Diktatoren sind nicht kreativ. Seit jeher benützen sie stets die gleiche Methode: Wer ihnen nicht bedingungslos folgt, ist ein Feind des Volkes und muss um jeden Preis unterdrückt werden.
Möchtegern-Diktator Donald Trump ist keine Ausnahme. Seit Monaten signalisieren ihm die Meinungsumfragen, dass er die Wahl verlieren wird. Daher schreckt er vor keinem Trick zurück, um am Schluss doch noch als Sieger dazustehen.
Rund 180 Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner können am 3. November brieflich abstimmen. Die «New York Times» schätzt, dass wegen der Coronakrise rund 75 Prozent von ihnen es auch tun werden.
Seit Monaten polemisiert Trump gegen das sogenannte «mail-in voting». Dass er dabei selbst brieflich abstimmt, versucht er mit einer nicht vorhandenen Unterscheidung zu einem fiktiven «absentee voting» zu rechtfertigen. Die Briefwahl werde zu massiven Wahlverfälschungen führen, behauptet Trump – selbstverständlich ohne einen Hauch von Beweisen.
Er schwafelt von Stimmzetteln, die im Bundesstaat Virginia angeblich an Tote, Hunde und Katzen verschickt worden seien, obwohl die zuständigen Behörden das explizit dementieren. Er warnt vor Russen und Chinesen, die angeblich mit gefälschten Wahlzetteln versuchen würden, die Wahl zu manipulieren. Das ist ziemlich dick aufgetragen, denkt man an Putins Unterstützung seiner Wahl vor vier Jahren. Dass Trump bei seinen Lügen von seinem Justizminister William Barr unterstützt wird, überrascht mittlerweile keinen mehr.
Der Präsident ist überzeugt, dass die Briefwahl den Demokraten nützen wird. Sie verhindert, dass Menschen stundenlang vor Wahllokalen ausharren müssen, bis sie ihre Stimme abgeben können. Vor allem die Ärmeren können sich dies kaum leisten, und diese stimmen in der Regel demokratisch. Deshalb ist es kein Wunder, dass Trump mit aller Macht versucht, die Briefwahl zu diffamieren und zu beschädigen.
Trump polemisiert nicht nur gegen die Briefwahl, er greift auch die Instanz, die dafür zuständig ist, frontal an: die amerikanische Post U.S. Postal Service (USPS). Er hat kürzlich einen ihm wohlgesinnten neuen CEO eingesetzt, einen Milliardär und grosszügigen Wahlkampf-Spender namens Louis DeJoy.
Dieser hat umgehend gehandelt, hat erfahrene USPS-Manager gefeuert oder versetzt. Er hat Überstunden verboten und Sortiermaschinen abwracken lassen. Er will gar Wahlsendungen von «premium» auf Massensendungen degradieren lassen (vergleichbar mit unserer A- und B-Post). Damit können nicht ausgelieferte Wahleinsendungen im Extremfall weggeworfen werden.
DeJoy rechtfertigt diese Massnahmen treuherzig mit seiner Pflicht, Kosten einsparen zu müssen. Tatsächlich ist die amerikanische Post defizitär. Wie alle Postunternehmen dieser Welt leidet sie unter der im digitalen Zeitalter rückläufigen Briefpost. Die Coronakrise hat auch das lukrative Werbeversandgeschäft einbrechen lassen. Zudem ist die USPS mit einer unsinnigen Pensionskassen-Vorschrift belastet. Sie muss Rückstellungen für Mitarbeiter machen, die sie noch nicht einmal eingestellt hat.
Trump selbst bemüht keine Ausreden. Er verweigert einen von den Demokraten geforderten Hilfskredit für die Post. In einem Fox-News-Interview erklärt er offenherzig seine Gründe: «Sie brauchen dieses Geld, damit die Post funktioniert. So können sie die Millionen von Stimmen abwickeln. Wenn sie das Geld nicht erhalten, dann wird es auch kein universelles Mail-in-Voting geben, weil sie die Mittel dazu nicht haben.»
Mit seiner Kastration der Post könnte Trump allerdings ein Eigengoal schiessen. Die USPS ist in der Bevölkerung sehr beliebt, auch bei den Trump-Wählern. Vor allem auf dem Land sind die Menschen auf Gedeih und Verderb auf die USPS angewiesen. Dank ihr erhalten sie nicht nur Briefe von ihren Verwandten, sondern auch dringend benötigte Medikamente.
In besonders hohem Masse trifft dies auf ältere Menschen zu, die tendenziell republikanisch wählen. Deshalb regt sich selbst in den Reihen der Grand Old Party (GOP) Opposition gegen Trumps rabiates Vorgehen gegen die USPS. So erklärt etwa Susan Collins, Senatorin aus dem Bundesstaat Maine: «Ich bin völlig anderer Meinung als der Präsident. Der Service der Post ist absolut existenziell, speziell in einem ländlichen Staat wie unserem.»
Collins ist allerdings bekannt als notorische Windfahne und steht vor einer schwierigen Wiederwahl.
Die Demokraten setzen derweil alle Hebel in Bewegung. In beiden Kammern des Kongresses sind Petitionen für die Post eingereicht worden. Nancy Pelosi, die demokratische Mehrheitsführerin im Abgeordnetenhaus, hat einen Hilfskredit für die USPS in das Corona-Hilfspaket integriert. «Wir jammern nicht, wir handeln», sagt Pelosi. (Im Original tönt es schöner: «We do not agonize, we organize.»)
Trump seinerseits setzt weiter auf seine schmutzigen Tricks. So hat er die sogenannte Birther-Lüge wiederbelebt. Einst wollte er mit der dreisten Behauptung, Barack Obama sei nicht in den USA geboren worden, dessen Legitimation als Präsident in Frage stellen. Nun versucht er das Gleiche mit Kamala Harris. Ausser seinen Hardcore-Fans wird jedoch kaum jemand auf diese plumpe Lüge hereinfallen.
Trotzdem sollte man Trump und seine willfährigen Helfer in der GOP nicht unterschätzen. Im Vorwort zu seinem bald erscheinenden Buch warnt Michael Cohen, Trumps ehemaliger Fixer: «In diesen Tagen bedrohen Trump und seine republikanischen Helfer unsere Verfassung – und die Gefahr ist weit grösser, als allgemein angenommen wird.»
Dank Erdogan und Trump kann man das jetzt live beobachten :-(
Dass Trump das dann auch noch offen zugibt, schlägt dem Fass den Boden raus.