Die Ukraine hat bei einer grossen Konferenz in Malta mit Vertretern aus mehr als 60 Staaten ihren geplanten Friedensgipfel zur Beendigung des russischen Angriffskrieges weiter vorbereitet. «Die Beendigung von Europas grösstem Krieg seit dem Zweiten Weltkrieg mit einem gerechten, dauerhaften und umfassenden Frieden wird einen grossen positiven Einfluss haben auf andere explosive Konflikte, die sich in der Welt entfalten», sagte der Leiter des ukrainischen Präsidentenamtes, Andrij Jermak, am Samstag. «Wir bringen den Frieden näher.» Jermak kündigte konkrete Ergebnisse des bis Sonntag geplanten Treffens an, ohne Details zu nennen.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj lobte das Treffen als Zeichen der Einheit gegen den Aggressor Russland. «Die Einheit der Welt ist das, was es wirklich braucht, um den Aggressor zu schlagen», sagte er in seiner am Samstagabend verbreiteten Videobotschaft. Er dankte den Vertretern aus 66 Staaten, darunter ranghohe Sicherheitsberater und Spitzendiplomaten, die seine vor einem Jahr erstmals präsentierte «Friedensformel» für eine Beendigung des russischen Angriffskrieges unterstützten.
Zu der «Friedensformel» Selenskyjs gehören neben der Kernforderung nach einem Abzug russischer Truppen aus der Ukraine etwa auch die Freilassung aller Kriegsgefangenen, ein Tribunal für Kriegsverbrecher sowie Sicherheitsgarantien für das Land. Die Einheit der Verbündeten der Ukraine werde auch helfen, die internationale Rechtsordnung wiederherzustellen, sagte Selenskyj, der sich auch bei den Gesprächen in Malta per Videobotschaft zu Wort gemeldet hatte. Russland, das Selenskyjs «Friedensformel» als realitätsfern verspottet, wurde zu dem Treffen nicht eingeladen.
Ähnlich wie bei vorherigen Konferenzen in Kopenhagen und Dschidda soll zudem unter anderem über die Themen Energie, Ernährung und nukleare Sicherheit sowie humanitäre Fragen und die Wiederherstellung der Grenzen der Ukraine gesprochen werden.
Die ukrainische Führung sieht sich durch das Treffen in Malta in ihrer Siegeszuversicht bestätigt. «Das ist wahrhaftig eine Demonstration, dass die Welt an Gerechtigkeit und an einem Sieg der Ukraine interessiert ist», sagte Jermak. «Russlands Falschdarstellungen zu einem Schwinden des Interesses an der Ukraine haben sich nicht bewahrheitet.»
Moskau kritisierte die internationalen Gespräche wiederholt als «offensichtlich antirussische Veranstaltung». China, das als Verbündeter Russlands eine eigene Friedensinitiative angestossen hatte, bleibt der Konferenz dem Vernehmen nach - anders als im Sommer in Saudi-Arabien - diesmal fern. Auch Brasilien und afrikanische Staaten hatten Friedensinitiativen gestartet, die in der Ukraine skeptisch aufgenommen wurden. Als wichtigste Unterstützer der Ukraine gelten die USA, Deutschland und Grossbritannien sowie die Europäische Union.
Trotzdem sieht die Ukraine die im Westen teils bröckelnde Unterstützung mit Sorge. Auch in den USA gibt es Diskussionen darum, ob neue Milliardenhilfen gewährt werden sollten. Jermak sagte vor dem Treffen in einem Interview des US-Fernsehsenders Fox, Kiew rechne weiter fest mit der Hilfe Washingtons. «Unser Sieg wird ein gemeinsamer Sieg sein, weil eine Niederlage Russlands im strategischen und politischen Interesse der Vereinigten Staaten liegt.» Ohne die Hilfe der Vereinigten Staaten und anderer Partner sei der Krieg für sein Land nicht zu gewinnen.
Russlands Invasionstruppen müssen nahe der heftig umkämpften ostukrainischen Stadt Awdijiwka nach Einschätzung britischer Geheimdienste derweil weiter schwere Verluste hinnehmen. Russland habe vermutlich Teile von bis zu acht Brigaden in das Gebiet geschickt – und diese Kräfte hätten wahrscheinlich einige von Russlands bislang höchsten Verlustraten in diesem Jahr erlitten, teilte das britische Verteidigungsministerium am Samstag in seinem täglichen Geheimdienst-Update zum Ukraine-Krieg mit.
Die schweren Kämpfe ohne wirkliche strategische Erfolge rund um Awdijiwka hätten sich in der vergangenen Woche fortgesetzt, schrieben die Briten. Der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umjerow bezifferte die russischen Verluste um Awdijiwka auf 4000 Kämpfer in den vergangenen zwei Wochen. Das sei auch den von den USA gelieferten Artilleriegeschossen zu verdanken, teilte er mit.
Die Ukraine wehrt sich seit mittlerweile mehr als 20 Monaten gegen die russische Invasion. In der Nähe der stark zerstörten Industriestadt Awdijiwka verlief bereits seit 2014 die Frontlinie zu den von Moskau unterstützten Separatisten. Die russisch kontrollierte Gebietshauptstadt Donezk liegt nur wenige Kilometer südlich davon. Die russische Armee hatte vor gut zwei Wochen mit neuen Angriffen nördlich und südlich von Awdijiwka begonnen.
Neben den Gesprächen in Malta gehen die schweren Kampfhandlungen im Osten und im Süden der Ukraine weiter. Die ukrainischen Streitkräfte wollen bei ihrer Gegenoffensive die teils von Russland besetzten Gebiete Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja komplett befreien. Zudem will die mit Waffen und Munition aus dem Westen unterstützte Ukraine die bereits 2014 unter Bruch des Völkerrechts annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim zurückerobern. (sda/dpa)