Der Vorwurf ist massiv: US-Präsident Donald Trump versuche, die Wahl zu sabotieren, sagte der Generalstaatsanwalt des Bundesstaates Connecticut, der Demokrat William Tong. Trump versuche absichtlich, der Post das Geld zu entziehen, um Demokraten am Wählen zu hindern, führte Tong aus. Auch Trumps Vorgänger Barack Obama benutzte drastische Worte: Trump wolle der Post «die Kniescheiben zertrümmern», sagte er.
Drei Monate vor den Präsidentschaftswahlen wird die amerikanische Post (USPS) immer mehr zum Thema. Die Demokraten wollen der von der Corona-Pandemie gebeutelten Post zusätzliche finanzielle Mittel zukommen lassen. Es wird allgemein damit gerechnet, dass aufgrund der Pandemie mehr Amerikaner als früher per Brief an den Wahlen teilnehmen werden. Dies könnte tendenziell den Demokraten nützen, deren Wähler diese Möglichkeit traditionell eher in Anspruch nehmen.
Seit Juni leitet Louis DeJoy, ein wichtiger Spender für Trump und die Republikaner, die Post und hat Sparmassnahmen wie den Abbau von Sortiermaschinen und Briefkästen eingeführt. Heute Dienstag teilte DeJoy jedoch mit, Kürzungen würden vor der Präsidentschaftswahl ausgesetzt. «Um auch nur den Anschein einer Auswirkung auf die Wahlpost zu vermeiden, setze ich diese Initiativen bis nach der Wahl aus», sagte der Post-Chef. Er sicherte zudem eine pünktliche Zustellung von Wahlunterlagen zu – «innerhalb unserer gut etablierten Servicestandards».
Von Oktober an würden zusätzliche Ressourcen in Bereitschaft gehalten, um «unvorhergesehener Nachfrage» gerecht werden zu können, erklärte DeJoy. Die Öffnungszeiten von Postämtern würden nicht geändert. Sortiermaschinen und Briefkästen würden nicht abgebaut. Überstunden würden wo nötig genehmigt. Die pünktliche Zustellung von Wahlunterlagen geniesse bis zum Wahltag höchste Priorität.
Noch am Donnerstag hatte Trump den Argwohn der Demokraten bestätigt, als er offen davon sprach, der Post die Mittel vorzuenthalten, die sie für die fristgerechte Beförderung der Briefwahlzettel verlangt. Trump hat mehrfach erklärt, das Fälschungsrisiko bei einer Briefwahl sei sehr hoch. Er blieb aber jeweils Belege für diese Behauptung schuldig.
Dies ist die Äusserung des Präsidenten, die er am Donnerstag in einem Interview mit dem TV-Sender «Fox Business» im Zusammenhang mit der Finanzierung der Post machte und die zu den Vorwürfen führte, er versuche die Wahl zu sabotieren:
Trumps Aussage wurde zuweilen verkürzt wiedergegeben. Sie fiel im Kontext der Debatte zwischen den Demokraten und den Republikanern über das Hilfspaket zur Stärkung der Infrastruktur in den USA. Die demokratische Mehrheit des Repräsentantenhauses möchte insgesamt drei Billionen Dollar aufwenden, die republikanische Mehrheit des Senats dagegen nur eine Billion; beide Seiten konnten sich bisher nicht einigen. Trumps Ausführungen fielen als Antwort auf die Frage, was die Einigung verhindere. Laut Trump fordern die Demokraten 25 Milliarden Dollar für die Post, davon 3,5 Milliarden für die Gewährleistung der Briefwahl. Sollten sich die Demokraten beim Hilfspaket nicht mit den Republikanern einigen, gebe es halt kein Geld für die Post.
Trump machte im Interwiew zwar keinen Hehl aus seiner Abneigung gegen die Briefwahl (die er übrigens selber nutzt), sagte jedoch nicht explizit, dass er das Geld für die Post blockieren werde. Er drohte dies aber als Konsequenz an für den Fall, dass es nicht zu einer Einigung komme. Einige Stunden nach dem Interview wurde er an einer Medienkonferenz gefragt, ob er gegen jedes Gesetz, das eine Finanzierung der Post vorsehe, das Veto einlegen werde. Dies verneinte Trump kategorisch, nutzte aber zugleich die Gelegenheit, erneut gegen die Briefwahl zu polemisieren.
Seine umstrittene Aussage dürfte mithin eher als eine Art Verhandlungsangebot zu verstehen sein, das freilich den Charakter einer Erpressung trägt. Versuchsweise sollen sich die Verhandlungsführer der Demokraten und Republikaner laut einem Artikel des Magazins «Politico» für den Fall einer Einigung auf 10 Milliarden Dollar für die Post verständigt haben. Zu dieser Einigung kam es indes nicht.
Trumps Behauptung, die Post sei nicht in der Lage, ohne zusätzliche Mittel die Briefwahl ordnungsgemäss durchzuführen, deckt sich mit seinen wiederholten Äusserungen in der Vergangenheit, bei denen er kein gutes Haar an der Briefwahl liess. Sie steht jedoch im Widerspruch mit mehreren Versicherungen der US-Post, Finanzprobleme würden die Briefwahl bei den Präsidentschaftswahlen 2020 nicht gefährden. Post-Sprecher David Partenheimer beteuerte noch Ende Juni laut Factcheck.org, die «derzeitige finanzielle Situation» werde die Fähigkeit der Post nicht beeinträchtigen, die Stimmzettel zuzustellen.
Auch Post-Chef DeJoy bekräftigte dies noch am 7. August, also nachdem er bereits Spar- und Abbaumassnahmen eingeleitet hatte: «Auch wenn es aufgrund der Pandemie wahrscheinlich zu einem beispiellosen Anstieg des Wahlpostvolumens kommen wird», sagte er, «verfügt der Postdienst über ausreichende Kapazitäten, um alle Wahlpostsachen gemäss unseren Zustellungsstandards sicher und pünktlich zuzustellen, und dies werden wir tun.»
Nur eine Woche später machte jedoch die «Washington Post» publik, dass die Post bereits Ende Juli Briefe an 46 Bundesstaaten und den District of Columbia geschickt hatte, in denen sie warnte, sie könne nicht garantieren, dass alle Stimmzettel rechtzeitig zur Auszählung ankommen werden. In diesen Briefen gibt die Post allerdings auch die erwarteten Lieferzeiten bekannt und ersucht die Bundesstaaten, ihre Fristen für die Briefwahl daran anzupassen.
Die Widersprüche und die daraus entstandene Verwirrung könnten einmal mehr Trump zum Vorteil gereichen, da potenzielle Briefwähler sich möglicherweise davon abgeschreckt fühlen. (dhr)