Nach 561 Tagen Krieg in der Ukraine ist es eine unbestreitbare Tatsache: Die Stimmung zwischen der Ukraine und ihren westlichen Unterstützern ist gereizt. Insbesondere ein Artikel auf dem englischsprachigen Portal «The Kyiv Independent» giesst seit einigen Tagen viel Öl ins Feuer. In einer Reportage von der Front beklagen sich in Deutschland trainierte Infanteristen der 32. mechanisierten Brigade, die falsche respektive unvollständige Ausbildung hätte «Leben gekostet».
Während in der Ukraine die Kombination aus Erst-Weltkriegs-Grabenkämpfen und Drohnen-Hightech die Truppen vor einzigartige Herausforderungen stelle, hätten die eigenen Soldaten in Deutschland während drei Wochen vornehmlich Häuserkampf geübt. Der namentlich nicht genannte Soldat, der im Artikel diese Kritik äussert, fordert die NATO-Instruktoren auf, «in die Ukraine zu fahren» und sich die neuen Kriegsrealitäten mit eigenen Augen anzuschauen.
Beachtung findet auch ein – glaubwürdiger – Erfahrungsbericht eines ukrainischen Unteroffiziers der 92. Brigade mit Rufnamen «Nestor», der diese Kritik im Grundsatz bestätigt und noch weiter ausführt: Bei der NATO-Ausbildung hätte die Drohnenaufklärung kaum eine Rolle gespielt. Dabei müssten auf diesem modernen Schlachtfeld bereits Gruppen- und Zugführer mit einem Tablet ausgerüstet sein, um zu überleben.
Gleichzeitig, auch dies ein NATO-Ausbildungsfehler, dürfe der Kompaniekommandant nicht zusammen mit seinen Leuten im Graben sitzen, sondern müsse aus einem eigenen gesicherten und vernetzten Kommandoposten heraus «kühlen Kopf bewahren» und aufgrund der Drohnenbilder die richtigen Befehle geben.
Schliesslich betont der Unteroffizier die Vernachlässigung von Tarnungstechniken im Feld sowie den völligen Verzicht auf eine Instruktion im Entschärfen von Minen als schwerwiegende Versäumnisse des NATO-Lehrgangs in Deutschland. «Wir haben unsere Ausbildner gefragt, ob wir das Entschärfen von Minen trainieren könnten. Aber aus irgendeinem Grund wollten sie das nicht einmal mit uns diskutieren. Es war ein Tabu», wird «Nestor» auf X/Twitter zitiert.
Nach dem von der «New York Times» lancierten Streit über falsche ukrainische Taktiken bei der Gegenoffensive (siehe Box) ist der Artikel im «The Kyiv Independent» ein weiterer Hinweis auf wachsende Gereiztheit unter Verbündeten. Laut einem Bericht der «Financial Times» beklagen sich NATO-Ausbildner über «die Besserwisserei» von nach alter Sowjetdoktrin geschulten ukrainischen Offizieren.
Teilweise würden auch ungeeignete Soldaten nach Deutschland geschickt, weil ukrainische Feldkommandeure ihre besten Leute bei sich an der Front behalten wollten: So sei sogar ein 71-jähriger Freiwilliger zu einem Panzerkurs im Ausland aufgetaucht.
Mit viel professioneller Kritik wird dieser Tage ein Video geteilt, das einen wild zirkelnden ukrainischen Bradley-Schützenpanzer zeigt, der bei einer Übung einem anderen Bradley in den Turm schiesst. Dies deckt sich mit der Feststellung der «Financial Times», dass auf Sicherheit bedachte NATO-Offiziere wenig Verständnis für die wilden Trainingsanforderungen der Ukrainer zeigten, die naturgemäss bereit seien, mehr Risiko auf sich zu nehmen, um möglichst realitätsnah zu üben.
Allerdings: Wo Emotionen rasch überhandnehmen, sind die besonnenen Stimmen ebenfalls zur Stelle. Die beiden Analysten Jack Watling and Nick Reynolds von der Denkfabrik Royal United Services Institute (Rusi) plädieren dafür, die Ausbildung ukrainischer Soldaten auf «dem Material und der Struktur zu basieren, welche die Ukraine benützt, anstatt NATO-Methoden zu lehren, die für völlig andersartig konfigurierte Streitkräfte gedacht sind».
In einem weit beachteten Aufsatz auf dem Portal «War on the Rocks» kommen die beiden US-Experten Michael Kofman und Rob Lee zu einem ähnlichen Schluss: Der Westen verstehe noch zu wenig, wie die Ukraine kämpfe. Um das zu ändern, müsse die NATO eigene Beobachter an die Front schicken, wovor sie sich bisher gescheut hat.
Unteroffizier «Nestor» folgert, die NATO-Kurse sollten lediglich als infanteristisches Basistraining angesehen werden. Das Zusammenspiel in grösseren Verbänden müsse danach separat unter Berücksichtigung der neuesten Erkenntnisse von der Front geschult werden.
Doch habe die laute Kritik der letzten Tage durchaus ihr Gutes, finden Kofman und Lee: Nur das offene Ansprechen von Fehlern und Missverständnissen könne zu Verbesserungen führen. In Russland dagegen grassierten falsche Siegesmeldungen, und schlechte Nachrichten würden «begraben». (aargauerzeitung.ch)
Niemand hat je einen solchen Krieg geführt, keiner ging davon aus, dass je diese Art von Kriegt (1. Weltkrieg Grabenkämpfe mit Drohnen) kommen würde - also hat auch noch keine eine darauf ausgerichtete perfekte Ausbildung.
Von daher: ja, die Ausbildung bei der NATO war nicht perfekt - ja, teilweise kamen spezielle Personen zu der Ausbildung.
Und? Lernt daraus, hinterfragt euch, setzt auf der Ausbildung auf und perfektioniert - aber vergesst dabei nicht, wer der Feind ist.
Es ist derjenige, der mit Waffengewalt in das Land eingedrungen ist.