Man könnte meinen, der Mann sei einem Hollywood-Streifen entsprungen: Mark Kelly, Senator aus Arizona, ist Ex-Astronaut, Armeepilot mit Einsatzerfahrung im Golfkrieg, Hauptmann der amerikanischen Marinetruppen und noch Vieles mehr. Der 60-Jährige sammelt Auszeichnungen und hohe Ämter, als wären es Cumulus-Punkte.
Dazu ist er gläubiger Christ und mit einer langjährigen ehemaligen Kongressabgeordneten verheiratet. Seine Frau Gabby Giffords ist zudem Trägerin der amerikanischen Freiheitsmedaille, der höchsten zivilen Auszeichnung der USA.
Weil er neben all diesen Trümpfen auch noch aus dem richtigen Bundesstaat kommt - einem Wechselwählerstaat, den die Demokraten gewinnen wollen - und das passende Geschlecht hat, wird er immer öfters als idealer Vizepräsidentschaftskandidat für die Demokratin Kamala Harris genannt. Besonders, seitdem sich mit Roy Cooper der andere aussichtsreiche Kandidat zurückgezogen hat.
Dabei ist Kellys wichtigstes Verkaufsargument in der obigen Aufzählung noch gar nicht erwähnt. Er hat nämlich eine gute Geschichte zu erzählen, was in den USA als Land der Tellerwäscher-Millionäre und unbegrenzten Möglichkeiten Gold Wert ist - besonders in der Politik. Denn Mark Kelly ist erst seit sechs Jahren Mitglied bei den Demokraten, vorher war er der Öffentlichkeit nur als Astronaut und berühmter Armeeangehöriger bekannt. Erst ein Schicksalsschlag führte ihn in die Politik.
Kellys politische Ambitionen starteten 2011, als er sich auf seine nächste Nasa-Mission vorbereitete und er plötzlich die Nachricht erhielt, seine Frau Gabby Giffords sei bei einem Attentat ermordet worden. Die Kongressabgeordnete war wegen ihrer Unterstützung für Obamas Krankenkassenreform schon lange bedroht worden, bei einem Wahlkampfauftritt ohne Sicherheitsteam schoss ihr dann tatsächlich ein psychisch kranker Gewalttäter eine Kugel in den Kopf.
Der am Boden zerstörte Kelly machte sich daraufhin sofort auf den Weg nach Tucson, wo das Attentat stattgefunden hatte. Bei der Landung seines Flugzeugs stellte sich jedoch heraus, dass das Ganze eine Falschmeldung war und dass Gifford schwer verletzt überlebt hatte. Dieser Vorfall warf das Leben der ganzen Familie durcheinander.
Wenige Monate nach diesem Ereignis trat Kelly von seinen Marine- und Nasa-Engagements zurück und gab bekannt, dass er von nun an mehr Zeit mit seiner Frau und den beiden Töchtern verbringen wolle. Seine Frau Gabby tat ein halbes Jahr später das Gleiche und zog sich wegen des Attentats nach fünf Jahren im Kongress zurück.
Die beiden schrieben zusammen ein sehr persönliches Buch, in dem sie das Erlebte verarbeiteten. Kurz darauf gründeten sie 2013 ein politisches Aktionskomitee gegen Waffengewalt. Das war der Startschuss für Kellys Politkarriere.
Schon damals zeigte sich das politische Geschick von Kelly, als er sein Aktionskomitee so positionierte, dass es sich zwar energisch für strengere Waffengesetze einsetzt, dies jedoch ohne das Recht der Amerikaner auf Waffenbesitz grundsätzlich in Frage zu stellen. So vermied er zu heftige Angriffe auf seine Person durch die Waffenlobby.
In den Folgejahren intensivierte die Familie Kelly ihren Kampf gegen Waffengewalt und erreichte bei diesem Thema nationale Bekanntheit. Während dieser Zeit äusserte Mark Kelly sich kaum zu anderen politischen Themen und machte sich dadurch bei keiner Wählergruppe, was ihm nun hilft.
Er war ja auch nicht Politiker, sondern Astronaut und ein Armeeveteran, der sich aufgrund eines Schicksalsschlags zu einem einzigen politischen Thema engagierte. Parteipolitisch bezeichnete er sich bis 2018 als unabhängig. Durchaus erstaunlich für einen Ehemann einer ranghohen Demokraten-Politikerin.
Erst 2018 trat Mark Kelly dann den Demokraten bei. Auch dies als Reaktion auf ein tragisches Ereignis. Der Amtsinhaber des Senatssitzes von Arizona, der Kriegsheld und republikanische Armeeveteran John McCain, starb nämlich im Amt an einem Hirntumor.
Seine vom Gouverneur ernannte Nachfolgerin war eine republikanische Hardlinerin, die Kelly mit seiner überraschenden Kandidatur vom Thron stossen wollte. In einem Swing-State, wo die Wähler mal so, mal so stimmen und wo die Republikaner seit 58 Jahren mindestens einen Senatssitz hielten, war das keine einfache Aufgabe.
Doch Kelly schlug die Amtsinhaberin Martha MacSally sensationell. Mit einem Ergebnis von 51.1 % zwar erdenklich knapp. Das war aber genug, um nationale Schockwellen auszulösen über die Tatsache, dass der Südstaat Arizona nun zum ersten Mal seit über einem halben Jahrhundert von zwei Demokraten im Senat vertreten wird.
Seine Wiederwahl schaffte Kelly dann zwei Jahre später gegen die vereinigte Übermacht der republikanischen Partei. Weil sein Bundesstaat politisch so umkämpft ist, investierte unter anderem der republikanische Milliardär Peter Thiel Millionen in den Wahlkampf von Kellys Gegner. Doch der Demokrat behauptete sich gegen alle Widerstände.
Seitdem hat Kelly im Kongress immer wieder mit moderaten Positionen auf sich aufmerksam gemacht. Er geniesst Sympathien bei republikanischen Gegnern, und gilt im politischen Washington als etwas ganz Seltenes, nämlich als integrer Mann. Im Kampf gegen den verurteilten Donald Trump könnte das für die nicht gerade superbeliebte Kamala Harris der entscheidende Vorteil sein.
Zuletzt mehrten sich deshalb die Zeichen, dass sich zwischen Harris und Überflieger Kelly eine Allianz anbahnen könnte - so kritisierte Kelly letzte Woche auffällig oft und deutlich Trumps Vize J.D. Vance. Just den Mann, der im Falle von Kellys Nomination sein politischer Hauptgegner werden würde. (aargauerzeitung.ch)
Auch aus Arizona.
Der Staat ist bald vollends demokratisch.
Natürlich bin ich nicht so schlau wie ich jetzt tue (beweise ich ja täglich), aber er war bei vielen Bloggern/Podcastern die den Demokraten nahe stehen hoch im Kurs. Seine Geschichte, seine Art, sein Staat und der Umstand nicht zu lange in DC zu sein könnten ihn extrem wertvoll machen für Harris.