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Hat die Ukraine Wagner-Verbündete im Sudan angegriffen?

A soldier of Ukraine's 3rd Separate Assault Brigade launches a drone near Bakhmut, the site of fierce battles with the Russian forces in the Donetsk region, Ukraine, Sunday, Sept. 3, 2023. (AP Ph ...
Ukrainischer Soldat mit Drohne in Donezk (Archivbild vom September 2023).Bild: keystone

Hat die Ukraine Wagner-Verbündete im Sudan angegriffen?

Eine von der russischen Söldnergruppe Wagner unterstützte sudanesische Miliz wurde Ziel eines Drohnenangriffs. Offenbar steckte die Ukraine dahinter.
20.09.2023, 12:1620.09.2023, 14:34
Simon Cleven / t-online
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Ein Artikel von
t-online

Es wäre ein völlig neuer Schauplatz des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine – weit weg vom ukrainischen Schlachtfeld, weit weg von Europa: Ukrainische Spezialkräfte sollen eine Miliz im Sudan angegriffen haben, die von der russischen Söldnertruppe Wagner unterstützt wird. Das berichtet der US-Sender CNN. Allerdings betont der US-Sender, dass man nicht in der Lage war, die Beteiligung der Ukraine unabhängig zu verifizieren.

Die Recherche bezieht sich auf eine Serie von Drohnenangriffen Anfang September auf die Rapid Support Forces (RSF), eine paramilitärische Gruppe, die derzeit mit den regulären Streitkräften Sudans um die Vorherrschaft in dem nordostafrikanischen Land kämpft.

Demnach haben sich mindestens 14 Attacken in der Stadt Omdurman und ihrer Umgebung zugetragen. Omdurman liegt gegenüber der sudanesischen Hauptstadt Khartum am westlichen Ufer des Flusses Nil. Die Städte werden unter anderem durch die Schambat-Brücke miteinander verbunden, auf der es ebenfalls zu Angriffen gekommen sein soll.

Eine ukrainische Operation 4000 Kilometer von Kiew entfernt?

«Ukrainische Spezialkräfte sind wahrscheinlich dafür verantwortlich», zitiert CNN eine nicht namentlich genannte Quelle in den ukrainischen Streitkräften. Demnach sei der Angriff die Arbeit eines «nicht-sudanesischen Militärs». Daneben führt der Sender weitere Indizien an, die darauf hindeuten, dass Kiew hinter der Operation in dem knapp 4000 Kilometer entfernten Land stecken könnte.

Für mindestens acht der betreffenden Attacken seien nämlich kommerzielle Drohnen des chinesischen Herstellers DJI eingesetzt worden. Diese nutzen auch die ukrainischen Streitkräfte in erheblichem Ausmasse zur Aufklärung, aber auch als Waffensysteme in ihrem Verteidigungskampf gegen die russischen Invasionstruppen.

Diese Hinweise allein wären jedoch nicht ausreichend, um eine ukrainische Urheberschaft zu vermuten. CNN hat zudem Videoausschnitte analysiert, die es von den Angriffen gibt und die mittlerweile auch in den sozialen Netzwerken kursieren. Eines der Videos zeigt den Bildschirm eines Drohnen-Controllers, der das Fluggerät steuert. Darauf ist neben englischer Schrift auch ein Schriftzug in ukrainischer Sprache erkennbar: «Зупинити» («stopp», d. Red.).

Zudem spiegelt sich die Person, die die Drohne steuert, in dem Bildschirm. Laut CNN handelt es sich dabei augenscheinlich um einen Nicht-Sudanesen, obwohl eine Sturmhaube das Gesicht der Person weitestgehend verdeckt. Nicht zuletzt bestätigte der niederländische Drohnenexperte Wim Zwijnenburg dem Sender, dass es sich wohl um den allerersten Einsatz sogenannter First-Person-View-Drohnen (FPV) auf dem afrikanischen Kontinent handle. FPV-Drohnen erlauben der Person am Steuer, mittels einer Brille oder eines Bildschirms die Perspektive der Drohne einzunehmen.

Was haben die Wagner-Söldner mit den Angriffen zu tun?

Sechs Angriffe seien mit solchen Drohnen auf Pick-up-Geländewagen durchgeführt worden, die die Schambat-Brücke zwischen Omdurman und Khartum passieren wollten. Acht weitere Angriffe seien gegen geparkte Fahrzeuge, Gebäude und bewaffnete Einheiten in Omdurman sowie im Vorort Ombada geflogen worden, schreibt CNN. In Ombada hat in der vorhergehenden Woche die sudanesische Armee Luftangriffe auf Stellungen der Antiregierungsmiliz RSF durchgeführt.

Doch was hat die russische Söldnergruppe Wagner mit all dem zu tun? Eines der von CNN analysierten Videos soll mindestens drei ausländische Kämpfer zeigen, die offenbar ein Gebäude angreifen. Die Soldaten sollen mit Nachtsichtgeräten und einer von ihnen zudem mit einem Raketenwerfer ausgestattet sein. Die Soldaten sollen sich in der Nähe der Stelle in Omdurman befunden haben, wo der – mutmasslich mit ukrainischer Hilfe ausgeführte – Drohnenangriff stattgefunden haben soll. Ob die «ausländischen Kämpfer» Wagner-Söldner sind und ob die Drohnenattacke sich gegen sie richtete, ist unklar.

Der US-Sender berichtet zudem, dass die Wagner-Söldner zwei Tage vor den Angriffen einen grossen Waffenkonvoi mithilfe der RSF-Miliz aus dem benachbarten Tschad in den Sudan geschleust haben sollen. Dafür seine die RSF-Basis Al-Zurug im Südwesten des Sudan genutzt worden.

CNN bezieht sich dabei auf eine nicht namentlich genannte Quelle im sudanesischen Regierungsapparat sowie auf Satellitenbilder der Militärbasis, die den Transport von mehr als 100 Fahrzeugen zeigen soll. Die sudanesische Quelle der Senders soll ebenfalls von mehreren mit Waffen beladenen Lastwagen gesprochen haben.

Wagner unterstützt die RSF-Miliz im Sudan

Die Wagner-Söldner sollen die RSF-Miliz schon seit Längerem unterstützen. Nach dem Militärputsch im Sudan 2021 gaben Russland und die Söldnertruppe der Militärregierung in Khartum Rückendeckung, die von General Abdel Fattah al-Burhan und RSF-Chef Mohammed Hamdan Dagalo angeführt wurde. Mit der Zeit kristallisierte sich der RSF-Anführer – genannt Hemedti – jedoch als bevorzugter Verbündeter der Wagner-Söldner heraus.

Im vergangenen April versuchte die RSF-Miliz, die Macht im Sudan vollständig an sich zu reissen. Seitdem gibt es blutige Kämpfe zwischen der paramilitärischen Einheit und den regulären Streitkräften in dem afrikanischen Land. Es soll bereits zahlreiche zivile Opfer gegeben haben. Mit Ausbruch der Kämpfe stellte die Wagner-Gruppe laut CNN die Unterstützung für die reguläre Armee des Sudan vollständig ein – und stärkt nunmehr lediglich die RSF-Miliz. Diese soll CNN zufolge 90 Prozent ihrer Waffen von Wagner beziehen.

Jewgeni Prigoschin/Yevgeniy Prigozhin
Jewgeni Prigoschin in Afrika: Wenige Tage nach der Veröffentlichung dieses Bildes ist der Wagner-Chef mit einem Flugzeug abgestürzt.Bild: Telegram

Auch der Tod des Wagner-Chefs Jewgeni Prigoschin und seines Stellvertreters Dmitri Utkin bei einem Flugzeugabsturz am 23. August in Russland soll der Unterstützung keinen Abbruch getan haben. Die Wagner-Gruppe gilt als Russlands Instrument, um in Afrika Macht und Einfluss zu gewinnen. Sie ist nachweislich im Sudan, in Mali, der Zentralafrikanischen Republik und Libyen aktiv. Dabei geht es besonders um Einnahmen aus dem Abbau von Rohstoffen wie etwa Gold. Diese finanzieren auch Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Seit dem Tod Prigoschins wird darüber spekuliert, ob die russische Führung die vollständige Kontrolle über die Söldnertruppe Wagner übernehmen will. Prigoschin hatte sich Ende Juni offen gegen die Führung im russischen Verteidigungsministerium gestellt und wollte mit dem sogenannten Marsch auf Moskau ihre Absetzung bewirken. Der Aufstand scheiterte. Es wird vermutet, dass Prigoschins überraschender Tod im Zusammenhang mit diesen Ereignissen steht.

Russland und die Ukraine wollen Einfluss in Afrika

Ob die Ukraine den Angriff tatsächlich durchgeführt hat und welche Motive möglicherweise dahinterstehen, ist nicht bekannt. Aus Kiew gibt es bisher keine offizielle Bestätigung. Der afrikanische Kontinent ist jedoch nicht nur für Russland, sondern auch für die Ukraine von Bedeutung: Allein im vergangenen Jahr habe der ukrainische Aussenminister Dmytro Kuleba auf drei Reisen mehr als zehn afrikanische Länder besucht, schreibt CNN. «Unsere Strategie besteht nicht darin, Russland zu ersetzen, sondern Afrika aus dem Griff Russlands zu befreien», sagte Kuleba in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AFP.

Im Zusammenhang mit dem Aus des Getreideabkommens zwischen Russland und der Ukraine unterstreicht Kiew immer wieder die negativen Auswirkungen für Staaten in Afrika. Ende Juli legten afrikanische Staaten auf dem Russland-Afrika-Gipfel in Sankt Petersburg einen Friedensplan für die Ukraine vor. Besonders steigende Lebensmittelpreise infolge des Krieges belasten den Kontinent.

Afrika gilt mit Blick auf den Krieg in der Ukraine als gespalten. Von 30 afrikanischen Staaten schlossen sich im Februar 24 nicht einer UN-Resolution an, die den Abzug aller russischen Truppen aus der Ukraine forderte. Die meisten der Staaten enthielten sich.

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21 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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rephil
20.09.2023 14:02registriert August 2021
Wenn das alle Beweise sein sollen, halte ich die Faktenlage für recht dünn und eine Publikation auf solchen Grundlagen im besten Fall gefährlich, im schlechtesten Fall politisch motiviert. Insbesondere wenn man bedenkt, dass die Ukraine gerade anderes zu tun hat mit ihren militärischen Ressourcen.
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Quacksalber
20.09.2023 15:25registriert November 2016
Fahrt ihr gerade eine Kampagne gegen die Ukraine oder warum verbreitet ihr so krassen Unsinn? Da stimmt doch einiges nicht und es ist auch nicht plausibel.
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Mari Huhn Ana
20.09.2023 13:59registriert Juni 2019
Hauptsache Putin hat eine Gefahr mehr am Hals, ob real oder imagär spielt dabei keine Rolle. Der wird seines Lebens nicht mehr froh!
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