Es ist ein Moment, in dem Donald Trump fast ins Schwärmen gerät. «Ich habe einen grossartigen Freund, sein Name ist Erdoğan. Ich mag ihn und er mag mich», sagte der US-Präsident am Montag vor den Kameras im Weissen Haus. «Er ist ein zäher und kluger Kerl.»
Besonders brisant an der Situation: Neben Trump sass zu diesem Zeitpunkt der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu. Er blieb still, wirkte teilnahmslos. Während Trump ein Loblied auf den Präsidenten anstimmte, der Ende März noch zu Allah betete, dass Israel vernichtet wird.
Die regierungsfreundlichen Medien in der Türkei berichteten ausführlich über die Würdigung Erdoğans durch den US-Präsidenten. Durch seine Kriegsführung im Gazastreifen ist Netanjahu in breiten Teilen der türkischen Gesellschaft zum Feindbild geworden, trotz des Terrors der Hamas gegen Israel.
Der Schulterschluss zwischen Trump und Erdoğan ist keine Überraschung, denn sie haben aktuell eines gemeinsam: Sie stehen innen- wie aussenpolitisch massiv unter Druck, und es gibt nicht wenige Verbündete, mit denen beide aktuell nicht im Streit stehen. Ausserdem verbindet sie ein gemeinsamer Politikstil, ein Hang zum Nationalismus und Imperialismus. Der US-Präsident erhofft sich von Erdoğan eine Zusammenarbeit auf Basis persönlicher Loyalität und gegenseitigen Nutzens, nicht auf Grundlage westlicher Werte oder eines gemeinsamen Demokratieverständnisses.
Deswegen springt Trump seinem türkischen Amtskollegen zur Seite. Damit demonstriert die US-Regierung erneut, dass sie seit Trumps Amtsantritt im Januar primär mit Autokraten sympathisiert. Für die türkische Opposition ist das ein schwerer Schlag.
Denn in der Türkei sieht sich Erdoğan nach der Verhaftung des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem İmamoğlu noch immer massiven Protesten gegenüber. Hunderttausende gehen landesweit fast täglich auf die Strasse.
Die kemalistisch-sozialdemokratische CHP rief zum Boykott auf, bis ihr Präsidentschaftskandidat İmamoğlu frei ist. So sollen die Türkinnen und Türken regierungsnahe Unternehmen meiden – und Medien, die zwar Erdoğans Pressekonferenzen in voller Länge übertragen, aber nicht über die Proteste berichten. Für den vergangenen Mittwoch wurde gar zu einem eintägigen Einkaufsboykott aufgerufen.
Das ist eine Machtdemonstration, die die angeschlagene türkische Wirtschaft hart treffen kann. Denn das Fundament der Proteste sind vorwiegend junge Menschen, die trotz Drohungen und Verbote der Regierung auf die Strasse gehen. Erdoğan beschimpft das als «Strassenterror» und lässt Hunderte verhaften. Der Boykottaufruf richtet sich an die Menschen, die Angst vor Gewalt durch Polizei und Justiz haben. Sie können still an der Supermarktkasse ihren Unmut zum Ausdruck bringen.
Die USA könnten in dieser Lage grossen Einfluss auf die türkische Regierung haben. Der US-Dollar ist für die Türkei sehr wichtig, weil viele Importe wie Erdöl oder Gas in Dollar bezahlt werden. Gleichzeitig haben türkische Unternehmen und teilweise der Staat hohe Schulden in Dollar aufgenommen.
Viele Türken sparen lieber in Dollar statt in Lira, weil der Wert der heimischen Währung immer weiter verfällt. Die Folge: Wenn es in der Vergangenheit politische Konflikte zwischen der Türkei und den USA gab, stürzte die Lira weiter ab.
Nicht aber diese Woche. Hätte der US-Präsident seinem türkischen Amtskollegen gedroht, wäre der Lira-Kurs mutmasslich nicht stabil geblieben. Aber Trump erwähnte die Proteste in der Türkei mit keinem Wort. Dass Trump Erdoğan stützen möchte, ist dabei kein Zufall: Denn er steht einer autokratischen Führung in der Türkei sicherlich näher als einer möglichen CHP-Regierung, die mit der Europäischen Union sympathisiert. Die CHP möchte wieder näher an die EU heranrücken, setzt auf Multilateralismus – und das lehnt Trump ab.
Trotz der Rückendeckung aus Washington ist der Ausgang dieser Lage vollkommen offen. Die Mehrheit der türkischen Bevölkerung ist wütend wie nie in Erdoğans mehr als 20 Jahren an der Macht.
Fest steht nur: Die Türkei wird sich verändern. Wenn İmamoğlu freikommen sollte, wären die Proteste der Anfang vom politischen Ende Erdoğans. Sollte sich der türkische Präsident durchsetzen, wäre das möglicherweise das Ende der Demokratie in der Türkei. Denn das Land würde endgültig zur Diktatur, wenn die türkische Justiz Politiker der grössten Oppositionspartei ohne wirkliche Beweise wegsperren könnte. Erdoğan könnte damit seine Herrschaft bis an sein Lebensende zementieren, ganz nach russischem Vorbild.
Der Grundstein dafür ist gelegt. Nach dem gescheiterten Putschversuch 2016 hat die türkische Führung den Sicherheitsapparat grösstenteils ausgetauscht. Wichtige Positionen sind mit Getreuen besetzt. Während Erdoğan viele Jahre mit einem grossen Rückhalt in der türkischen Gesellschaft regierte, verlässt er sich nun vor allem auf seinen Sicherheitsapparat.
Eine Säule von Erdoğans Macht war stets, dass seine Wählerinnen und Wähler ihm und seiner AKP Wirtschaftskompetenz zusprachen. Die mehrjährige Wirtschaftskrise in der Türkei hat dieses Vertrauen zerstört. Um von den innenpolitischen Problemen abzulenken, versucht der türkische Präsident, sich zumindest aussenpolitisch als starker Herrscher zu präsentieren, der die Interessen seines Landes vertritt – auch das hat er mit Trump gemein.
Damit erklären sich Erdoğans Beschimpfungen gegen Israel und Netanjahu. Trump lobte seinen türkischen Amtskollegen am Montag als machtbewussten Herrscher. «Herzlichen Glückwunsch, Sie haben geschafft, was in 2'000 Jahren niemandem gelungen ist. Sie haben Syrien erobert», will der US-Präsident zu Erdoğan gesagt haben. Der türkische Präsident habe erst abgestritten, dann aber zugestimmt. Trump plauderte hier Details eines vertraulichen bilateralen Gespräches aus, was gegen die internationale Etikette verstösst.
Faktisch hat Trump recht. Nach dem Sturz von Baschar al-Assad haben die neuen Machthaber in Syrien gute Beziehungen zur Türkei. Erdoğan ist der grösste Machtfaktor in dem Land. Wahrscheinlich wollte auch hier Trump seinem türkischen Verbündeten Rückendeckung geben. Aber ob Erdoğan die Redefreude des Republikaners wirklich begrüsst, darf bezweifelt werden. Denn die Türkei befindet sich aufgrund ihres Konfliktkurses gegenüber Israel – zumindest in Syrien – in einem grossen Dilemma.
Die israelische Luftwaffe greift weiterhin militärische Ziele der neuen syrischen Machthaber an – darunter Flugplätze, Hafenanlage und Öldepots. Unter den Opfern sollen auch türkische Staatsbürger gewesen sein. Netanjahu sagte der Zeitung «Times of Israel»: «Wir hatten nachbarschaftliche Beziehungen zur Türkei, die sich verschlechtert haben, und wir wollen nicht, dass Syrien von irgendjemandem, einschliesslich der Türkei, als Basis für Angriffe auf Israel benutzt wird.» Deshalb warnten israelische Beamte die Türkei davor, in Syrien Militärstützpunkte zu errichten.
Ob sich Erdoğan davon einschüchtern lässt, ist zu bezweifeln. Die Türkei verfügt über die zweitgrösste Armee in der Nato. Ihr politischer Konflikt mit Israel wird aktuell in Syrien ausgetragen; militärische Scharmützel könnten diesen Konflikt eskalieren lassen.
Auch hier springt Trump für den türkischen Präsidenten in die Bresche. «Jedes Problem, das du mit der Türkei hast, kann ich lösen», sagte er. Und weiter, mit erhobenem Zeigefinger gegenüber Netanjahu: «Solange du vernünftig bist, wir müssen vernünftig sein.»
Schulterschluss mit einem untergehendem Regime!..
Die Türkei mag unbeliebt sein, dies aber nur wegen den Fundis.
Ich fasse zusammen:
Schulterschluss mit Erdogan
Mit Putin, symphatien zu Orban.
Auch 4 untergehende Schiffe werden nicht durch Symphatie plötzlich Seetauglich.
Seufz… Wer erklärt es ihm?
In den ehemaligen Demokratien wo die Autokraten schon an der Macht sind, halten sie zusammen wie Pech und Schwefel.
Und in Deutschland, Frankreich, der Schweiz gewinnen sie laufend Prozentpunkte dazu.
Absolut surreal das zu beobachten!
Zumindest muss Putin weniger aufrüsten, wenn wir uns freiwillig in übelste Dystopien verwandeln.