Sean Hannity, Trumps ergebenster Jünger bei Fox News, betete in seiner TV-Show einmal mehr die präsidiale Unschulds-Litanei herunter: Der Präsident habe nichts Unrechtes getan, alles sei eine Hexenjagd etc. Nur ein Begriff fehlte diesmal: no quid pro quo.
Selbst Hannity hat offenbar kapituliert. Die Faktenlage ist zu eindeutig geworden. Trump hat der Ukraine tatsächlich einen schmutzigen Deal abpressen wollen: Militärhilfe nur gegen Dreck über Joe Biden.
Die Lage für Trump wird noch ungemütlicher werden. Heute sagt erstmals ein Zeuge aus, der das Telefongespräch zwischen Präsident Trump und seinem ukrainischen Gegenpart Wolodomyr Selenskyj mitgehört hat. Es handelt sich dabei um Lt. Col. Alexander S. Vindman von der US Army.
Vindman hat im Irakkrieg gedient, ist mit der Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet worden und ist derzeit der Ukraine-Experte im nationalen Sicherheitsrat. Er spricht russisch und ukrainisch, seine Eltern sind in den Siebzigerjahren aus der damaligen Sowjetunion nach New York geflohen.
Was genau Vindman aussagen wird, ist noch nicht bekannt. In einer vorab veröffentlichten Erklärung lässt er jedoch keine Zweifel offen. Er schreibt:
Vindman sprach nie direkt mit dem Präsidenten, jedoch mit Gordon Sondland, dem amerikanischen EU-Botschafter, der eine tragende Rolle in der Ukraine-Affäre spielte. Dieser hat ihm ganz offen erklärt, dass Kiew zuerst liefern müsse, bevor es Hilfe erhalte.
Darauf entgegnete Vindman: «Ich erklärte Botschafter Sondland, dass seine Aussagen ungebührlich seien, dass die Forderungen, eine Untersuchung gegen Biden zu führen, keinen Bezug zur nationalen Sicherheit hätten, und dass der nationale Sicherheitsrat nichts damit zu tun haben wolle.»
Sondland, der eine Million Dollar für Trumps Inaugurations-Feier gespendet hat, krebst nun ebenfalls zurück. Gegenüber dem «Wall Street Journal» erklärte sein Anwalt, sein Mandant habe ausgesagt, dass er überzeugt gewesen sei, es habe ein quid pro quo gegeben.
Nancy Pelosi, die Mehrheitsführerin der Demokraten im Abgeordnetenhaus, und Adam Schiff, der Vorsitzende des Intelligence Committee, das die Hearings durchführt, sind nun überzeugt, dass sie genug Material für eine Anklage gesammelt haben. Deshalb hat Pelosi angekündigt, dass ab Donnerstag die Hearings vor laufenden Kameras stattfinden werden. Sie will zu diesem Zweck eine Abstimmung im Abgeordnetenhaus durchführen lassen.
Zu diesen Hearings werden die Zeugen, die bereits hinter geschlossenen Türen ausgesagt haben, erneut eingeladen. Konkret sind dies: der bereits erwähnte Sondland, Fiona Hill, einst stellvertretende Chefin des Sicherheitsrats, und William Taylor, der die Botschaft in Kiew vorübergehend geleitet hat. Unklar ist, ob auch John Bolton, der gefeuerte Chef des Sicherheitsrats, vorgeladen wird.
Mit diesen Hearings wollen die Demokraten der amerikanischen Öffentlichkeit vor Augen führen, dass es neben der offiziellen US-Aussenpolitik ein Schattenkabinett unter der Leitung von Trumps privatem Anwalt Rudy Giuliani gegeben hat.
Dieses Schattenkabinett hat zunächst die damalige US-Botschafterin in Kiew, Marie Yovanovitch, aus dem Amt gemobbt und daraufhin die neue Regierung von Selenskyj systematisch unter Druck gesetzt. Ziel dabei war es, Dreck gegen Joe Biden zu erhalten und eine obskure Verschwörungstheorie zu «beweisen».
Um dieses Ziel zu erreichen, hat die Trump-Regierung vom Kongress bereits bewilligte Hilfsgelder in der Höhe von 391 Millionen Dollar blockiert.
Die Demokraten befinden sich dabei in der komfortablen Lage, dass sie diese These mit Aussagen unterlegen können, die Trump und sein Stabschef Mick Mulvaney vor laufenden Kameras gemacht haben. Ihre Beweislage ist so solide, dass sie es locker wegstecken können, dass Charles Kuppermann, ebenfalls Mitglied des Sicherheitsrats, sich geweigert hat, vor dem Intelligence Committee zu erscheinen.
Nach den bald öffentlichen Hearings vor dem Intelligence Committee wird Chairman Schiff einen Bericht zuhanden des Judiciary Committees verfassen. Dessen Vorsitzender Jerry Nadler wird danach entscheiden, ob noch weitere Anklagepunkte ins Verfahren aufgenommen werden sollen.
Anschliessend wird das Abgeordnetenhaus entscheiden müssen, ob der Präsident impeached werden soll oder nicht. Bei einem positiven Entscheid – der sehr wahrscheinlich ist –, muss der Senat mit einer Zweidrittelsmehrheit darüber befinden, ob Trump tatsächlich aus dem Weissen Haus gejagt werden soll – was nach wie vor unwahrscheinlich ist.
Sicher ist auf jeden Fall, dass wir in den kommenden Wochen ein spannendes TV-Spektakel erwarten können. Stellt also das Popcorn bereit.