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Ukraine-Krieg, Tag 154: Der Überblick

US-Aussenminister Blinken will mit Lawrow reden – das Nachtupdate ohne Bilder

28.07.2022, 06:19
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Blinken kündigt Gespräch mit Lawrow an

Zum ersten Mal seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine will US-Aussenminister Antony Blinken mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow sprechen. Bei dem Telefonat «in den kommenden Tagen» solle es um die Freilassung der in Moskau inhaftierten US-Basketballerin Brittney Griner und ihres Landsmanns Paul Whelan gehen, sagte Blinken bei einer Pressekonferenz in Washington am Mittwoch. Auch die Einhaltung des neuen Abkommens zum Export von Getreide aus der Ukraine will der US-Aussenminister ansprechen.

Die US-Regierung habe Moskau «schon vor Wochen einen substanziellen Vorschlag auf den Tisch gelegt», um die Freilassung Griners und Whelans zu erreichen, sagte Blinken. Einzelheiten zu dem Angebot nannte er nicht. Spekuliert wird darüber, dass die beiden gegen den in den USA inhaftierten russischen Waffenhändler Viktor But eingetauscht werden könnten.

Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, sagte am Mittwoch, man hoffe, dass Russland sich auf den Deal einlasse. Die Entscheidung für ein solches Angebot sei nicht leichtgefallen. Die US-Regierung habe den Vorschlag öffentlich gemacht, «damit die Welt weiss, wie ernst es den Vereinigten Staaten ist, unsere Bürger nach Hause zu holen».

Russland: Bisher keine Initiative von US-Seite

Das russische Aussenministerium teilte am Abend mit, es gebe kein offizielles Gesuch für ein solches Gespräch. Statt Diplomatie per «Megafon» zu betreiben, solle sich Washington an die diplomatische Praxis halten, hiess es aus Moskau.

Die in Russland inhaftierte US-Basketballerin Brittney Griner war am 17. Februar auf dem Moskauer Flughafen Scheremetjewo wegen eines Drogendelikts festgenommen worden. Bei der Kontrolle ihres Gepäcks im Februar soll sie sogenannte Vape-Kartuschen und eine geringe Menge Haschisch-Öl bei sich gehabt haben. Ein Gericht in der Nähe von Moskau verhandelt den Fall. Washington kritisiert, dass Griner zu Unrecht festgehalten werde. Sie selbst hatte zwar eingeräumt, Drogen im Gepäck gehabt zu haben. Allerdings habe sie auf ärztlichen Rat bloss medizinisches Marihuana als schmerzstillendes Mittel verwendet.

Paul Whelan, der mehrere Staatsbürgerschaften hat, war im Dezember 2018 in Russland verhaftet und der Spionage beschuldigt worden. Im Juni 2020 wurde er zu einer 16-jährigen Haftstrafe mit der Möglichkeit eines Aufenthalts in einem Arbeitslager verurteilt.

Das Verhältnis zwischen Moskau und Washington ist seit langem zerrüttet. Bei einem Gipfeltreffen in Genf Mitte Juni vorigen Jahres hatten US-Präsident Joe Biden und der russische Präsident Wladimir Putin nach Angaben des Kremls über einen möglichen Austausch von Gefangenen gesprochen. Im April tauschten die USA und Russland – nach Moskaus Einmarsch in die Ukraine – den russischen Staatsbürger Konstantin Jaroschenko gegen den US-Amerikaner Trevor Reed aus.

Getreideabkommen soll umgesetzt werden

Blinken kündigte an, mit Lawrow auch über die Einhaltung des neuen Abkommens zur geschützten Ausfuhr von Getreide aus der Ukraine zu sprechen. «Die Vereinbarung ist ein positiver Schritt nach vorn, allerdings gibt es einen Unterschied zwischen einer Vereinbarung auf dem Papier und einer Vereinbarung in der Praxis», sagte Blinken.

Am Freitag hatten die Kriegsgegner Ukraine und Russland mit den UN und der Türkei ein Abkommen unterzeichnet, um Getreideausfuhren von drei ukrainischen Häfen über das Schwarze Meer zu ermöglichen. Von der Vorjahresernte warten ukrainischen Angaben zufolge noch über 20 Millionen Tonnen Getreide auf den Export. Der Hafenbetrieb war nach der russischen Invasion Ende Februar aus Sicherheitsgründen eingestellt worden. Die Ukraine verminte zudem ihre Küste zum Schutz vor russischen Landungseinsätzen. Die Häfen haben die Arbeit inzwischen wieder aufgenommen.

Westliche Kreise sehen Fortschritte bei Kampf der Ukraine

Im Krieg gegen die Ukraine gehen die Opferzahlen auf russischer Seite nach Schätzungen aus den USA längst in die Zehntausende. «Wir wurden darüber informiert, dass mehr als 75 000 Russen entweder getötet oder verletzt wurden, was enorm ist», zitierte der Sender CNN Elissa Slotkin, eine demokratische Abgeordnete aus dem Repräsentantenhaus, die zuvor an einem geheimen Briefing der US-Regierung teilgenommen hatte.

Bei ihrer Gegenoffensive mache die Ukraine Fortschritte, hiess am Mittwoch aus westlichen Sicherheitskreisen. So hätten die Ukrainer in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch erneut eine Brücke über den Dnipro-Fluss getroffen, die für Moskau eine wichtige Nachschubroute darstelle. «Die Flusskreuzung ist nun vollständig unpassierbar», hiess es. Auf russischer Seite gebe es ernsthafte Probleme bei der Versorgung und der Moral der Streitkräfte. «Unserer Ansicht nach ist eine operative Pause unausweichlich», sagte ein hochrangiger westlicher Beamter.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte in seiner abendlichen Videoansprache am Mittwoch mit Blick auf die von ukrainischen Streitkräften bombardierte Brücke über dem Fluss Dnipro im südlichen Gebiet Cherson, dass nach der Rückeroberung alles wieder aufgebaut werde. «Wir werden unser ganzes Land mit militärischen, diplomatischen und allen anderen zugänglichen Instrumenten befreien.»

Ukraine will EU in Energiekrise mit Strom unterstützen

Mit Blick auf die Energiekrise in Europa bot Selenskyj der EU eine Unterstützung mit Strom aus seinem Land an. «Wir bereiten uns auf die Erhöhung unseres Stromexports für die Verbraucher in der Europäischen Union vor», sagte er. «Unser Export erlaubt es uns nicht nur, Devisen einzunehmen, sondern auch unseren Partnern, dem russischen Energiedruck zu widerstehen», meinte er mit Blick auf die von Russland deutlich reduzierten Gaslieferungen. «Schrittweise machen wir die Ukraine zu einem der Garanten der europäischen Energiesicherheit, eben über unsere inländische Elektroenergieproduktion.»

Russlands Energieriese Gazprom hatte die Gaslieferungen durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 wegen angeblicher technischer Probleme am Mittwoch erneut gesenkt - diesmal auf 20 Prozent des maximalen Umfangs.

Was am Donnerstag wichtig wird

Die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock bricht am Donnerstag zu einer dreitägigen Reise nach Griechenland und in die Türkei auf. Der Besuch der Grünen-Politikerin bei den beiden Nato-Partnern wird ganz im Zeichen des Ukraine-Kriegs und dessen Folgen stehen. Die Türkei unterhält gute Beziehungen sowohl zu Russland als auch zur Ukraine und versucht, zwischen den Konfliktparteien zu vermitteln.

Seit dem von Russland am 24. Februar begonnenen Angriffskrieg gegen die Ukraine hatten sich Vertreter beider Seiten mehrfach unter anderem in der Türkei zu Verhandlungen getroffen. Die Gespräche brachten bislang keine grossen Fortschritte - einen Erfolg konnte Ankara aber bei den Bemühungen im Konflikt um Getreideexporte verbuchen. (sda/dpa)

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