Samstag, 2. April, in der belarussischen 110'000-EinwohnerStadt Mazyr. In der kleinen Filiale des russischen Paketlieferanten CDEK zeichnet eine Sicherheitskamera emsiges Treiben auf. Soldaten tragen unzählige Waren hinein, eine Klimaanlage der Firma Akai, eine Grafikkarte, einen E-Scooter. Das Meiste jedoch bleibt in Kisten, Taschen und Säcken verborgen. Alles in allem werden an diesem Tag 2 Tonnen Material aus Mazyr nach Russland versendet, vieles davon nach Rubtsowsk an die kasachische Grenze, aber auch nach Moskau, Omsk und andere Städte.
Die Soldaten sind gut gelaunt, begrüssen sich herzlich am Eingang. Einige von ihnen können anhand der Namensschilder identifiziert werden. Andere werden später im belarussischen Telegram-Kanal «Hajun Project» enttarnt. Es soll sich dabei um Mitglieder des 56. Luftsturm-Regiments handeln, das in der Krim stationiert gewesen war. Sie heissen Kowalew, Nikolayew, Datsyuk – sogar ihre Telefonnummern sind bekannt. Sofern die Informationen denn stimmen.
Das Material inklusive Video wurde von Hajun-Initiator Anton Motolko veröffentlicht. Der regimekritische belarussische Journalist und Blogger ist in seinem Heimatland verpönt. Laut Informationen des Übersetzers Juri Dorkot lebt Motolko in Polen und ist so etwas wie die seriöseste Quelle, die man während Kriegszeiten aus Belarus haben kann. Wie Motolko an das über dreistündige ungeschnittene Bildmaterial kam, führt er in seinem Blogeintrag nicht aus.
Ebenso ungesichert ist, wie die Soldaten die Güter in Besitz nahmen – ob sie selber plünderten oder die Waren anderen Soldaten abkauften. Laut einem Facebook-Post des ukrainischen Verteidigungsministeriums boomt im Süden von Belarus der Handel mit gestohlenen Wertsachen aus der Ukraine. Dabei soll es sich vor allem um Gold, Schmuck und elektronische Geräte handeln. Im Nachbardorf von Mazyr, in Naroulia, richteten russische Soldaten dafür eigens einen Markt ein.
Bereits Mitte März berichtete der «Mirror» von Plünderungsabsichten russischer Soldaten. Das britische Blatt hatte Einsicht in ein geheimdienstliches Dokument mit Transkripten aus über 120'000 Telefon-Gesprächen der Invasoren. Darin verspricht ein Soldat seiner Frau zwei Pelzmäntel und moderne Küchengeräte. Auf Twitter kursieren Screenshots, die trackbare Geräte wie zum Beispiel Kopfhörer von Apple, von angeblichen ukrainischen Besitzern zeigen, die sich nun in Belarus befinden. Ob die Angaben korrekt sind, lässt sich nicht überprüfen.
Iemand uit Oekraine wiens huis geplunderd was kwam erachter dat zijn oordopjes momenteel in Belarus zijn. Ook berichten dat RU soldaten lingerie(!!!) hebben gestolen op weg naar huis. pic.twitter.com/7h87dHp0pn
— Lord Isa Yusibov 🇪🇺 🇳🇱 💙🇺🇦💛 (@Isa_Yusibov) April 5, 2022