Die Bundesregierung gibt einem Medienbericht zufolge angeblich keine zusätzlichen Gelder für die militärische Unterstützung der Ukraine mehr frei – zumindest vorerst. Das schreibt die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) unter Berufung auf einen Brief von Finanzminister Christian Lindner (FDP) vom 5. August. Aus dem Finanzministerium heisst es aber nun, die Hilfen könnten doch weiterfliessen.
Was stimmt denn nun? T-Online beantwortet die wichtigsten Fragen zur Diskussion um die Ukraine-Hilfen der deutschen Regierung.
Nein. Denn für dieses Jahr hatte die Ampelkoalition rund acht Milliarden Euro an Hilfen für die Ukraine eingeplant. Doch bereits Anfang Juli sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius, die Mittel seien «weitgehend verausgabt und gebunden».
Laut dem Schreiben, über das die FAS berichtete, stünden in der aktuellen Haushaltsplanung hinaus über die bislang schon zugesagten Summen hinaus keine weiteren Gelder bereit.
Allerdings teilte das Bundesministerium der Finanzen (BMF) am Samstag mit, es sei «bereit, bis dahin die kurzfristige Bereitstellung weiterer Mittel zu prüfen». Dazu müssten die «zusätzlichen Bedarfe konkret gemeldet und nachvollziehbar sein, um allen haushaltsrechtlichen Regeln zu entsprechen und den Deutschen Bundestag auf dieser Basis um eine Genehmigung bitten zu können». Der Ball liegt offenbar nun wieder beim Verteidigungsministerium.
Auch für über 2024 hinaus sollen Milliarden an die Ukraine fliessen. Der deutsche Haushalt sieht jedoch vor, die Ukraine-Hilfen im Jahr 2025 auf etwa vier Milliarden Euro zu halbieren. Diese Mittel stammen derzeit aus dem Bundeshaushalt.
Die Bundesregierung will die Ukraine-Hilfe künftig allerdings auf anderem Wege finanzieren. So sollen – wie von der G7-Staatengruppe kürzlich vereinbart – eingefrorene russische Vermögenswerte für die Unterstützung der Ukraine genutzt werden. Demnach soll Kiew ein 50-Milliarden-Dollar-Kredit aus dem erwirtschafteten Zinsertrag erhalten.
Aktuell erhält die Ukraine von Deutschland sowohl militärische als auch finanzielle Unterstützung. Deutschland ist nach den USA der zweitgrösste militärische Geber für die Ukraine. Im Jahr 2024 beträgt das Budget für die Ukraine-Hilfe acht Milliarden Euro. Diese Summe soll jedoch im Haushalt für 2025 drastisch auf vier Milliarden Euro gekürzt werden – und die Hilfen sollen aus einem internationalen Topf stammen.
Vor allem zeitliche und rechtliche. So gibt es rechtliche Bedenken, ob die Zinszahlungen aus dem eingefrorenen Vermögen für die Ukraine-Hilfe genutzt werden können. Auch gibt es die Sorge vor Vergeltungsmassnahmen durch Russland, etwa dass Firmen aus EU-Ländern dort zwangsenteignet werden.
Michael Roth (SPD), der Vorsitzende des auswärtigen Ausschusses, hält den Milliardenkredit dennoch für einen Schritt in die richtige Richtung. Allerdings sollte der Ukraine das gesamte eingefrorene russische Staatsvermögen zur Verfügung gestellt werden, sagte er der «Süddeutschen Zeitung». «Das kostet den Bundeshaushalt keinen einzigen Euro.»
Diese Gelder dürften aber nicht anstelle, sondern zusätzlich zur bilateralen Militärhilfe aus Deutschland fliessen, fügte Roth hinzu. «Es wäre fatal, wenn jetzt der Eindruck entsteht, dass uns die Sicherheit und Freiheit der Ukraine künftig nichts mehr wert ist. Wir dürfen das Schicksal der Ukraine nicht auf dem Altar der Schuldenbremse opfern.»
Die endgültige Entscheidung über die Kürzung der Ukraine-Hilfen muss bis Ende des Jahres getroffen werden. Im November stimmt der Bundestag über den Haushalt für 2025 ab. Bis Ende des Jahres soll auch eigentlich der Topf der G7-Staaten aufgelegt sein – so zumindest die Hoffnung. Ob der Zeitplan jedoch gehalten werden kann, ist offen.
Der zunächst kommunizierte Plan der Ampelregierung, die Ukraine-Gelder aus dem Haushalt zu kappen, hat heftige Kritik hervorgerufen – sowohl aus der Opposition als er auch von den Regierungsparteien selbst.
CDU-Haushaltspolitiker Ingo Gädechens kritisierte in der FAS: «Von heute auf morgen frieren Olaf Scholz und seine Ampel die finanzielle und damit militärische Unterstützung der Ukraine ein.»
Scholz und die Ampel führten «bei der Ukraine ein beispielloses Schauspiel der Scheinheiligkeit auf», so Gädechens. Einerseits verspreche der Kanzler immer wieder, «die Ukraine militärisch so zu unterstützen, wie es nötig ist». Andererseits wolle er jetzt «der Friedenskanzler» sein. Beides führe zu der jetzigen Situation, sagte er weiter.
Und Grünen-Fraktionschefin Britta Hasselmann forderte: «Die Ukraine braucht ganz eindeutig auch weiterhin unsere volle Solidarität und Unterstützung. Dafür müssen die nötigen Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden.»
Kritik ruft derweil insbesondere die Kommunikation der Ampelregierung hervor. So erklärte der Sprecher des ukrainischen Aussenministeriums, Heorhiy Tyhiy, gegenüber der staatlichen ukrainischen Nachrichtenagentur Ukrinform: «Berichte, dass Deutschland angeblich die Militärhilfe für die Ukraine einstellt, sind falsch.» Es handele sich um «Manipulationen».
Auch der FDP-Politiker Gert Wöllmann, Landesvorstand der Partei in Hamburg, schrieb auf X: «Wäre es vielleicht möglich, dass die 'Ampel' ihre Kommunikation bzgl. der finanziellen und militärischen Unterstützung der Ukraine ihrer kritischen Situation entsprechend anpasst und auf Verlässlichkeit umstellt? Die Verunsicherung hilft nur Putin.»
Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, sagte der «Bild am Sonntag» indes: «Die Sicherheit Europas hängt von der Fähigkeit und dem politischen Willen Deutschlands ab, weiterhin eine Führungsrolle bei der Unterstützung der Ukraine zu spielen.»
Kiew hoffe, «dass die Bundesregierung Wege zur Finanzierung unserer gemeinsamen Sicherheitsbedürfnisse für dieses Jahr» finden werde. Militärhilfen für die Ukraine seien eine Investition in die Sicherheit und eine Friedensversicherung für Europa, sagte der Botschafter.
(t-online/dsc)