Alles war sorgsam geplant. Nach seiner triumphalen Wiederwahl als Gouverneur von Florida im vorigen November wollte Ron DeSantis seine Präsidentschaftskandidatur als Spitzenreiter beginnen – der Prototyp eines jungen, gottesfürchtigen Regierungschefs, dem es in vier Jahren gelungen sei, den politisch umkämpften «Sunshine State» zum Hort der Freiheit umzubauen.
Doch nun, da DeSantis tatsächlich offiziell ins Rennen um das Weisse Haus steigt, spielt der 44 Jahre alte Republikaner bloss die zweite Geige. Und dafür gibt es, in aller Kürze, zwei Gründe. Zum einen unterschätzte der Gouverneur den Kampfeswillen des prominentesten Bewohners seines Bundesstaates: DeSantis glaubte, Ex-Präsident Donald Trump würde nach seiner Niederlage in der Präsidentenwahl 2020 einsehen, dass seine Zeit abgelaufen ist.
Zum andern überschätzte DeSantis, angefeuert von seiner zielstrebigen Gattin Casey, sich selbst. Nachdem er in Florida mit 59 Prozent der Stimmen für eine zweite Amtszeit bestätigt worden war, sah er sich bereits als charismatischen Volkstribun, als Hoffnungsträger seiner Partei.
Diese Rolle aber scheint ihm nicht zu liegen. Noch schlimmer: Auftritte in den wichtigen Vorwahlstaaten Iowa und New Hampshire erweckten den Eindruck, dass DeSantis kein Interesse an zwischenmenschlichen Kontakten hat. Und dass er zu arrogant ist, um ganz normale Wählerinnen und Wähler um ihre Stimme zu bitten.
Das sind schlechte Vorzeichen für einen Wahlkampf, der von vielen Beobachtern bereits abgeschrieben wird, obwohl er doch gar noch nicht begonnen hat. Meinungsumfragen zeigen, dass Trump im republikanischen Fussvolk die Unterstützung von deutlich mehr als der Hälfte der Wählerinnen und Wähler geniesst. Tendenz: steigend.
Dafür verantwortlich ist auch die erfolgreiche Kampagne, die der 76 Jahre alte Präsidentschaftskandidat gegen DeSantis führt. Trump ist es gelungen, den Gouverneur von Florida als einen «unwählbaren» Extremisten zu charakterisieren – obwohl es doch Trump ist, der seit seiner Abwahl im November 2020 zu einem extremen Vokabular greift und damit unentschlossene Wählerinnen und Wähler vor den Kopf stösst.
Illustrieren lässt sich diese Kampagne zum Beispiel am Streit um Abtreibungen. Seit einem wegweisenden Urteil des Supreme Court in Washington im vergangenen Juni müssen die 50 Bundesstaaten über die Zulässigkeit von Schwangerschaftsabbrüchen entscheiden.
DeSantis will Abtreibungen künftig nur noch bis zur sechsten Woche einer Schwangerschaft erlauben; Florida, mit seinen mehr als 22 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner, hätte damit eines der strengsten Abtreibungsgesetze in den USA. (Aufgrund eines Rechtsstreits liegt das entsprechende Gesetz derzeit noch auf Eis.)
Trump wiederum beweist seine «intellektuelle Formbarkeit», wie das der ehemalige «Wall Street Journal»-Chefredaktor Gerald Baker bezeichnete. Er lobt sich zum einen dafür, dass er das Urteil des Supreme Court ermöglicht habe, indem er als Präsident für eine konservative Mehrheit am höchsten US-Gericht sorgte. Zum andern will Trump aber nicht verraten, ob er sich vorstellen kann, auf nationaler Ebene ein Abtreibungsverbot in Kraft zu setzen.
Interessant ist dieser Streit auch, weil eine Mehrheit der republikanischen Wählerinnen und Wähler ein vollständiges Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen befürwortet. Für religiöse Amerikaner gibt es in dieser Frage eigentlich keinen Raum für Kompromisse. Und dennoch ist es nun DeSantis, der sich für seinen Positionsbezug verteidigen muss. (aargauerzeitung.ch)