Die Ukraine will mit einem grossen Treffen nationaler Sicherheitsberater zahlreicher Staaten in Malta ihren geplanten Friedensgipfel weiter vorbereiten. Zu den Gesprächen in einer Woche würden mehr als 50 Teilnehmer erwartet, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner in Kiew am Samstag verbreiteten abendlichen Videobotschaft. Zu den Verhandlungen über seine «Friedensformel» werde in Malta auch die Türkei «ihre gewichtige Stimme und Haltung» einbringen, teilte er nach einem Telefonat mit seinem türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdogan mit.
Das Malta-Treffen auf Ebene der nationalen Sicherheitsberater der Verbündeten der Ukraine soll am 28. und 29. Oktober stattfinden. Darüber hatte Selenskyj zuletzt auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) informiert.
Selenskyj hatte seine «Friedensformel», die im Kern einen Abzug der russischen Truppen aus der Ukraine festlegt, als einzige gangbare Initiative für die Beendigung des Krieges in der Ukraine aufgestellt. Friedensinitiativen zahlreicher anderer Staaten, darunter aus China und Brasilien, stiessen in der Ukraine auf Kritik. Zuletzt hatte es Anfang August ein grosses Ukraine-Treffen zu der «Friedensformel» in Saudi-Arabien gegeben, an dem Vertreter aus etwa 40 Staaten teilnahmen. Russland war dort nicht eingeladen. Bis Ende des Jahres will die Ukraine einen Friedensgipfel organisieren.
Bei einem russischen Angriff in der Region Charkiw im Osten der Ukraine kamen am Samstagabend nach offiziellen ukrainischen Angaben mindestens sechs Menschen ums Leben. Weitere 14 Menschen seien teilweise schwer verletzt worden, teilte der regionale Militärverwalter Oleh Synegubow bei Telegram mit. Präsident Selenskyj sprach den Familien der Opfer noch am Abend sein Mitgefühl aus.
Selenskyj forderte eine harte Reaktion auf den «russischen Terror». «Wir müssen den Druck auf den terroristischen Staat erhöhen», schrieb er auf Telegram. «Wir müssen dem russischen Terror jeden Tag an vorderster Front mit unseren Ergebnissen entgegentreten, wir müssen die Einigkeit der Welt im Kampf gegen den Terror weiter stärken.»
Derweil sicherte die Bundesregierung weitere 200 Millionen Euro in Aufbauhilfen für die Ukraine zu. Wie die Deutsche Presse-Agentur am Samstag erfuhr, sagte Entwicklungsstaatssekretär Jochen Flasbarth (SPD) die Hilfe bei einem Besuch in der Hauptstadt Kiew und in der Hafenstadt Mykolajiw im Süden des Landes zu. Das Geld soll für Bildung, in die Gesundheits- und Trinkwasserversorgung sowie den städtischen Wiederaufbau genutzt werden. Die Mittel sollen noch dieses Jahr in verschiedene Programme fliessen.
Das Entwicklungsministerium hat damit nach eigenen Angaben seit Beginn des russischen Angriffskrieges rund eine Milliarde Euro für die zivile Unterstützung der Ukraine zur Verfügung gestellt. Aus Sicht der Bundesregierung kann der Wiederaufbau nicht bis zum Kriegsende warten. «Wir müssen beim Wiederaufbau helfen, weil er Teil der inneren Widerstandsbereitschaft der Ukrainer ist», sagte Flasbarth der dpa. Man müsse reparieren, was kaputt gemacht werde - trotz des Risikos der erneuten Zerstörung.
Das britische Militär hat indes nach eigenen Angaben ukrainische Ingenieure ausgebildet, damit diese die Energieversorgung des Landes im Winter besser gegen russische Angriffe schützen können. «Die ukrainische Zivilbevölkerung ist täglich der tödlichen Gefahr durch (Wladimir) Putins Streitkräfte und deren wahllose Bombardierung kritischer Infrastruktur ausgesetzt», teilte der britische Verteidigungsminister Grant Shapps nach Angaben der Nachrichtenagentur PA mit.
Das zweiwöchige Ausbildungsprogramm sei auf Anfrage der Ukraine entwickelt worden, meldete PA in der Nacht zum Sonntag. Teilnehmern sei erklärt worden, wie sie zum Beispiel die Auswirkungen verschiedener Waffen und Sprengstoffe einschätzen und wo sie Barrieren platzieren könnten, um Standorte zu schützen.
Der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umjerow dankte indes seinem US-Kollegen Lloyd Austin für die Lieferung der ATACMS-Raketen und lobte deren Schlagkraft. «Das hat eine bedeutende Auswirkung auf dem Schlachtfeld», teilte Umjerow im sozialen Netzwerk X am Samstag mit. Er habe Austin bei dem ausführlichen Telefonat auch über die Lage im Kampfgebiet informiert. Details nannte Umjerow nicht. Austin sicherte nach einer Mitteilung des Pentagons der Ukraine weitere Unterstützung der USA im Kampf gegen die russische Aggression zu.
Im Süden und Osten der Ukraine setzen die Streitkräfte Kiews ihre Offensive zur Befreiung der von Russland besetzten Gebiete fort. Die Gefechte in diesem Abnutzungskrieg gelten für beide Seiten als extrem verlustreich. (sda/dpa)