Präsident Wolodymyr Selenskyj hofft noch vor Beginn des Winters auf Hilfe der EU bei der Wiederherstellung des durch russische Angriffe schwer angeschlagenen Energienetzes der Ukraine. Vierzig Prozent des Energiesystems seien «schwer beschädigt», sagte der Staatschef bei einem Treffen mit EU-Energiekommissarin Kadri Simson am Dienstag in Kiew. «Wir werden alles tun, um die Menschen in diesem Winter mit Strom und Wärme zu versorgen», versprach er am Abend in seiner täglichen Videoansprache.
«Die Position der Terroristen ist absolut transparent, und diese Herausforderung sollte gerade als Herausforderung für ganz Europa gesehen werden», sagte Selenskyj weiter. Moskau werde die Schwierigkeiten des Winters propagandistisch als vermeintlichen Beweis für das Scheitern des vereinten Europas darstellen. «Deshalb müssen wir gemeinsam den Terroristen beweisen, dass »Scheitern« ein Wort über sie ist und nicht über Europa», so der Präsident.
Russland werde alles tun, «um die Normalität des Lebens zu zerstören» und berücksichtige dabei nicht die Kosten dieses «Energieterrors». Selenskyj rechnete vor, dass der jüngste Raketen- und Drohnenangriff am Montag «den Gegenwert von 2.3 Millionen durchschnittlichen russischen Renten gekostet» habe. «Und das nur für einen Angriff.»
Bei der Wiederherstellung der Energie-Infrastruktur seines Landes sollte die EU-Kommission eine koordinierende Rolle spielen, regte Selenskyj an. Er erinnerte an die Ukraine-Kontaktgruppe, das sogenannte Ramstein-Format, in dem die Unterstützerländer ihre Rüstungshilfe koordinieren. Für Wirtschaft und Energie sollte es ebenfalls ein «Ramstein» geben, sagte er laut Medienberichten. «Ich bin sicher, dass wir alles wiederherstellen werden», so Selenskyj.
Der Brüsseler Behörde zufolge werden in den kommenden Tagen unter anderem die Kommission und das ukrainische Energieministerium zusammen eine Kampagne starten, um weitere Unterstützung aus dem Privatsektor zu mobilisieren.
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Mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron hatte Selenskyj zuvor über einen verstärkten Schutz gegen russische Raketen- und Drohnenangriffe gesprochen. «Es muss einen Luftschutz für die Ukraine geben - das wurde heute klar gesagt», betonte der ukrainische Präsident, ohne dazu nähere Angaben zu machen.
Die USA befürchten unterdessen mögliche weitere iranische Waffenlieferungen an Russland für den Krieg gegen die Ukraine. Es bestehe weiter die Sorge, dass der Iran Moskau neben Kampfdrohnen auch andere Waffen wie Boden-Boden-Raketen liefern könnte, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums kündigte an, die USA würden offenlegen, sobald sie beobachteten, dass solche Waffen aus dem Iran in der Ukraine zum Einsatz kämen. Der Iran hat bislang Waffenlieferungen an Russland dementiert.
Die US-Regierung hatte im Oktober angeprangert, dass Kampfdrohnen aus dem Iran im Ukraine-Krieg eingesetzt wurden – und dass Teheran eigens Militärpersonal auf die Krim geschickt habe, um die Russen beim Umgang mit den Drohnen zu trainieren und technische Hilfe zu bieten.
Angesichts der Berichte über neue Waffenlieferungen an Russland rief der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak dazu auf, den Iran in Europa als Konfliktpartei und Beteiligten an der Aggression einzustufen. «Wenn der Iran Russland Raketen übergibt, weiss er genau, dass damit unsere Städte angegriffen werden», schrieb Podoljak auf Twitter. «Teheran ist ein Komplize in der Aggression und muss offiziell auch als solcher erkannt werden.»
Nach der Aussetzung des Getreideabkommens durch Russland haben die Vereinten Nationen für Mittwoch die Einstellung des Schiffsverkehrs im Schwarzen Meer angekündigt. «Das UN-Sekretariat und das Gemeinsame Koordinierungszentrum berichten, dass die Delegationen der Ukraine, der Türkei und der Vereinten Nationen vereinbart haben, für morgen, den 2. November, keine Bewegung von Schiffen im Rahmen der Schwarzmeer-Getreideinitiative zu planen», sagte Sprecher Farhan Haq in New York.
Der Sprecher betonte, dass Moskaus Aussetzung der Vereinbarung eine «vorübergehende und aussergewöhnliche Massnahme» sei. Die Pause im Schiffsverkehr sei ebenfalls eine «vorübergehende Massnahme» – es gehe bis auf weiteres nur um den Mittwoch. «Wir erwarten, dass beladene Schiffe am Donnerstag in See stechen», twitterte UN-Koordinator Amir Abdulla am Dienstagabend. (sda/dpa)