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Ukraine

Kritik an Selenskyj aus Brüssel: Korruptionsermittler entmachtet

Ukraine's President Volodymyr Zelenskyy addresses the media during a press conference at the Prague Castle, Czech Republic, Sunday, May 4, 2025. (AP Photo/Petr David Josek)
Czech Republic Ukraine
Konzentriert die Macht im Präsidentenamt: Wolodymyr Selenskyj.Bild: keystone

Trump-Fans nennen ihn «Diktator» – aber auch in Europa hagelt es Kritik an Selenskyj

Zum ersten Mal seit dem Kriegsbeginn gibt es deutliche Kritik aus Brüssel an der Amtsführung des ukrainischen Präsidenten. Die Abschaffung der Unabhängigkeit der Korruptionsermittler gefährde die Annäherung an die EU. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat um Erklärungen gebeten.
23.07.2025, 17:0023.07.2025, 21:10
remo hess / Ch media
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Marjorie Taylor Greene liess sich nicht zweimal bitten: «Riesige Proteste brechen in Kiew aus, weil Selenskyj ein Diktator ist, der einen Friedensdeal und das Kriegsende verweigert», schrieb die republikanische Kongressabgeordnete und Trump-Verbündete am Dienstagabend auf der Online-Plattform «X». «Werft ihn aus dem Amt!», riet sie dem ukrainischen Volk. Natürlich nicht ohne zu vergessen, dass Amerika nun umso mehr jetzt sämtliche Hilfe an das angegriffene Land einstellen müsse.

Dass Greene und das MAGA-Lager in den USA schon immer russlandfreundlich und gegen die Ukraine waren, ist nicht neu. Aber das Ende der Unabhängigkeit von zwei der wichtigsten Anti-Korruptionsbehörden im Land ist für ein Steilpass für sie, um die «Diktator»-Vorwürfe wieder aufzuwärmen. Zur Erinnerung: Schon der oberste MAGA-Chef, US-Präsident Donald Trump äusserte sich mit gleicher Wortwahl, als das Zerwürfnis mit Selenskyj nach dem Katastrophen-Treffen im Weissen Haus auf seinem Höhepunkt war.

«Vertrauen ist schwierig aufzubauen, aber einfach zu verlieren»

Aber auch in Europa sorgt Selenskyjs Korruptionsgesetz für Kritik. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat am Mittwoch mit Selenskyj telefoniert. Sie habe ihre «starken Bedenken» über das Gesetz zum Ausdruck gebracht und um Erklärungen gebeten, sagte ein EU-Sprecher im Nachgang an das Gespräch. Zuvor sagte schon EU-Erweiterungskommissarin Mara Kos, die Entwicklung sei ein «schwerer Rückschritt» und die Unabhängigkeit der Korruptionsbehörden «unverzichtbar» für den EU-Beitrittsprozess der Ukraine, der vergangenes Jahr eröffnet wurde.

EU-Verteidigungskommissar Andrius Kubilius, gegenwärtig in Washington, fügte hinzu: «Im Krieg ist das Vertrauen zwischen der kriegsführenden Nation und seiner Führung wichtiger als Waffen – schwierig aufzubauen und zu bewahren, aber einfach zu verlieren durch einen bedeutenden Fehler».

Der deutsche Aussenminister Johann Wadephul äusserte sich ebenfalls kritisch und warnte vor Konsequenzen hinsichtlich den Beitrittsverhandlungen. Sein Statement garnierte er mit einem Foto, das ihn an der Seite der beiden entmachteten Chefs der Anti-Korruptionsbehörden zeigt. Mahnende Wortmeldungen gab es auch aus Frankreich und den Niederlanden.

Die deutlichen Worte sind bemerkenswert: Obwohl man die fortschreitende Machtkonzentration von Selenskyj in Brüssel zwar kritisch beobachtete, verzichtete man stets darauf, den ukrainischen Präsidenten direkt zu kritisieren. Dass ein Land im Kriegszustand zur Zentralisierung neigt, wurde von allen akzeptiert. Aber jetzt scheint man an eine Grenze gelangt zu sein. Denn eines ist klar: Selenskyjs Manöver kommt zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt.

Nicht nur versuchen die Europäer mit allen Mitteln, die USA wieder mit ins Boot zu holen. Zuletzt mit positiven Signalen aus Washington.

Aber auch in den eigenen Bevölkerungen müssen die europäischen Staaten immer stärker dafür kämpfen, dass die kostspielige Unterstützung weitergeführt werden kann. Und dass nun ausgerechnet bei der Korruption Rückschritte gemacht werden, ist doppelt ärgerlich, weil die EU-Staaten Hunderte Millionen für die ukrainische Waffenproduktion zu organisieren versuchen. Ängste, dass die Gelder versickern könnten, sind mit ein Grund, weshalb solche Investitionen bis jetzt nur kaum getätigt wurden. Das Signal, dass Selenskyj aussendet, ist deshalb Gift für die Unterstützung.

Inwiefern die Entwicklungen, falls nicht korrigiert, konkrete Auswirkungen auf den Beitrittsprozess haben werden, bleibt ungewiss. Dieser ist in der Substanz sowieso bis auf weiteres blockiert, weil Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban kategorisch an seinem Veto festhält.

Ironie der Geschichte: Ausgerechnet Ungarn, das in der EU seit Jahren als das Schwarze Schaf bei der Korruptionsbekämpfung gilt. (aargauerzeitung.ch)

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94 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Rannen
23.07.2025 17:13registriert Januar 2018
Selenskyj zu kritisieren ist einfach! Er hat einen Scheissjob und andere würden es nicht besser machen und ebenfalls kritisiert
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FrancoL
23.07.2025 17:11registriert November 2015
Naja was genau gefährdet die Annäherung der Ukrine an die EU? Ist es wirklich Selenskyjs Machtansprüche und Konzentrierung der Macht im Präsidentenamt?

Ich glaube nicht, es ist das was schon seit 3 J. den Westen hindert wirklich die Ukraine zu unterstützen.
Der Westen hätte zusammen mit den USA die Möglichkeit gehabt diesen Krieg einzudämmen und rasch zu beenden, aber der Westen UND die USA wollten dies nicht.
Ein Grund ist und bleibt, dass im Westen zu viele Player nicht wollen, dass die Russen (Putin) das Gesicht verlieren.
Die letzten Handlungen nützen dem Westen um weiter zu zögern.
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Randen
23.07.2025 18:15registriert März 2014
Helft endlich mal die Russen nachhause zu jagen. Danach kann man kritisieren. Der Mann hat eine extrem schwierige Aufgabe und wird meistens mit höchstens halbleeren Versprechen allen gelassen.
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