Bis zu seiner Vereidigung am 20. Januar muss der designierte US-Präsident Joe Biden noch eine Hürde nehmen. Am kommenden Mittwoch muss der Kongress seinen Sieg im Electoral College vom 14. Dezember offiziell bestätigen. Im Normalfall ist dies eine reine Formalität, doch in Zeiten von Donald Trump ist in den USA bekanntlich nichts normal.
Der abgewählte Präsident weigert sich standhaft, seine Niederlage gegen den Demokraten Biden einzugestehen. Nach wie vor schwadroniert er auf Twitter über den angeblichen Wahlbetrug, für den er und seine Spiessgesellen nicht den geringsten Beweis erbringen konnten. Nun hofft er, dass der Kongress ihn an der Macht halten wird.
In der Regel ist die Zertifizierung der Präsidentschaftswahl im Kongress ein zeremonieller Akt. Die Parlamentarier können jedoch das Ergebnis in einzelnen Bundesstaaten anfechten und eine Debatte samt Abstimmung erzwingen. Laut dem Wahlgesetz von 1887 braucht es dafür mindestens ein Mitglied aus beiden Kammern.
Im Repräsentantenhaus sind mehrere Republikaner dazu bereit, doch bislang fehlte ihnen die nötige Unterstützung aus dem Senat. Am Mittwoch jedoch hat Senator Josh Hawley aus Missouri angekündigt, er werde Einspruch gegen das Resultat einlegen, weil es in mehreren Bundesstaaten, «besonders in Pennsylvania», zu Unregelmässigkeiten gekommen sei.
Hawley beruft sich auf das Jahr 2005. Damals hatten die demokratische Abgeordnete Stephanie Tubbs Jones aus Ohio und die kalifornische Senatorin Barbara Boxer das Ergebnis im Bundesstaat Ohio angefochten. Er gab damals nach einem stundenlangen Auszähl-Marathon den Ausschlag für die Wiederwahl von Präsident George W. Bush.
Den beiden Demokratinnen ging es jedoch nicht darum, Bushs Sieg gegen ihren Parteikollegen John Kerry anzuzweifeln. Sie protestierten gegen angebliche Ungereimtheiten in Ohio. So seien im Vorfeld der Präsidentschaftswahl zahlreiche Wahlberechtigte aus den Registern gelöscht worden. Der Einspruch wurde in beiden Kammern deutlich abgelehnt.
Ehrgeiz. Der 41-jährige Josh Hawley (er hat an Silvester Geburtstag) sitzt erst seit 2018 im Senat, nachdem er die Demokratin Claire McCaskill in Missouri besiegt hatte. Dennoch schielt er bereits auf das Weisse Haus. Er dürfte 2024 kandidieren, falls Donald Trump nicht noch einmal antritt. Deshalb biedert er sich bei dessen Fangemeinde an.
Wie andere Republikaner hat sich der telegene Hawley unter dem Einfluss des Trumpismus vom Neoliberalen zum wirtschaftlichen Populisten gewandelt. Er attackiert die grossen Tech-Konzerne und unterstützt Trumps Forderung, die Corona-Hilfe auf 2000 Dollar pro Person aufzustocken. Und er wettert gegen die Eliteunis, an denen er selber studiert hat. In seinem Fall waren es Stanford und Yale.
Gleich Null. Für einen erfolgreichen Einspruch gegen das Wahlergebnis ist die Zustimmung beider Kammern im Kongress notwendig. Das ist wegen der Mehrheit der Demokraten im Abgeordnetenhaus aussichtslos. Selbst im Senat ist ein Nein absehbar. Mehrere Republikaner erklärten gegenüber Politico, sie würden Hawleys Manöver nicht unterstützen.
Dennoch ist die Parteiführung beunruhigt. Mitch McConnell, der republikanische Mehrheitsführer im Senat, soll die Mitglieder seiner Fraktion aufgefordert haben, sich nicht an diesem «Zirkus» zu beteiligen. Er fürchtet einen Imageschaden für die Partei, doch Josh Hawleys Sololauf macht ihm einen Strich durch die Rechnung.
Republicans in the Senate so quickly forget. Right now they would be down 8 seats without my backing them in the last Election. RINO John Thune, “Mitch’s boy”, should just let it play out. South Dakota doesn’t like weakness. He will be primaried in 2022, political career over!!!
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) December 23, 2020
Mehrere republikanische Senatoren treten 2022 zur Wiederwahl an. Stimmen sie für Bidens Wahlsieg, könnten sie intern von Trumpisten herausgefordert werden. Zu ihnen gehört etwa John Thune aus South Dakota, die Nummer Zwei der Fraktion. Nachdem er sich gegen eine Anfechtung ausgesprochen hatte, rief Donald Trump auf Twitter zu seiner Abwahl auf.
Die grösste Gefahr aber besteht einmal mehr für die amerikanische Demokratie. Die Debatte im Kongress, so absurd sie auch sein mag, wird viele Trump-Anhänger in ihrer Ansicht bestätigen, dass Joe Biden trotz seines einwandfreien Wahlsiegs kein rechtmässiger Präsident ist. Es ist der perfekte Nährboden für einen Trump 2.0 wie Josh Hawley.
FrancoL
Ein Grund mehr hier bei uns in Europa diese giftige Saat möglichst nicht spriessen zu lassen und wo sie trotzdem spriesst sie entschieden zu bekämpfen.
Wehret dennAnfängen.
Barth Simpson
pierolefou
Danke und ein gutes, neues Jahr.