Bei der Frage zum Einsatz weitreichender Waffen gegen Ziele tief im russischen Staatsgebiet gestalten sich die Gespräche mit Deutschland nach Angaben aus Kiew schwieriger als mit anderen Partnern der Ukraine.
Laut dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj haben die fünf wichtigsten Partner – USA, Grossbritannien, Frankreich, Italien und Deutschland – zu dieser Forderung keine einheitliche Meinung.
Zwar gebe es Unterstützer, «und sie helfen mir auch im Dialog mit den anderen Partnern, um eine positive Lösung zu erzielen», sagte Selenskyj im Gespräch mit ukrainischen Journalisten. Doch gebe es noch Zurückhaltung bei den politischen Verantwortungsträgern, da dies eine «mit Risiken behaftete Frage» sei, schliesslich gehe es um ein Paket «sehr gewaltiger Raketen».
Vor allem mit Deutschland sei der Diskussionspunkt, der Ukraine den Einsatz von weitreichenden westlichen Waffen-Systemen zu ermöglichen, noch immer nicht geklärt. «Für sie (die Deutschen) bleibt dies weiterhin die schmerzhafteste Frage», sagte Selenskyj.
Dabei geht es gar nicht um den deutsch-schwedischen Luft-Boden-Marschflugkörper Taurus, den Bundeskanzler Olaf Scholz bekanntlich nicht liefern will.
Dass sich die westlichen Partner mit der seit Monaten von ihm erbetenen Erlaubnis zum Einsatz der bereits gelieferten Waffen so schwertäten, liegt laut Selenskyj offenbar daran, dass diese Staaten in den Beziehungen zu Russland «die Türen nicht endgültig zuschlagen» wollten. «Das zumindest ist mein Eindruck.»
Erst kürzlich hatte EU-Chefdiplomat Josep Borrell die Beschränkungen für den Einsatz der schweren westlichen Waffen im Ukraine-Krieg infrage gestellt. Die Ukraine habe angesichts von russischen Angriffen auf Krankenhäuser und Kraftwerke ein Recht auf Selbstverteidigung, sagte er.
Die Ukraine setzt gegen Ziele in Russland bisher weitreichende Kampfdrohnen oder sogenannte Kamikaze-Drohnen aus eigener Produktion ein, die mit einer Sprengladung ins Ziel gelenkt werden. Diese haben allerdings im Vergleich zu Marschflugkörpern und weitreichenden Raketen nur geringe Zerstörungskraft.
Russlands Angriffskrieg war am Freitag auch eines der Hauptthemen beim Gipfeltreffen von Bundeskanzler Olaf Scholz mit den Präsidenten der USA und Frankreichs sowie dem britischen Premier im Berliner Kanzleramt.
Scholz und US-Präsident Joe Biden versicherten der Ukraine ihre Solidarität, stehen den zentralen Forderungen in Selenskyjs «Friedensplan» – bedingungslose Einladung in die NATO, Krieg auch auf russischem Territorium und mit weitreichenden westlichen Waffen – aber ablehnend gegenüber. Scholz betonte, die NATO dürfe nicht in den Krieg hineingezogen werden, damit dieser «nicht in eine noch viel grössere Katastrophe mündet».
Angesichts immer neuer russischer Angriffe wird die Lage der Verteidiger der ostukrainischen Stadt Pokrowsk am Rande des Donbass immer schwieriger.
Die ukrainische Verwaltung rief die Zivilbevölkerung zum Verlassen der Stadt auf. In den Wohnvierteln würden bereits Panzerhindernisse aufgestellt. «Der Feind ist dabei, die Stadt nach und nach zu zerstören, so wie er es mit Bachmut und Awdijiwka getan hat», hiess es in einem Evakuierungsaufruf.
Von den ursprünglich rund 53'000 Bewohnern leben nach Medienberichten nur noch knapp 12'000 im weitgehend zerstörten Pokrowsk. Knapp die Hälfte der Stadt sei ohne Stromversorgung.
Pokrowsk und das etwas weiter südlich gelegene Kurachowe gelten als die aktuell grössten Brennpunkte an den Ostflanken der ukrainischen Verteidigungslinien. Der Generalstab in Kiew sprach in seinem Lagebericht am Abend von schwersten Kämpfen an diesen Frontabschnitten.
Auch aus der Umgebung von Kupjansk, östlich von Charkiw, wurden erbitterte Kämpfe gemeldet. Angesichts der «Dynamik der Feindseligkeiten» und der bis auf vier Kilometer Entfernung an die Stadtgrenze herangerückten Front wurde die Zivilbevölkerung erneut aufgerufen, die Stadt zu verlassen.
Westliche Militärexperten wie der deutsche Politikwissenschaftler Nico Lange haben wiederholt darauf hingewiesen, dass der russische Vormarsch und die Eroberung einzelner Dörfer wenig zu bedeuten haben. Die Ukraine setze auf eine bewegliche Raumverteidigung. Ausserdem seien die bisherigen russischen Landgewinne im Gesamtkontext betrachtet vergleichsweise klein. Die Verluste an Soldaten und Material hingegen immens.
Kremlchef Wladimir Putin, der den Angriffskrieg im Februar 2022 befahl und gegen den der Internationale Strafgerichtshof Haftbefehl wegen mutmasslicher Kriegsverbrechen erlassen hat, wirft der Ukraine fehlende Bereitschaft zu Verhandlungen vor.
Selenskyj stelle immer wieder Forderungen, mache aber keine Vorschläge, behauptete Putin bei einem Treffen mit Medienvertretern in der russischen Hauptstadt. Zudem habe Selenskyj ein Dekret unterzeichnet, das Verhandlungen mit Russland verbiete.
Die russische Seite sei wie am Anfang des Krieges bereit zu «Friedensgesprächen», behauptete Putin. Der russische Despot verschweigt, dass es ihm um einen Diktatfrieden mit massiven Gebietsverlusten für die Ukraine geht, der einer Niederlage gleichkäme.
Die von beiden Kriegsparteien erhobenen Forderungen im Hinblick auf Friedensgespräche sind diametral entgegengesetzt. Während Russland nur über den Status quo an den Fronten sprechen will, fordert die Ukraine als Vorbedingung für Gespräche unter anderem den kompletten Abzug russischer Truppen von ukrainischem Gebiet, einschliesslich der 2014 annektierten Halbinsel Krim.
In Kiew betonte Selenskyj, die Ukraine wolle aus einer Position der Stärke mit Moskau verhandeln. «Wir sagen unseren Partnern immer, wenn ihr wollt, dass wir mit den Russen sprechen, dann stärkt uns», sagte er. «Dann wären wir auf Augenhöhe, und nicht nur auf irgendeinem Stuhl in der Ecke.» Zur Stärkung forderte Selenskyj die Einladung zum NATO-Beitritt und die Waffen-Freigabe.
Finanzielle Hilfe erhält die Ukraine noch von anderer Stelle. Letztes Jahr hatte der Internationale Währungsfonds dem Land ein Kreditprogramm in Milliardenhöhe mit einer Laufzeit von vier Jahren genehmigt. Nun kann die Ukraine weitere 1,1 Milliarden Dollar abrufen, wie der IWF mitteilte. Das Geld soll zur Unterstützung des Staatshaushalts verwendet werden.
«Trotz des anhaltenden Krieges zeigt sich die ukrainische Wirtschaft widerstandsfähig», erklärte der IWF. Alle Leistungsziele für Ende Juni seien erreicht und wesentliche Strukturreformen umgesetzt worden. Die Auswirkungen des Krieges – insbesondere auf die Energieinfrastruktur – blieben jedoch ein Unsicherheitsfaktor für die wirtschaftliche Erholung der Ukraine.
(dsc/sda/dpa)
Hoffentlich hat die UA bis dahin genügend Mittel und Kraft, dies alles durchzustehen – und sich weiter tapfer gegen Putins Truppen zu verteidigen.
Eine solche Aussage ist purer Zynismus. Zum 🤮 …
Diese russische Seite ist der Anfang des Kriegs, du Vollpf****! Ohne diesen „Anfang“ wären keine Friedensgespräche nötig!
Die Putschinka ist offenkundig derart verpeilt in den eigenen Ansichten, dass sie nicht mehr zwischen „Ursache vs. Wirkung“ unterscheiden kann.