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Selenskyj geht auf Klitschko los – und droht ihm mit «Knockout»

Selenskyj geht auf Klitschko los – und droht ihm mit «Knockout»

Wieder schiesst Russland tödliche Raketen nach Kiew, in der Ukraine bricht daraufhin politischer Streit aus. Präsident Selenskyj droht Bürgermeister Klitschko mit einem «Knockout».
03.06.2023, 09:4303.06.2023, 17:06
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Ein Artikel von
t-online

Nach den jüngsten russischen Raketenangriffen hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die politischen Verantwortlichen in Kiew scharf kritisiert: «Als ob die Feinde in Russland nicht genug wären, beginnt man, nach inneren Feinden zu suchen. Lassen Sie es mich so sagen: Es kann zu einem Knockout kommen», so Selenskyj am Freitag vor Journalisten.

Wen Selenskyj damit meint, ist leicht zu erraten: den früheren Boxchampion und heutigen Bürgermeister Kiews, Vitali Klitschko. Nicht zum ersten Mal geht der Präsident den Bürgermeister der Hauptstadt offen an. Die Drohung mit einem «Knockout» ist allerdings bemerkenswert scharf.

Obwohl der Kreml für den ständigen Raketenterror gegen das Nachbarland verantwortlich ist, wurde nun auch Kritik an ukrainischen Behörden laut. Bei den Raketenangriffen auf Kiew am Donnerstag war auch eine 34-jährige Mutter und ihr neun Jahre altes Kind getötet worden, offenbar, weil sie vor einem verschlossenen Schutzbunker stand. In seiner abendlichen Videobotschaft am Freitag beklagte Selenskyj die andauernden Probleme mit den Schutzbunkern in der Hauptstadt.

Bürger beschwerten sich darüber, dass es zu wenige Bunker gebe und einige obendrein verschlossen seien, sagte Selenskyj. In einigen Stadtteilen gebe es keinerlei Notunterkünfte, der Zustand sei untragbar. «Dieses Ausmass an Nachlässigkeit in der Stadt kann nicht durch irgendwelche Rechtfertigungen gedeckt werden.» Der Präsident kündigte an, sich selbst ein Bild von der Lage zu machen. «Wir werden den Vorfall sorgfältig untersuchen.»

Kyiv Mayor Vitali Klitschko reacts standing in an apartment building damaged by a drone that was shot down during a Russian overnight strike, amid Russia's attack, in Kyiv, Ukraine, Monday, May 8 ...
Der Bürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko.Bild: keystone

Kiews Bürgermeister wehrte sich kurz darauf gegen die Vorwürfe und verwies auf die Militärverwaltung der Hauptstadt, die vom Präsidenten ernannt werde: «Hier geht es um geteilte und gerechte Verantwortung», so Vitali Klitschko zur «Bild». Er habe gegenüber den Bezirksleitern betont, dass er «Sabotage» nicht dulden werde.

«Die Bezirke der Hauptstadt sind keine separaten Fürstentümer, in denen Sie weisse Handschuhe tragen und Ihre Pflichten vernachlässigen können. Sie sind Vertreter der Behörden der Hauptstadt», so Klitschko.

Nicht zum ersten Mal zoffen sich Selenskyj und Klitschko öffentlich. Vergangenen Dezember attackierte der Präsident den Bürgermeister dafür, dass in der Hauptstadt nicht genug Notunterkünfte für Menschen ohne Strom und Heizung vorhanden waren. Politische Beobachter vermuten, dass Selenskyj einen möglichen Konkurrenten bei den nächsten Präsidentschaftswahlen beschädigen wolle.

«Es sieht so aus, als hätten sie [Selenskyjs Team] nur auf diese Gelegenheit gewartet», mutmasst der Chefredakteur des ukrainischen Nachrichtenportals «New Voice of Ukraine», Vitaly Sych. Es gebe Gerüchte über eine Rivalität zwischen Selenskyj und Klitschko, «der eine sehr beliebte Figur ist».

«Meiner Meinung nach ist jetzt nicht die Zeit für solche politisch motivierten Angriffe – während eines Krieges», so Sych.

Verwendete Quellen:

  • english.nv.ua: Zelenskyy's misguided response to Kyiv bomb shelter tragedy (englisch)
  • bild.de: Bunker-Zoff zwischen Selenskyj und Klitschko

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38 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Döner macht schöner
03.06.2023 10:28registriert Mai 2020
Wenn sich zwei streiten, dann freut sich der dritte. In so einer Zeit sollte man sich mit internen Machtkämpfen zurückhalten und gemeinsam die Missstände angehen.
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dmark
03.06.2023 11:46registriert Juli 2016
Es ist nicht die Zeit, um sich zu streiten. Genau das möchten die Russen ja mit ihrem Terror bezwecken.
Vielmehr sollte darauf geschaut werden, die Missstände zu beseitigen.
Für einen Streit ist nach einem Ende des Krieges dann immer noch genügend Zeit. Im Moment muss man zusammen funktionieren und die Politik aussen vor lassen.
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sowhat
03.06.2023 12:38registriert Dezember 2014
Gut, dass Selensky sich ärgert, wenn ausgerechnet in der Hauptstadt die Schutzräume schlampig gewartet werden und dass es zu weinge gibt, ist das wohl verständlich. Er hat weiss Gott genug mit den Russen zu tun.
Kjiw hatte genug Zeit diese Infrastruktur aufzubauen. Es war von Anfang an klar, dass die Hauptstadt noch ins Visier der Russen geraten würde.
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