International
UNO

Beschluss mit Makel: UNO fordert von Russland Rückgabe entführter Kinder

Children practice at a boxing school in an underground shelter in the frontline city of Kherson, southern Ukraine, on Nov. 2, 2025. (AP Photo/Efrem Lukatsky, File)
YE Global Best of 2025 Photo Gallery
Kinder trainieren in einer Boxschule in einem unterirdischen Schutzraum in der Frontstadt Cherson im Süden der Ukraine.Bild: keystone

UNO fordert von Russland Rückgabe entführter Kinder – der Beschluss hat aber einen Makel

Während die Vereinten Nationen gegen russische Kriegsverbrechen ein Zeichen setzen, kommen neue alarmierende Hinweise an die Öffentlichkeit.
04.12.2025, 21:3104.12.2025, 21:31
Bojan Stula / ch media

Für die EU-Aussenbeauftragte Kaja Kallas ist es ein «wegweisender Entscheid»: Die UNO-Generalversammlung hat am Mittwoch mit deutlicher Mehrheit eine Resolution verabschiedet, die Russland zur umgehenden und bedingungslosen Rückgabe aller verschleppten ukrainischen Kinder verpflichtet. 91 Staaten stimmten dafür, 12 dagegen – darunter Russland, Belarus, Iran und Kuba. 57 Länder enthielten sich, darunter China, Indien und Brasilien.

epa12562278 High Representative of the European Union for Foreign Affairs and Security Policy, Kaja Kallas, looks on during a press conference about the EU Defence Ministers Council in Brussels, Belgi ...
Für Kaja Kallasist ist es ein «wegweisender Entscheid.» Bild: keystone

Der Entscheid hat jedoch einen schweren Makel, wie folgende Übersicht zeigt.

Der Inhalt der verabschiedeten Resolution

Die am Mittwoch verabschiedete Resolution verlangt nicht nur die Rückführung der Kinder, die seit 2014 von Russland aus ukrainischen Gebieten entführt worden sind, sondern auch ein sofortiges Ende aller weiteren Deportationen, Familien­trennungen, Zwangsadoptionen und Umerziehungsprogramme. Der UNO-Generalsekretär wird von der Vollversammlung beauftragt, die Bemühungen der Organisation zu koordinieren, mit Moskau in Kontakt zu treten und internationalen Beobachtern Zugang zu verschleppten Kindern zu verschaffen.

Die Bedeutung

Wenngleich nur indirekt, ist die verabschiedete Resolution ein weiteres Signal der Staatengemeinschaft, dass die Aggression Russlands in der Ukraine mit all ihren brutalen Auswüchsen und Kriegsverbrechen nicht kommentarlos hingenommen wird.

Kreml-Machthaber Wladimir Putin will bestimmen, was in russichen Medien ausgespielt wird.
Gegen Wladimir Putin liegt ein Haftbefehl wegen Kindesentführung vor.Bild: imago images / mikhail metzel

Im Falle der russischen Kindesentführungen ist es nach dem Haftbefehl gegen Kreml-Herrscher Wladimir Putin und seine Kinderrechts-Beauftragte Marija Lwowa-Belowa durch den Internationalen Strafgerichtshof im März 2023 eine weitere öffentlichkeitswirksame Anklage. Die beiden Haftbefehle waren die erste internationale Massnahme gegen mutmassliche russische Kriegsverbrechen in der Ukraine. Zugleich wird seither erstmals ein Staatschef eines ständigen Mitglieds des UNO-Sicherheitsrates auf diese Weise gesucht.

Die Kehrseite der Medaille

Wie die UNO-Resolution gegen den Willen Russlands wirksam durchgesetzt werden kann, bleibt wie immer bei solchen Beschlüssen ein unlösbares Problem. Ausser «weichen» Methoden wie Appellen und Verhandlungsversuchen stehen UNO-Generalsekretär Antonio Guterres keine echten Druckmittel zur Verfügung. Der Erfolg der Rückführungsarbeit wird deshalb auch weiterhin weitgehend von der Hartnäckigkeit von Hilfsorganisationen wie dem Roten Kreuz abhängen.

Die meisten Staaten haben an der Uno-Generalversammlung den Uno-Migrationspakt angenommen. Die Schweiz enthielt sich der Stimme, weil das Parlament entscheiden will. Künftig will der Bundesrat das Par ...
91 Staaten haben an der Uno-Generalversammlung Ja gestimmt.Bild: AP

Noch erschreckender ist jedoch die Länderbilanz bei der Abstimmung. Zwar stimmte die nominelle Mehrheit dafür, die 91 Ja-Stimmen stellen aber nicht einmal die Hälfte aller UNO-Mitglieder dar. Die Liste der 69 Länder, die die Resolution nicht unterstützten, verdeutlicht die Isolation der westlichen Ukraine-Unterstützer. Mit Indien, China, Indonesien, Pakistan, Nigeria, Brasilien, Bangladesch und Äthiopien haben sich acht der zehn bevölkerungsreichsten Länder der Welt direkt oder mittels Enthaltung auf die Seite von Aggressor Russland gestellt. Aus den Top Ten stimmten einzig die USA, bevölkerungsmässig das drittgrösste Land, für die Resolution.

Militärexperten wie der österreichische Oberst Markus Reisner betonen schon lange: Russland führt den Krieg gegen die Ukraine nicht alleine, sondern erfährt grosse Unterstützung, beispielsweise durch Nordkorea. Der frühere ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, nennt die UNO-Abstimmung einen «Warnschuss für Europa»: «Der Globale Süden pfeift auf unsere Anliegen.» Deshalb wäre es an der Zeit, Europas Interessen «mit Härte durchzusetzen».

Neue Dimension: Kinder bis nach Nordkorea verschleppt

Neue Vorwürfe verschärfen das Bild russischer Praktiken zusätzlich: Vor einem Unterausschuss des US-Senats berichtete die ukrainische Juristin Kateryna Rashevska, dass ukrainische Minderjährige bis nach Nordkorea verbracht worden seien. Konkret nannte sie zwei Fälle: den zwölfjährigen Misha aus der besetzten Region Donezk und die 16-jährige Liza aus Simferopol. Beide seien in ein Lager im nordkoreanischen Songdowon gebracht worden – 9000 Kilometer von ihrer Heimat entfernt.

epa12342902 Ukrainian children climb the stairs of a newly built underground school on the first day of the new school year in Kharkiv, Ukraine, 01 September 2025, amid the Russian invasion. In 2025,  ...
«Seit Beginn des russischen Angriffskriegs im Februar 2022 mindestens 19'546 Kinder aus besetzten Gebieten verschleppt worden.»Bild: keystone

Dort werden Kinder laut Rashevska militärisch ideologisiert, etwa mit dem Ziel, «japanische Militaristen zu vernichten».

Ausmass der Kindesentführungen

Nach Angaben der ukrainischen Behörden sind seit Beginn des russischen Angriffskriegs im Februar 2022 mindestens 19'546 Kinder aus besetzten Gebieten verschleppt worden. Viele seien in russischen Familien adoptiert worden, andere in sogenannte Re-Identifizierungs- oder Umerziehungslager gebracht worden. Die ukrainische Menschenrechtsorganisation, Regional Center for Human Rights, dokumentierte 165 solcher Einrichtungen – nicht nur in Russland und Belarus, sondern auch in Nordkorea.

Laut dem Yale Humanitarian Research Lab befinden sich derzeit mindestens 35'000 ukrainische Kinder weiterhin in russischer Obhut. Einige würden demnach sogar zwangsrekrutiert und an die Front geschickt. Ukrainische Regierungsstellen halten diese Zahlen für stark untertrieben: Ombudsmann Dmytro Lubinets spricht von bis zu 150'000, Präsidentenbeauftragte Darija Herasymtschuk sogar von bis zu 300'000 verschleppten Minderjährigen.

Insgesamt leben gemäss Recherchen des Online-Portals «Kyiv Independent» rund 1,6 Millionen ukrainische Kinder nach wie vor in von Russland kontrollierten Gebieten. Trotz internationalen Drucks gestaltet sich die Rückholung schwierig. Laut Präsident Wolodimir Selenski konnten bislang lediglich 1859 Kinder zurückgebracht werden. (aargauerzeitung.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Du hast uns was zu sagen?
Hast du einen relevanten Input oder hast du einen Fehler entdeckt? Du kannst uns dein Anliegen gerne via Formular übermitteln.
11 Kommentare
Dein Kommentar
YouTube Link
0 / 600
Hier gehts zu den Kommentarregeln.
11
«Respektvoll»: Maduro spricht über Trump-Telefonat
Venezuelas Präsident Nicolás Maduro hat sich erstmals zu dem jüngsten Telefonat mit US-Präsident Donald Trump geäussert und es dabei als «respektvoll» und «herzlich» beschrieben.
«Ich habe einen Anruf erhalten und mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten, Donald Trump, gesprochen», sagte Maduro in einer im Staatsfernsehen übertragenen Ansprache.
Zur Story