Trotz der massiven Raketenangriffe gegen Energieanlagen sieht der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Truppen seines Landes in den von Moskau besetzten Gebieten aber weiter auf dem Vormarsch.
Kein Schlag der «russischen Terroristen» könne das Land stoppen, sagte Selenskyj am Wochenende in einer Videobotschaft. Russland versuche, mit den Angriffen auf die Infrastruktur militärische Erfolge vorzutäuschen. Selenskyj warnte angesichts der Angriffe aber vor einer humanitären Katastrophe. Angesichts der schweren Schäden an der Energie-Infrastruktur forderte Selenskyj die Bevölkerung erneut zum Stromsparen auf.
Der ukrainische Energieversorger Ukrenerho beklagte angesichts der Angriffe schwere Schäden an den Hauptnetzen im Westen des Landes. Die Folgen seien sogar noch schlimmer als bei den russischen Angriffen zwischen dem 10. und 12. Oktober, teilte das Unternehmen am Samstag mit.
Angesichts der Zerstörungen vor dem kommenden Winter warnte Ministerpräsident Denys Schmyhal vor einer Flüchtlingskrise. Er sagte der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung»:
Am Samstag gab es nach ukrainischen Angaben 40 Raketenangriffe, zudem habe die russische Seite 16 Drohnen geschickt. 20 Raketen und 11 Kampfdrohnen seien abgeschossen worden, hiess es in Kiew. Der Krieg in der Ukraine dauert bereits seit mehr als 240 Tagen an.
Selenskyjs Berater Mychajlo Podoljak sagte:
Es sei «wichtig, dass wir jetzt nicht nur ganz konkret feststellen, was alles gemacht werden muss, wo überall investiert werden muss, wie man den Wiederaufbau organisieren kann, sondern dass wir auch darüber nachdenken, wie über viele, viele Jahre, ja, Jahrzehnte ein solcher Wiederaufbau auch finanziert werden kann von der Weltgemeinschaft», sagte der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz in seinem am Samstag veröffentlichten Video-Podcast. Der ukrainische Ministerpräsident würde für den Wiederaufbau gerne auf im Ausland eingefrorene russische Vermögen zurückgreifen.
Die Ukraine hat durch den russischen Angriffskrieg etwa 90 Prozent ihrer Windkraft-Kapazitäten verloren. Bei Solarenergie betrage der Verlust 40 bis 50 Prozent, sagte Energieminister Herman Haluschtschenko am Sonntag im ukrainischen Fernsehen.
Er machte keine Angaben, wie gross die installierten Kapazitäten waren. Die Ukraine habe die erneuerbaren Energien aber in den vergangenen Jahren stark ausgebaut, sagte er. Vor dem Krieg habe ihr Anteil zehn bis elf Prozent an der Energieproduktion betragen. Nach dem Krieg solle der Ausbau umso schneller fortgesetzt werden. Das angegriffene Land ist damit noch stärker auf fossile Brennstoffe und Atomkraft angewiesen als bislang.
Währenddessen beklagte sich die russische Grenzregion Belgorod über Beschuss von ukrainischer Seite. Zwei Menschen seien dabei am Samstag in der Grenzstadt Schebekino getötet worden, teilte Gouverneur Wjatscheslaw Gladkow mit. Elf Menschen seien verletzt worden, vier von ihnen schwer. Gladkows Angaben zufolge wurde bei dem Beschuss auch Energie-Infrastruktur getroffen. Details nannte er nicht. Rund 15'000 Menschen seien zeitweilig ohne Strom, Heizung und Wasser gewesen. Das Gebiet Belgorod beklagt mit anderen Grenzregionen wie etwa Kursk und Brjansk schon seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine immer wieder Feuer von der Gegenseite. Eingeräumt hat die Ukraine die Vorwürfe nicht. (yam/sda/dpa)
Oder wollen wir zuschauen, bis von der Ukraine nichts mehr übrig ist?