Am 2. März marschierten russische Truppen in Cherson ein – gut acht Monate später befreien die Ukrainer die Stadt. Zwei Mal rollen gepanzerte Wagen durch die Strassen, zwei Mal marschieren Uniformierte auf dem Trottoir. Doch unterschiedlicher könnten die Szenen nicht sein.
Während im März wütende Bürger auf fahrende Panzer klettern, geschimpft und geflucht wird, Soldaten in die Luft schiessen, um Demonstranten zu vertreiben, bieten sich heute Bilder von lachenden Menschen, von strahlenden Gesichtern, von Erleichterung und Hoffnung. Hier ein Vergleich:
Kherson unbreakable. That's how the city met russian invaders in March. pic.twitter.com/4FOG4k68Cl
— InUkraine (@InUAOfficial) November 11, 2022
Es braucht Mut, auf einen fahrenden Radschützenpanzer zu steigen und eine Fahne zu schwenken – besonders wenn der Panzer zu deinen Feinden gehört.
Amazing footage from the occupied Kherson region today, of a massive Ukrainian civilian anti-war protest. pic.twitter.com/JfytUySPcv
— Read Jackson Rising by @CooperationJXN (@JoshuaPHilll) March 6, 2022
Gemäss dem allgemeinen russischen Narrativ «befreiten» die russischen Truppen Cherson von ukrainischen Nazis. Die Bevölkerung Chersons feierte die «Befreiung» mit einem grossen Aufmarsch in der Stadt – leider hatten sie irgendwie alle die falschen Fahnen dabei.
❗️ Kherson city, beginning of March 2022, time of occupation, people resisting. 🇺🇦 #Ukraine pic.twitter.com/rZ14dL2FuU
— Slava Ukraini 🇺🇦 (@Heroiam_Slava) November 11, 2022
Nein, in vollem Ernst: Die Städter liessen sich nicht unterkriegen. Statt den erwarteten freudigen Empfängen wurden die russischen Besatzer mit Ukraine-Fahnen, Mittelfingern und Geschimpfe begrüsst. Einige der Demonstranten drängten gar einen Lastwagen mit dem ominösen «Z» zurück.
#Kherson, Russian forces fired at civilian people during their protest against the Occupation. People are telling the Russian army to leave. #Ukraine pic.twitter.com/SyISsreu05
— maxim.sheaib™ (@MaximSheaib) March 14, 2022
Die Besatzer antworteten ihrerseits mit Tränengas und Schüssen in die Luft. Gefährlich, denn irgendwo kommen die Projektile ja wieder herunter. Wie wir mittlerweile wissen, sind zivile Kollateralschäden den russischen Truppen nicht so wichtig.
Als es im September zum Beitritts-Referendum kam, waren die wütenden Gesichter plötzlich verschwunden. Auch die gelb-blauen Flaggen waren nicht mehr zu sehen, es wehte überall die russische Trikolore. Dass beim Referendum in der Oblast Cherson mit gut 90 Prozent für den Beitritt zu Russland gestimmt wurde, hing sicherlich nicht mit den bewaffneten Soldaten vor den Wahllokalen zusammen. Und auch nicht damit, dass eine grosse Zahl der Wahllokale in Russland war.
russia: the people of Kherson voted in totally legitimate and legal referendum to join russian federation
— Saint Javelin (@saintjavelin) November 11, 2022
The People of Kherson: pic.twitter.com/WWZTjTA7La
Heute sehen die Dinge anders aus. Soldaten, die in die Stadt fahren, werden mit Jubelschreien und erhobenen Händen empfangen. Es liegt eine gewisse Euphorie in der Luft.
Oleksiy Danilov, Secretary of the National Security and Defense Council of #Ukraine, has urged citizens not to rush back to the de-occupied areas of #Kherson region.https://t.co/8Qtgb39sXu pic.twitter.com/fGVGaWHnTL
— KyivPost (@KyivPost) November 14, 2022
The moment a grandmother kneels before her grandson soldier who’d been fighting for Kherson liberation. pic.twitter.com/f6JkBiPmMD
— Myroslava Petsa (@myroslavapetsa) November 12, 2022
Es werden auch Tränen vergossen. Eltern fallen ihren uniformierten Kindern in die Arme. Für viele ist es das erste Wiedersehen seit Kriegsbeginn.
The party goes on and on in liberated Kherson: no light, no water, no internet, but most importantly, NO RUSSIA! pic.twitter.com/9kWncB0nQQ
— Business Ukraine mag (@Biz_Ukraine_Mag) November 13, 2022
Natürlich fehlt auch die Party nicht, ganz nach dem Motto: Kein Licht, kein Wasser, kein Internet, kein Russland!
Und dann die Bilder der unzähligen Gräber auf den Friedhöfen der Ukraine. Und das Sterben geht noch immer weiter.