Trumps «Dirty Deal» – so sieht der US-Friedensplan für die Ukraine aus
In London treffen heute Vertreter der USA, mehrerer westlicher Staaten und der Ukraine zusammen, um ihre Beratungen darüber fortzusetzen, wie der russische Angriffskrieg beendet werden kann. Bereits in der vergangenen Woche hatte es Gespräche in Paris gegeben, bei denen das amerikanische Verhandlerteam laut einem Bericht des Nachrichtenportals «Axios» der ukrainischen Seite seine Vorschläge für einen Frieden vorgelegt hatte.
Wie das «Wall Street Journal» berichtet, erwartet das Weisse Haus beim Treffen in London eine ukrainische Reaktion auf die Vorschläge. Diese enthalten umfangreiche Zugeständnisse Kiews an Russland: Die Ukraine soll nicht nur auf den NATO-Beitritt, sondern auch auf die 2014 von Russland illegal annektierte Halbinsel Krim verzichten. Überdies soll sie die De-facto-Anerkennung der russischen Kontrolle über fast alle seit der Invasion von 2022 besetzten Gebiete hinnehmen. Sollte Kiew zustimmen, könnten die Pläne Moskau vorgelegt werden, heisst es in dem Bericht.
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Trumps «letztes Angebot»
In dem lediglich eine Seite umfassenden Dokument, das die Amerikaner den ukrainischen Repräsentanten in Paris vorlegten, steht laut «Axios», das sich auf Regierungsmitarbeiter beruft, es handle sich um Präsident Trumps «letztes Angebot». Falls Kiew es nicht akzeptiere, seien die USA bereit, aus den Verhandlungen auszusteigen und die Ukraine fallen zu lassen. Die Vorschläge seien entworfen worden, nachdem der US-Sondergesandte Steve Witkoff in Moskau mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gesprochen habe.
Der US-Friedensplan sieht laut «Axios» folgende Zugeständnisse an Russland vor:
- Offizielle Anerkennung der russischen Herrschaft über die ukrainische Krim durch die USA.
- De-facto-Anerkennung der russischen Besetzung fast der gesamten Oblast Luhansk und der besetzten Teile von Donezk, Cherson und Saporischschja.
- Die Zusage, dass die Ukraine nicht der NATO beitreten wird. Ein EU-Beitritt soll möglich bleiben.
- Die Aufhebung der seit 2014 verhängten Sanktionen durch die USA.
- Verstärkte wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den USA, insbesondere in den Bereichen Energie und Industrie.
Für die Ukraine sieht der Plan folgende Punkte vor:
- Eine «robuste Sicherheitsgarantie», die durch europäische und möglicherweise auch nichteuropäische Länder gewährleistet werden soll. Wie diese friedenserhaltende Operation aussehen soll, wird nicht näher ausgeführt. Eine Beteiligung der USA wird nicht erwähnt.
- Rückgabe des kleinen Teils der Oblast Charkiw, der derzeit von russischen Truppen besetzt ist.
- Freie Schifffahrt auf dem Fluss Dnipro, an dessen Ufern die Front im Süden der Ukraine derzeit verläuft.
- Entschädigung und Unterstützung für den Wiederaufbau. Woher die Mittel kommen sollen, wird nicht ausgeführt.
Laut dem Friedensplan wird zudem das Atomkraftwerk Saporischschja, das grösste in Europa, als ukrainisches Hoheitsgebiet betrachtet. Es soll indes von den USA betrieben werden und Strom sowohl in die Ukraine als auch nach Russland liefern. Ferner verweist das Dokument auf das Rohstoffabkommen zwischen den USA und der Ukraine, das gemäss Präsident Trump am kommenden Donnerstag unterzeichnet werden soll.
Selenskyj: «Da gibt es nichts zu bereden»
Die amerikanischen Vorschläge sind noch nicht offiziell bestätigt. Und es ist auch nicht klar, ob der Kreml diesem Szenario zustimmen würde. Laut einem Bericht der «Financial Times» will Putin den Krieg an der Front einfrieren und die Ansprüche auf die nicht besetzten Gebiete in den vier völkerrechtswidrig annektierten Oblasten aufgeben. Dies ist die bisher deutlichste Geste Putins, die eine Beendigung des Kriegs möglich erscheinen lässt. In den europäischen Staaten stösst dies jedoch auf Skepsis. Die Ukraine lehnt die Aufgabe dieser Territorien strikt ab. Präsident Wolodymyr Selenskyj betonte, da gebe es nichts zu bereden: «Es widerspricht unserer Verfassung. Das ist unser Gebiet, das Gebiet des ukrainischen Volks.»
«Dirty Deal» mit völkerrechtlichen Folgen
Es fällt schwer, den US-Friedensplan, sollte er tatsächlich in dieser Form vorliegen, als unparteiisch zu betrachten. Er würde darauf hinauslaufen, dass Russland den durch seinen Angriffskrieg geschaffenen Status quo zementieren könnte. Moskau könnte so die illegal annektierte Krim offiziell behalten und müsste sich – abgesehen von einem kleinen Gebiet bei Charkiw – nicht aus den besetzten ukrainischen Gebieten zurückziehen. Putin dürfte die De-facto-Anerkennung der russischen Kontrolle über diese Territorien vorerst genügen.
Schwerwiegende völkerrechtliche Folgen hätte insbesondere die Anerkennung der illegalen russischen Annexion der Krim. Sie wäre eine Entkriminalisierung von «Moskaus Landraub», wie das österreichische Nachrichtenportal DiePresse.com schreibt. Diese Legalisierung des Völkerrechtsbruchs würde einen Präzedenzfall schaffen, auf den sich andere Invasoren künftig berufen könnten. Damit wäre ein wichtiges Völkerrechtsprinzip ausgehöhlt. Sollte Trump tatsächlich die Ukraine zu einem solchen Friedensplan nötigen wollen, liefe seine «Art of the Deal» auf einen «Dirty Deal» hinaus. (dhr)