Joe Biden ist krank. Das räumte der amerikanische Präsident in der Nacht auf Donnerstag selbst ein, in einer Online-Stellungnahme. «I'm sick», liess er über X ausrichten. Das war zwar als Witz gemeint, weil sein Kommunikationsteam mit einem Wortspiel bloss Kritik an Elon Musk üben wollte, der nun im Wahlkampf den Republikaner Donald Trump unterstützt. «I'm sick» kann auf Amerikanisch auch heissen: Ich habe die Nase voll.
of Elon Musk and his rich buddies trying to buy this election.
— Joe Biden (@JoeBiden) July 17, 2024
And if you agree, pitch in here.https://t.co/V93cYUUFQu
Aber die Humoreinlage fiel flach, auch weil Biden zum Zeitpunkt der Publikation tatsächlich krank war. Er hatte sich nämlich während eines Wahlkampfauftrittes in Las Vegas (Nevada) mit Covid-19 angesteckt. Die Symptome seien nur mild, richtete das Weisse Haus aus. Der 81 Jahre alte Demokrat musste seinen Ausflug in den politisch umkämpften Bundesstaat dennoch abbrechen. Er flog noch am Mittwoch zurück nach Hause. Den Donnerstag verbrachte Biden stattdessen an der Ostküste, in seinem Strandhaus in Delaware, in Selbst-Isolation.
Auch das ist symptomatisch. Denn der Präsident ist auch politisch isoliert. Am Mittwoch wurde bekannt, dass ihn hochrangige Parteifreunde mehr oder weniger direkt zum Rückzug seiner Präsidentschaftskandidatur aufgefordert hätten. Der Name Nancy Pelosi fiel. Die ehemalige Speakerin des Repräsentantenhauses soll Biden gesagt haben, er werde sämtliche demokratische Amtsträger, die sich im November zur Wahl stellen, ins (politische) Verderben ziehen. Auch ihr Nachfolger Hakeem Jeffries, der nun die demokratische Fraktion im Repräsentantenhaus leitet, soll dem Präsidenten eine ähnliche Botschaft übermittelt haben. Dito Chuck Schumer, der Mehrheitsführer im Senat.
Und selbst Ex-Präsident Barack Obama soll nun der Meinung sei, dass Biden keine Chance mehr habe, im November wiedergewählt zu werden. Etwas weniger direkt äusserte sich am Donnerstag Joe Scarborough, der Moderator von Joe Bidens Lieblingssendung auf dem linken Nachrichtensender MSNBC. Scarborough sagte: Der Präsident benötige Hilfe und habe es verdient, von seinem Umfeld besser beraten zu werden.
"It's really incumbent on people around Joe Biden to step up at this point and help the man they love — Joe Biden deserves better. He deserves better than he is getting from those closest to him."
— Morning Joe (@Morning_Joe) July 18, 2024
— @JoeNBC advice to Biden's inner circle, as calls for him to drop out intensify pic.twitter.com/s9VZ1v7IGI
Viele dieser Gespräche zwischen Biden und skeptischen Parteifreunden fanden angeblich bereits in der vergangenen Woche statt. Dass der Inhalt dieser häufig vertraulichen Unterredungen just kurz vor dem Abschluss des republikanischen Wahlparteitags an die Öffentlichkeit drang, war deshalb kein Zufall. Mit immer grösserer Panik mussten Pelosi, Jeffries, Schumer und Konsorten in den vergangenen Tagen zur Kenntnis nehmen, dass sich Biden und sein Umfeld nicht mit Argumenten umstimmen lassen.
Hinzu kommt, dass die Trump-Republikaner ein Bild der Geschlossenheit abgeben und sich als starke, lebendige Partei inszenieren. Und natürlich befürchten die Demokraten, dass der Ex-Präsident politisch davon profitieren könnte, dass er vorigen Samstag einen Mordversuch überlebte.
Biden hingegen stolperte in den vergangenen Tagen durch Wahlkampfauftritte und Medieninterviews. Er schlug sich nicht immer schlecht; aber jeder Versprecher, jede übertrieben lange Pause wurde natürlich umgehend als weiteres Indiz dafür gewertet, dass der Präsident nicht mehr ausreichend Kraft für eine zweite Amtszeit habe.
Der Wahlkampfstab Bidens dementierte am Donnerstag Gerüchte, dass er kurz vor der Aufgabe stehe. «Joe Biden ist der Kandidat seiner Partei. Er ist der Präsident der Vereinigten Staaten. Er stellt sich zur Wiederwahl», schrieb ein Sprecher auf dem Kurznachrichtendienst X.
Dennoch sind viele Demokraten überzeugt davon, dass Biden bald einsehen werde, dass es so nicht mehr weitergehen könne - und zwar nicht erst seit dem positiven Covid-Test. Er steht nicht nur unter Druck demokratischer Amtsträger. Auch die Gönner der Partei sind nervös. Und die Basis der Demokraten macht mittlerweile auch kein Geheimnis mehr darum, dass der Präsident zu alt für eine zweite Amtszeit sei.
Aber natürlich müsste der Rückzug von Biden choreografiert werden. Sonst droht, einen Monat vor Beginn des Wahlparteitags der Demokraten, das komplette Chaos in der Präsidentenpartei.
Die grosse Frage ist deshalb, ob Biden bei einem Rückzug eine Empfehlung für seine loyale Nummer zwei abgeben würde. Kamala Harris, 59 Jahre alt, wäre damit die Nomination zur Präsidentschaftskandidatin nicht mehr zu nehmen.
Falls Biden aber auf den Fingerzeig verzichten würde, aus welchen Gründen auch immer, könnte in der Demokratischen Partei ein Mini-Wahlkampf ausbrechen. Zwar wäre es politisch höchst riskant, Harris zu attackieren – schliesslich gehören dunkelhäutige Wählerinnen und Wähler zu den treusten Anhängerinnen der Demokraten. Andererseits böte sich für einen Politiker oder eine Politikerin, die schon lange private Ambitionen auf das Weisse Haus hegt, plötzlich eine einmalige Chance.
Nebst den bekannten Namen – Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom (56) oder Michigans Gouverneurin Gretchen Whitmer (52) – wird deshalb neuerdings auch über national weitgehend unbekannte Grössen gesprochen. Der 60 Jahre alte Ex-Astronaut Mark Kelly zum Beispiel, Senator aus Arizona und Gatte der ehemaligen Abgeordneten Gabby Giffords. Oder Roy Cooper, der 67 Jahre alte Gouverneur von North Carolina, mit dem Harris zuletzt immer wieder aufgetreten ist. (aargauerzeitung.ch)
Biden ist ein guter Präsident, aber für einen Wahlkampf einfach nicht mehr fit genug. Leider…..