Es gab eine Zeit, da wehten die orangen Fahnen in gefühlt jeder Strasse – zumindest in den Schweizer Städten. Der Abstimmungskampf um die Konzernverantwortungsinitiative war so spannend wie hässlich und setzte neue Rekorde in Sachen Kampagnenbudgets. Mittendrin: Bundesrätin Karin-Keller Sutter, die später von der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats für ihre Kommunikation gerügt wurde.
Viel Drama bot auch der Abstimmungssonntag selber. Das Stimmvolk nahm die Initiative zwar mit 50,7 Prozent Ja-Anteil an, doch das Unterfangen scheiterte am Ständemehr – ein Kuriosum, das in der Geschichte des Schweizer Rechtsstaats bis dato nur zehn Mal vorgekommen ist.
Dass diese Angelegenheit nicht an jenem Sonntagabend Ende November 2020 enden würde, war schnell klar. Schon da dräuten schärfere Richtlinien zur Einhaltung von Umwelt- und Menschenrechten für grosse Firmen - und zwar seitens der EU.
Genau das versprachen auch die Gegner der Initiative: Man wolle ja nur einen Schweizer Alleingang verhindern, sich aber einem international abgestimmten Vorgehen nicht verschliessen. Stattdessen trat am 1. Januar 2022 ein vergleichsweise zahmer Gegenvorschlag in Kraft.
Jetzt rückt das Thema wieder auf die Agenda. Vergangene Woche haben die EU-Mitgliedsstaaten die Europäische Lieferkettenrichtlinie verabschiedet. Diese fordert im Grundsatz genau das, was auch die Konzernverantwortungsinitiative vorsah, wenn auch in leicht abgeschwächter Form. Das Ziel ist es, Kinder- oder Zwangsarbeit zu unterbinden, aber auch die Pariser Klimaziele zu erfüllen.
Die neuen Richtlinien sehen unter anderem vor, dass Firmen mit Sitz in der EU, mehr als 1000 Angestellten und einem Jahresumsatz von mehr als 450 Millionen Euro das Einhalten von Menschen- und Umweltrechten entlang ihren ganzen Lieferketten sicherstellen müssen.
Strafen sind happig: Bei Verstössen müssen die Unternehmen bis zu fünf Prozent ihres weltweiten Umsatzes berappen. Die EU-Staaten werden dazu Aufsichtsbehörden bilden, die den Unternehmen auf die Finger schauen sollen. Auch Schweizer Unternehmen, die im europäischen Binnenmarkt wirtschaften, sind per Drittstaatenregelung betroffen.
Just jetzt meldet sich ein neues Komitee zu Wort: Das Gremium «Appell für Konzernverantwortung im internationalen Gleichschritt» verlangt, dass die Schweiz nicht hinten ansteht, sondern seine Gesetzgebung den europäischen Regeln angleicht.
Rund 160 Politikerinnen und Politikerinnen haben den Appell bislang unterzeichnet. Dem Komitee gehören neben einigen bekannten Vertretern aus der SP, der GLP und den Grünen mehrheitlich Bürgerliche an. Aus der Mitte sind dies etwa die Nationalräte Lorenz Hess, Maya Bally oder Stefan Müller-Altermatt. Von der FDP sind die ehemaligen Ständeräte Raphaël Comte und Andreas Iten mit von der Partie, dazu die langjährige Nationalrätin Doris Fiala.
Sie, die 2020 ein Nein zur Initiative in die Urne gelegt hatte, sagt jetzt: «Wir teilen die Wertehaltung der EU. Und eine positive Wahrnehmung von Unternehmen hängt auch damit zusammen, welche Verantwortung sie übernehmen.» Entscheidend für ihren Meinungsumschwung sei, dass die EU nun eigene Richtlinien einführt. «Damit besteht kein Wettbewerbsnachteil mehr für die Schweiz.» Rund 80 Vertreter kleinerer und grösserer Unternehmen sehen das ebenso. Sie haben den Appell ebenfalls unterschrieben.
«Falls nicht zeitnah ein Gesetzgebungsprozess startet, droht die Schweiz schon in wenigen Jahren das einzige Land in Europa ohne Konzernverantwortung zu sein – mit allen Folgen, die das für die Reputation der Schweizer Wirtschaft mit sich bringt», heisst es im Argumentarium auf der neuen Website des Komitees. Bundesrat und Parlament sollen das Dossier Konzernverantwortung deshalb rasch aufgreifen.
Damit das geschieht, will die Koalition eine neue Konzernverantwortungsinitiative lancieren: «Die Initiative soll verhindern, dass ein neues Gesetz stark verzögert oder die Vorlage massiv verwässert wird, und dient so als Absicherung für die Zivilgesellschaft», schreiben die Verantwortlichen. Komme ein Gesetz entlang den Eckpunkten des Appells zustande, werde die Initiative zurückgezogen.
Seit Jahrzehnten profitiert die "wirtschaftliche" Schweiz von Diktatoren, Autokraten und Wirtschaftskriminellen.
Die Classe Politique verschliesst in solchen Fällen gerne die Augen.
Die Classe Politique und die Wirtschaft ist so "geldgeil", dass sie Freihandelsabkommen mit China feiert und Sanktionen gegen kriegsführende Diktaturen (z.B. Russland, etc.) unterläuft.
Und gerne Kriegsmaterial nach Saudi Arabien, Qatar, etc. verkauft.
Geld stinkt nicht und die SVP "schiesst" auf Kriegsflüchtlinge!
Die Schweiz hätte eine Vorreiterstellung übernehmen können, und jetzt gehören wir wieder zu den Schlusslichtern in Europa.
Es hängen übrigens immer noch viele Fahnen an Häusern und an Velos. Auch bei mir.
Darum Unterstütze ich Pfister bei seiner Kostenbremse Initiative. Unglaublich diese verlogene Scheinheiligkeit der Politik.