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Russische «Anti-Kreml-Miliz» erobert Dorf in Russland – eine Übersicht

Russian rockets launch against Ukraine from Russia's Belgorod region, at dawn in Kharkiv, Ukraine, Monday, May 8, 2023. (AP Photo/Vadim Belikov)
Die russische Region Belgorod wurde schon mehrfach Ziel von Attacken. (Archivbild)Bild: keystone

Russische «Anti-Kreml-Miliz» erobert Dorf in Russland – was wir über den Angriff wissen

Eine selbst ernannte russische Partisanengruppe attackiert ein Dorf auf russischem Staatsgebiet nahe der ukrainischen Grenze. Die ukrainische Führung streitet jede Beteiligung ab. Was wir bisher über den Angriff wissen.
23.05.2023, 08:0923.05.2023, 13:29
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Was ist passiert?

Ein Novum im Ukraine-Krieg: Bodentruppen haben ein oder mehrere Dörfer auf russischem Staatsgebiet attackiert und womöglich eingenommen. Die genaue Situation vor Ort ist aber unklar, unabhängige Berichte fehlen bisher.

Ein Video in den sozialen Medien soll zeigen, wie die Angreifer unter anderem einen russischen Panzer erobert haben sollen:

Die russische Grenzregion Belgorod war schon mehrfach Ziel von Attacken der ukrainischen Streitkräfte (welche sich aber kaum eindeutig dazu bekannten). So wurden des Öfteren russische Treibstoff- und Logistiklager attackiert, jüngst machte auch der Abschuss von russischen Jets Schlagzeilen. Dass aber Soldaten, die für die ukrainische Sache kämpfen, auf russischem Territorium angreifen, wäre neu.

Wie reagierte Russland?

Der Gouverneur von Belgorod, Wjatscheslaw Gladkow, sagte, acht Menschen seien verletzt worden, nachdem die Stadt unter ukrainisches Artilleriefeuer geraten sei. Russische Nachrichtenagenturen berichteten auch von Toten. Dies bestätigte Gladkow aber nicht, wie der «Guardian» schreibt.

Die meisten Bewohner hätten das Gebiet verlassen, aber die Situation sei weiterhin «angespannt», so Gladkow. Als Reaktion auf die Angriffe hat der russische Gouverneur den Ausnahmezustand ausgerufen, welcher den Behörden ermöglicht, weitergehende Massnahmen zu treffen. So könnten das Mobilfunknetz und das Internet überwacht oder Ausgangssperren verhängt werden.

Wer steckt hinter dem Angriff?

Offiziell handelt es sich bei den Hauptangreifern um eine Freiwilligenlegion mit russischen Staatsbürgern, die sich gegen die Regierung in Moskau stellen – eine Art Partisanen also. Die «Legion für die Freiheit Russlands» erklärte via Telegram, dass sie die Grenze zu Russland überschritten habe, die Siedlung Konzinka eingenommen und weitere Einheiten in die grössere Stadt Grayvoron geschickt hätte. Als Beweise veröffentlichte die Miliz mehrere Aufnahmen in den sozialen Medien.

Die Legion wandte sich auf Telegram an die russische Bevölkerung:

«Wir sind die gleichen Russen wie ihr.»

Sie hätten allerdings genug von den Taten der «Kriminellen» im Kreml und wollten die Freiheit in Russland verteidigen. Es sei Zeit, der Kreml-Diktatur «ein Ende zu setzen».

Im Nachgang an die Geschehnisse erklärte eine weitere Anti-Russland-Einheit, das «Russische Freiwilligenkorps», sie sei an den Attacken ebenfalls beteiligt gewesen. Im Freiwilligenkorps kämpfen übergelaufene Soldaten der russischen Armee und weitere Freiwillige aufseiten der Ukraine gegen die russischen Invasoren.

Das sagt Kiew

Die Regierung der Ukraine dementierte jegliche Verbindung zu den russischen Partisanenkämpfern. Diese agierten unabhängig und unterlägen keiner militärischen Kontrolle.

Andriy Yusow, Sprecher des ukrainischen Militärgeheimdienstes, bestätigte allerdings, dass die beiden Milizen, die sich zum Angriff bekannten, auch tatsächlich in der Region um Belgorod aktiv seien. Es gehe den Milizen wohl darum, die Gebiete vom Putin-Regime zu befreien, den Feind zurückzudrängen und eine Sicherheitszone für die ukrainische Zivilbevölkerung zu schaffen.

Der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak schrieb auf Twitter, dass Kiew «die Ereignisse in der Region Belgorod beobachtete», aber nichts mit den Angriffen zu tun habe. Er erklärte weiter, dass es nicht verwunderlich sei, wenn autoritäre Regime Guerilla-Bewegungen verursachen würden. Das sei die «einzige treibende, politische Kraft in einem totalitären Land».

Das sagt Moskau

Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte, Wladimir Putin sei über die Vorgänge informiert worden und man arbeite daran, die Angreifer zu vertreiben, wie die staatliche Nachrichtenagentur RIA Novosti berichtete.

Der Kreml gehe davon aus, dass die Ukraine hinter den Angriffen stecke und man damit die Aufmerksamkeit von Bachmut ablenken wolle, der seit Monaten umkämpften Stadt in der Ostukraine, die Russland am Wochenende erobert haben will.

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62 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Dr. Lindic
23.05.2023 08:53registriert Juli 2017
Immerhin hat das Partisanengrüppchen in einem Tag mehr erobert als die Russischen Streitkräfte in den letzten 5 Monaten.

Interessant wird sein wie die Russen damit umgehen.. Im Prinzip müssten sie die gesamte Grenze sichern, aber dafür haben sie das Personal nicht.. Es rauchen einige Köpfe und das ist gut so..
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maylander
23.05.2023 08:22registriert September 2018
Also den Satz von Pidolyak hättet ihr auch noch zitieren können: As you know, tanks are sold at any Russian military store, and underground guerrilla groups are composed of Russian citizens.

Eine Eindeutige Anspielung auf die Geschehnisse im Jahr 2014.
Putin darf jetzt seine eigene Medizin kosten.
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Dominik Jutzi
23.05.2023 08:23registriert April 2022
Aber wieder ziemlich peinlich für die russische Armee. Geht offenbar ziemlich einfach die Grenzen zu überschreiten und ein Dorf zu erobern.
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