Jahren rief er mehrfach zum Heiligen Krieg gegen ausländische Truppen in Afghanistan auf und schlug alle Gesprächsangebote der Führung in Kabul aus. Meldungen über seinen Tod wurden von den Taliban wiederholt dementiert. 1999 hatte er ein Attentat überlebt, bei dem angeblich eine seiner vier Frauen getötet wurde.
Erst Mitte Juli war Omar eine Botschaft zugeschrieben worden, in der er Unterstützung für Verhandlungen über ein Ende des Afghanistan-Krieges signalisierte. Zuvor war es in Pakistan erstmals zu direkten Gesprächen zwischen Vertretern der Regierung in Kabul und Repräsentanten der radikalislamischen Taliban gekommen. (wst/sda/dpa/afp)
Über die Biographie des Taliban-Führers ist nicht viel bekannt. Gemäss Informationen aus Taliban-Kreisen ist Omar 1960 in der Provinz Kandahar zur Welt gekommen. 1980 erlitt er im Kampf gegen die sowjetischen Besetzer eine Verletzung, die ihn sein rechtes Auge kostete.
Auch das Aussehen des Taliban-Chefs ist geheimnisumrankt. Insgesamt kursieren nur zwei Fotos von Mulla Omar. Eines soll aus den frühen 90ern datieren, das andere ist eine heimlich aufgenommene Fotographie eines BBC-Videoteams.
Über den Aufenthaltsort des Taliban-Führers bestand zuletzt ebenso viel Unklarheit wie über sein Äusseres. Verschiedene Quellen mutmassten, dass Mullah Omar die letzten Jahre seines Lebens faktisch unter Hausarrest in Pakistan verbracht hatte – bewacht vom ominösen pakistanischen Geheimdienst ISI. (wst)