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Wieso Koalas von Chlamydien bedroht sind – und was dagegen hilft

A koala sits in a tree at a koala park in Sydney, Australia, Friday, May 5, 2023. Australian scientists have begun vaccinating wild koalas against chlamydia in a pioneering field trial in New South Wa ...
Koalas verbringen die meiste Zeit ihres Lebens auf Eukalyptusbäumen, wo sie Eukalyptusblätter mampfen. Ihre friedliche Existenz wird nun aber immer mehr durch Chlamydien-Bakterien bedroht. Bild: keystone

Immer mehr Koalas leiden unter Chlamydien – wieso das fatal ist

Schon seit längerem gelten die Koalas in Australien als bedroht. Ihr Lebensraum schrumpft, sie fallen Buschfeuern zum Opfer und immer häufiger infizieren sie sich mit Chlamydien. Wieso das schlimm ist und wieso es dennoch Hoffnung gibt.
13.05.2023, 15:2413.05.2023, 15:34
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Chlamydien bei Koalas

Dass sich Koalas mit Chlamydien infizieren können, ist schon seit längerem bekannt. So war die Krankheit in der Region South East Queensland auch schon vor 26 Jahren verbreitet. Das fanden Forschende bei der Analyse von Berichten aus drei Tierspitälern heraus. Demnach waren jährlich etwa 30 Prozent aller eingelieferten Koalas zwischen 1997 und 2013 mit Chlamydien infiziert. Wie verbreitet die Krankheit während dieser Jahre in lokalen Koala-Populationen tatsächlich war, liess sich aus diesen Zahlen allerdings nicht ableiten.

Genauere Daten zur Verbreitung der Krankheit liegen zu einer Koala-Population in Gunnedah, einer kleinen Stadt nordöstlich von New South Wales, vor. Laut Mark Krockenberger, Professor für Veterinärpathologie an der Universität von Sydney, waren 2008 zehn Prozent der Population mit den Bakterien infiziert. 2015 sei die Zahl auf 60 Prozent gestiegen und nun seien bereits 85 Prozent aller Koalas in dieser Population infiziert.

Lebensraum der Koalas
Der rote Bereich stellt den natürlichen Lebensraum der Koalas dar. Im violetten Bereich wurde das Tier neu eingeführt.Bild: wikimedia commons

Die Gefahr der Unfruchtbarkeit

Die Konsequenzen einer Chlamydien-Infektion bei Koalas sind vielseitig. So kann sie Augenkrankheiten verursachen, die eine oder beide Augen betreffen und bei chronisch erkrankten Koalas bis zur Erblindung führen können. Oft lösen die Bakterien auch Probleme in den Harn- und Geschlechtsorganen aus. Koalas können dadurch inkontinent werden, wobei die Erkrankung aufgrund des sogenannten «wet bottom» einfach erkennbar ist. Dieser bezeichnet das durch die Inkontinenz braun verfärbte Hinterteil. Bei Weibchen können Chlamydien zu Zysten an den Eierstöcken und letztlich zu Unfruchtbarkeit führen.

Wie brutal eine solche Erkrankung sein kann, offenbarte die Nekropsie eines weiblichen Koalas mit fortgeschrittener Chlamydienerkrankung. Die Eierstöcke seien vollständig von Zysten umschlossen gewesen, erinnert sich Rebecca Johnson, welche in der Vergangenheit das grosse Koala-Genome-Projekt in Australien leitete. Die Därme seien zudem voller harter Nahrungsklumpen gewesen, die darauf hindeuteten, dass das Tier die Nahrung nicht mehr verdauen konnte. Der Zustand dieses Tiers habe ihr das Herz gebrochen, erzählte Johnson gegenüber AP News:

«Sie war offensichtlich unfruchtbar und litt unter Schmerzen.»

Nicht selten führt eine Infektion mit Chlamydien zum Tod, kam eine Studie aus dem Jahr 2018 zum Schluss. Von 291 Koalas, die im Bundesstaat Queensland über einen Zeitraum von vier Jahren untersucht worden waren, starben 18 Prozent an Chlamydien oder damit zusammenhängenden Komplikationen.

Eine fast noch grössere Gefahr für Koala-Populationen stellt allerdings die Unfruchtbarkeit der Weibchen dar. So sind beispielsweise Populationen wie diejenige in Gunnedah, bei der bereits 85 Prozent aller Koalas infiziert sind, nicht mehr lebensfähig. Professor Krockenberger erklärt gegenüber CNN:

«So ziemlich jedes Weibchen, das mit Chlamydien infiziert ist, wird innerhalb eines Jahres, vielleicht maximal zwei Jahren, unfruchtbar ... Selbst wenn sie überleben, vermehren sie sich nicht.»

Forschende vermuten, dass sich Koalas zum ersten Mal an infiziertem Vieh oder Schafkot angesteckt haben und die Krankheit so auf die Koala-Population übergesprungen ist. Von Koala zu Koala verbreiten sich Chlamydien ähnlich wie beim Menschen durch sexuellen Kontakt. Zudem kann die Koala-Mutter die Bakterien an ihre Babys weitergeben.

Es droht das Aussterben

Das ist ein grosses Problem, sind die Koala-Populationen in Australien ja bereits durch andere Faktoren gefährdet. Einst waren sie in Australien weit verbreitet, wurden aber insbesondere nach der Ankunft der Europäer wegen ihres Felles im grossen Stil gejagt. Die Jagd auf Koalas war so beliebt, dass sie um 1924 in Südaustralien komplett ausgerottet wurden. 1937 erklärte die Regierung den Koala im ganzen Land zu einer geschützten Art.

Die Gefahr war für das Beuteltier damit allerdings nicht gebannt: Der schrumpfende Lebensraum aufgrund von Abholzungen und Buschfeuern wurde in der nachfolgenden Zeit zu einer immer grösseren Bedrohung und ist es auch heute noch. Auch Attacken durch wilde Hunde und Kollisionen mit Fahrzeugen führen häufig zum Tod der Tiere. Gemäss einer WWF-Analyse haben einige Regionen Australiens seit den 1990er Jahren einen Rückgang von 80 Prozent der Koalas verzeichnen müssen.

Forschende vermuten, dass all diese genannten Bedrohungen die Verbreitung von Chlamydien begünstigen, da der damit einhergehende Stress das Immunsystem der Koalas schwächt.

So herzig sind übrigens schlafende Koalas:

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Schlafende Koalas
Bild: Shutterstock
quelle: shutterstock
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Neue Impfung gibt Hoffnung

Zwar kann dem schrumpfenden Lebensraum mit Schutzzonen entgegengewirkt werden, die Gefahr der Chlamydien ist damit allerdings nicht gebannt. Tierschützerinnen und Tiermediziner stehen diesbezüglich vor einer grossen Herausforderung: Die Behandlung von infizierten Koalas gestaltet sich als schwierig, da sie sich den grössten Teil ihres Lebens in Eukalyptusbäumen aufhalten und so kaum zu erreichen sind. Zudem hat sich die Behandlung mit Antibiotika in der Vergangenheit als nicht optimal herausgestellt, da die Medikamente den empfindlichen Magen der Tiere zu sehr stören. So wurden einige der Tiere zwar von Chlamydien geheilt, hatten danach allerdings Probleme bei der Verdauung von Eukalyptusblättern – ihrer Hauptnahrungsquelle.

Das Koala-Maennchen Tarni frisst im Australienhaus anlaesslich eines Zoo Apero in Zuerich, aufgenommen am Mittwoch 21. Dezember 2022. (KEYSTONE/Ennio Leanza)
Der Koala mit seinem Lieblingsessen: einem Eukalyptusblatt.Bild: keystone

Aus diesem Grund forscht die University of the Sunshine Coast bereits seit über 10 Jahren an einer anderen Lösung: eine spezielle Chlamydien-Impfung für Koalas. Bereits 2021 läuteten die Forschenden die dritte Phase der Studie ein, bei der bis zu 400 Koalas geimpft wurden, die aus anderen Gründen in Tierspitäler eingeliefert worden waren.

Peter Timms, Professor für Mikrobiologie an der University of the Sunshine Coast und Mitentwickler der Impfung, äusserte sich 2021 gegenüber CNN optimistisch über die neu entwickelte Lösung:

«Wir wissen, dass der Impfstoff die Infektionsrate verringern kann. Er reduziert sie aber nicht auf null. Es gibt keinen Impfstoff, der das kann, aber er senkt die Infektionsrate erheblich.»

Im März dieses Jahres hat sein Team nun mit der Impfung von wilden Koalas im Bundesstaat New South Wales begonnen. Ziel der Forschenden ist es, die Hälfte der Koala-Population in der Northern Rivers Region einzufangen, zu impfen und zu überwachen. Konkret handelt es sich um 50 Koalas. Im Rahmen dieses Experiments soll herausgefunden werden, wie viele Koalas einer wilden Population geimpft werden müssten, um eine bedeutsame Reduktion der Infektion zu erreichen.

Das Impfen von wilden Tieren ist ein extrem zeitaufwendiges Unterfangen, das weltweit noch nicht von vielen Forschenden in Angriff genommen worden ist. Doch das Vorhaben ist wichtig – und die Zeit drängt: Laut eines Berichts der Regierung von New South Wales aus dem Jahr 2020 könnten die Koalas aufgrund der Kombination von Bedrohungen wie Krankheiten, Lebensraumverlust und Strassenkollisionen bis zum Jahr 2025 aussterben.

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Nach Waldbrand-Katastrophe in Australien: Jetzt wachsen die neuen Koalababys heran
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