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Ukraine

Ukraine-Krieg: Russische Einheiten stehen vor der Stadt Prokrowsk

Die russischen Truppen nähern sich: Was Pokrowsk jetzt erwartet

Moskau hat die ukrainische Industriestadt Pokrowsk ins Visier genommen. Eine Ankunft der russischen Truppen steht kurz davor – danach droht eine blutige Belagerung.
27.08.2024, 17:00
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Während ukrainische Truppen mit bis zu 500 Soldaten versuchen, in der Nähe von Belgorod die Grenze zu Russland bei Shebekino und Nekhoteewka zu übertreten, um zusätzliche russische Gebiete unter Kontrolle zu bringen, spitzt sich die Lage 230 Kilometer südlich weiter zu.

Südlich von Belgorod versuchen ukrainische Einheiten, die Grenze zu überqueren und russische Gebiete unter Kontrolle zu bringen.
Südlich von Belgorod versuchen ukrainische Einheiten, die Grenze zu überqueren und russische Gebiete unter Kontrolle zu bringen.bild: Screenshot google maps

Dort nähern sich russische Truppen langsam, aber stetig der Industriestadt Pokrowsk. Seit Tagen werden von dort Zivilisten mit Extrazügen in Richtung Westen evakuiert – weg von der Front. Viele der einst 65’000 Einwohner sind schon geflohen.

Bleiben will Ljubow, wie sie gegenüber dem SRF-Korrespondenten David Nauer versichert: «Wir hoffen darauf, dass unsere Jungs diese Hunde aufhalten und nicht bis zu uns durchlassen.» Sollte es trotzdem so weit kommen, will auch sie weg: «Ich werde nicht unter ihnen [Russen] leben. Ich bin Ukrainerin. Ich will in der Ukraine leben.»

Pokrowsk (Kreis) ist ein strategisch wichtiger Verkehrsknotenpunkt.
Pokrowsk (Kreis) ist ein strategisch wichtiger Verkehrsknotenpunkt.bild: screenshot google maps

Viel Anlass zur Hoffnung gibt es nicht. Pokrowsk ist ein strategisch wichtiger Strassen- und Eisenbahnverkehrsknotenpunkt. Wie Markus Reisner, Oberst des österreichischen Bundesheeres gegenüber dem ZDF erklärt, versorgt die ukrainische Armee von hier aus verschiedene Frontabschnitte. Die Ukraine wird deshalb nicht bereit sein, die Stadt aufzugeben. Seit Tagen werden mit Hilfe ansässiger Kumpel Gräben um die Stadt ausgehoben. Die NZZ titelt nervös: «Fällt Pokrowsk, könnten die Verteidigungslinien auf breiter Basis einbrechen». Und Russland? Russland wird nichts unversucht lassen, die Stadt einzunehmen. Es ist, laut ZDF-Analysten, «mit einer langen und blutigen Belagerung zu rechnen».

Daran, dass dabei die Infrastruktur der Stadt enorm in Mitleidenschaft gezogen werden wird, zweifelt indes niemand mehr. Russland hat seit seinem Einmarsch eine Schneise der Zerstörung hinterlassen. Deshalb wird erwartet, dass auch die einst so wichtige Industriestadt ein ähnliches Schicksal erfahren wird wie einst Mariupol, Sjewjerodonezk und Bachmut.

Von diesen drei Städten hat Tagesspiegel.de in Zusammenarbeit mit russischen Exiljournalisten Satellitenbilder und -daten ausgewertet und so den Grad der Zerstörung berechnet. In Mariupol wurden rund 36’000 Gebäude beschädigt. Das entspricht 36 Prozent aller Bauten.

FILE - An explosion erupts from an apartment building after a Russian army tank fired on it in Mariupol, Ukraine, March 11, 2022. The image is part of the documentary "20 Days in Mariupol."  ...
Bilder aus dem März 2022: Ein Wohnhaus in Mariupol wird unter Beschuss genommen.Bild: keystone

Wie die Autoren betonen, handelt es sich dabei um eine konservative und vorsichtige Berechnungsmethode. Die UNO geht von 90 Prozent zerstörter mehrstöckiger Gebäude aus. Bei den kleineren Wohnhäusern sollen 60 Prozent unbewohnbar sein.

Die Einwohner flüchten schon seit Wochen aus Sjewjerodonezk, dennoch sollen in der Stadt nach wie vor bis zu 10'000 Menschen ausharren, viele davon in den Katakomben einer Chemiefabrik.
Einwohner von Sjewjerodonezk fliehen zu Fuss. Ein Bild aus dem Jahr 2022. Einst wohnten hier 100'000 Einwohner.Bild: imago-images

Auch in Sjewjerodonezk wurden 36 Prozent der Gebäude sichtbar in Mitleidenschaft gezogen, in Bachmut sind es gar 66 Prozent.

Die Stadt Bachmut ist zum grössten Teil zerstört.
In Bachmut tobte der Krieg wochenlang – bis sich die Ukraine zurückdrängen lassen musste. Von der Stadt ist heute nicht mehr viel übrig.Bild: RIA Novosti/Sputnik/imago images

Düstere Aussichten für Pokrowsk. Im örtlichen Spital befindet sich laut dem ZDF die einzige Einrichtung für die Betreuung von Babys und Frühchen im Donbass. Die schwangeren Frauen dürften indes bereits geflohen sein.

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56 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Steibocktschingg
27.08.2024 19:02registriert Januar 2018
Der Stadt blüht das, was auch allen anderen Orten und Gegenden unter russischer Kontrolle blühte: Zerbombt bis zur Unkenntlichkeit und danach wird noch alles ungeraubt, vergewaltigt, umgebracht und entführt was irgendwie diese Hölle überlebt hat.

Die Ukraine braucht immer noch alle Mittel, um diese Kriegsverbrecher aufzuhalten und zu besiegen. Und zwar jetzt!
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Garp
27.08.2024 17:09registriert August 2018
Merci berichtest Du darüber, Toggi, das ging die letzten Tage etwas unter.
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Markus B.
27.08.2024 19:45registriert September 2022
und der westen schaut wieder einmal zu. einfach nur traurig und tragisch. ich hoffe das die tapferen soldaten der ukraine durchhalten werden.
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