Sein Hals war aufgerissen, sein Magen leer. So fand Lea Caradonna vom Verein «Hamburger Stadttauben» die verletzte Taube am Hamburger Hauptbahnhof und nannte sie Rudi. «Rudi ist einer der wenigen, der wirklich Glück hatte», sagt die Ehrenamtliche.
Die Wunde war noch frisch. Futter und Wasser kamen durch die Öffnung direkt wieder heraus. Caradonna weiss: «So hätte er nicht lange überleben können.»
Sie brachte die Taube zu einer Tierärztin. Diese nähte den offenen Hals wieder zu. Jetzt ruht sich Rudi bei einer privaten «Päpplerin» von der OP aus, bekommt ein Antibiotikum und eine Handvoll Körner am Tag.
Weil Tauben standorttreu sind, soll Rudi in zwei Wochen wieder am Hauptbahnhof rausgelassen werden. Auch, wenn dieser aus Sicht der Aktiven die blosse «Taubenhölle» ist. Mit Vergrämungsmassnahmen wie Spikes, spitzen Metallvorrichtungen, sollen Tauben am Landen gehindert werden.
An so einem Spike wird sich Rudi auch verletzt haben, vermutet die Tierärztin. Caradonna macht das wütend: «Dabei ist der Mensch daran Schuld, dass wir heute so viele Tauben in den Städten haben.» Schliesslich seien Stadttauben vom Menschen gezüchtete Brieftauben oder Hochzeitstauben, die den Weg in ihren Heimatschlag nicht wiedergefunden haben.
«Leider haben sich mit der Zeit viele Vorurteile gegenüber Stadttauben gebildet», sagt Caradonna. Dass Tauben Krankheiten übertragen, sei längst widerlegt. Ihr Kot zerstöre auch keine Gebäude. «Das ist nur ein optisches Problem», erklärt die Freiwillige. Würden Tauben artgerechtes Futter bekommen, sei der Taubenkot fest und liesse sich einfach zusammenkratzen und entsorgen.
Aus Sicht des Vereins «Hamburger Stadttauben» sind Taubenschläge die einzige Lösung, um das Vogelaufkommen tierfreundlich einzudämmen. Hier könnten kontrolliert Taubeneier durch Gipseier ersetzt werden.