Es gab einen Moment bei ihrem Wahlkampfauftakt in Iowa, da sass Hillary Clinton mit Studenten zusammen und liess sich deren Lebensläufe erzählen. Es waren junge Leute, in ihrem Leben war noch nicht allzu viel geschehen. Im Morgen würden sie mehr erleben als im Gestern.
Dann kam Clinton dran. Die 67-Jährige hatte eine ganze Menge zu erzählen.
Wie sie sich damals, als First Lady, für eine Gesundheitsreform eingesetzt hat. Oder dann die Zeit im Senat. Oder später im Aussenministerium. Und und und.
Ganz zwangsläufig handeln Clintons Auftritte als Bewerberin im Kampf um die Zukunft von der Vergangenheit. Gleichzeitig will sich, muss sich Clinton gewissermassen «neu erfinden», um es diesmal tatsächlich bis ins Weisse Haus zu schaffen. Das sagen auch ihre Leute.
So ist diesmal alles auf die Inszenierung eines möglichst demütigen Auftritts ausgerichtet. Statt mit Helikopter und Flugzeug reist sie nun - zumindest zu Beginn - im schwarzen Kleinbus, chauffiert vom Secret Service. Statt grosser Kundgebungen gibt es Begegnungen im kleineren Kreis.
Doch es gibt noch eine andere Schwierigkeit zu meistern, die mit der Vergangenheit zu tun hat. Sie ist mehr inhaltlich als stilistisch. Und bei allem, was für einen Sieg Clintons spricht (lesen Sie hier fünf Gründe), ist dies wohl ihre grösste Herausforderung: Wie umgehen mit Barack Obama? Wie umgehen mit einem amtierenden Präsidenten, den man im Wahlkampf nicht direkt angreifen kann - weil er zur eigenen Partei gehört und weil man vier Jahre Mitglied seiner Regierung war?
Längst bemühen sich die Republikaner, eine mögliche Präsidentschaft Clintons als dritte Amtszeit Obamas darzustellen. Sie setzen darauf, dass die Mehrheit der US-Bürger nach acht Jahren genug hat vom Mann im Weissen Haus. Die Historie scheint ihr Verbündeter, ist es doch in den letzten 50 Jahren nur einmal vorgekommen, dass eine Partei das Weisse Haus drei Amtszeiten hintereinander halten konnte: Allein George H.W. Bush gelang dieses politische Kunststück im Wahlkampf 1988.
Kein Zufall, dass sich der republikanische Präsidentschaftsbewerber Marco Rubio in seiner Antrittsrede am Montag auf Clinton einschoss, die der 43-Jährige, eine «Anführerin aus dem Gestern» nannte: «Gestern ist vorbei!»
Eine NBC-Umfrage aus dem März illustriert Clintons Problem: Demnach wünschen sich 59 Prozent der US-Wähler einen Kandidaten, der für «grösseren Wandel» steht; während sich 38 Prozent für einen eher erfahrenen Kandidaten aussprechen. Der Wandel-Wert ist, das ist überraschend, höher als im Jahr 2008, als Obama mit dem «Change»-Versprechen seinem älteren, gesetzteren Gegenkandidaten John McCain keine Chance liess.
Wie also reagiert Clinton?
Sie wird sich nicht extra von Obama distanzieren, weil das ohnehin nichts bringt. Ihr Schicksal werde so oder so an Obamas gebunden sein, schreiben die Statistikexperten vom US-Datenblog «FiveThirtyEight»: «Die Zustimmungswerte von Kandidaten und Präsidenten aus derselben Partei unterscheiden sich kaum je um mehr als ein paar Prozentpunkte.» Und Obama, soviel ist klar, steht heute weitaus besser da als Vorgänger Bush gegen Ende seiner Amtszeit. Zudem befindet sich die Wirtschaft im Aufschwung.
Da wird Clinton ansetzen, das haben ihre ersten Auftritte in Iowa bereits gezeigt. Diese Themen hat sie für sich als «grosse Kämpfe» identifiziert:
Es sind dies drei Bereiche, in denen sie Obamas Arbeit fortsetzen, anpassen, weiterentwickeln kann. Etwa so:
Zumindest bei den ersten beiden Punkten wird Clinton allerdings erneut ihrer eigenen Vergangenheit begegnen: Ist sie, die Millionärin mit den Wall-Street-Kontakten, noch glaubwürdig fürs Kleine-Leute-Amerika? Hat sie als Spendensammlerin in all den Jahren nicht selbst riesige Summen eingenommen? Und strebt sie nicht für ihren Wahlkampf die Rekordsumme von 2.5 Milliarden Dollar an?
Es wird noch viel zu erklären geben für Hillary Clinton.
Zusammengefasst: Die Republikaner versuchen, eine mögliche Präsidentschaft Hillary Clintons als dritte Amtszeit Obamas darzustellen. Sie setzen dabei auf den traditionell in der US-Bevölkerung stark ausgeprägten Wunsch nach Wandel. Clinton reagiert nicht mit Distanzierung von Obama, sondern mit einer Fortentwicklung seiner Agenda.