Nach tödlichen Schüssen auf eine demokratische Politikerin und ihren Ehemann läuft im US-Bundesstaat Minnesota eine Grossfahndung nach dem flüchtigen Täter.
Am frühen Samstagmorgen (Ortszeit) hatte ein bewaffneter Mann die demokratische Abgeordnete Melissa Hortman, die dem Parlament von Minnesota angehörte, und deren Ehemann Mark in ihrem Wohnhaus in der Stadt Brooklyn Park getötet. Bei einem weiteren Angriff im nahegelegenen Champlin wurden ein demokratischer Senator aus dem Parlament des Bundesstaats, John Hoffman, und dessen Ehefrau Yvette niedergeschossen und schwer verletzt.
Die Behörden gehen von einem politischen Motiv hinter den Taten aus. Es besteht die Sorge, dass weitere Menschen in Gefahr sein könnten.
Die getötete Politikerin habe laut «New York Times» 2023 eine zentrale Rolle bei der Verabschiedung von Gesetzen gespielt, die das Recht auf Abtreibung ausweiteten, Marihuana für den Freizeitgebrauch legalisierten und Arbeitgeber verpflichteten, bezahlten Krankenurlaub anzubieten.
«Es ist furchtbar, dass sich Staatsbedienstete auf so konkrete und beängstigende Weise um ihre persönliche Sicherheit sorgen müssen», sagte die demokratische US-Senatorin für Minnesota, Tina Smith, in einem Interview des Senders NPR.
Senatorin Smith ist eine von mehreren Amtsträgerinnen und Amtsträgern auf einer Liste, die Einsatzkräfte neben einer grösseren Menge Munition und einer zum Vatertag adressierten Grusskarte im Fahrzeug des mutmasslichen Täters gefunden hatten. Laut dem US-Sender CNN standen auf der Liste unter anderem Politiker aus Minnesota und anderen Bundesstaaten sowie Befürworter des Rechts auf Abtreibung. Die Behörden gehen deshalb davon aus, dass möglicherweise weitere Menschen bedroht sein könnten.
Das zu wissen, habe sie beunruhigt, sagte Smith. Sie habe ihre Parteikollegen Hortman und Hoffman noch Stunden vor den Angriffen bei einem Festessen gesehen. «Es ist einfach schwer zu glauben, dass das vergangene Nacht passiert ist.»
Der Täter war auch in der Nacht zu Sonntag noch auf der Flucht. Verdächtigt wird ein 57 Jahre alter Mann, der Recherchen von US-Medien zufolge bei einer privaten Sicherheitsfirma beschäftigt ist. Auf der Website des Unternehmens heisst es demnach, er habe Einsätze in Krisenregionen wie dem Westjordanland, dem Gazastreifen und dem Libanon absolviert und sei unter anderem auch von Angehörigen des US-Militärs ausgebildet worden. «Nähern Sie sich ihm nicht. Er ist als bewaffnet und gefährlich einzustufen», sagte ein Behördenvertreter.
Die Bevölkerung wurde bei der Fahndung um Mithilfe gebeten. Die Bundespolizei FBI setzte eine Belohnung von bis zu 50'000 US-Dollar für Hinweise aus. Ob der mutmassliche Täter allein handelte, ist bislang unklar.
Ein langjähriger Freund des Verdächtigen sagte dem Sender CNN, dieser sei Abtreibungsgegner und habe bei der Präsidentschaftswahl für Trump gestimmt. Von konkreten Problemen mit den Opfern der Tat habe er nie gesprochen. Der Freund berichtete auch von finanziellen Problemen des Verdächtigen. Er sei überrascht, dass sein Freund als Tatverdächtiger gilt.
Nach der Tat habe der Verdächtige ihm und einem weiteren Freund eine Nachricht geschickt, berichtet die Zeitung «Minnesota Star Tribune». Darin hiess es demnach: «Ich bin vielleicht bald tot, also möchte ich euch nur wissen lassen, dass ich euch beide liebe und wünschte, es wäre nicht so gekommen.»
Der Verdächtige soll ein evangelikaler Christ sein, berichtet CNN. Er habe in der Vergangenheit Missionsarbeit im Ausland gemacht und auch lokale politische Ämter innegehabt, schrieben US-Medien nach Auswertung seiner Online-Profile und verschiedener Dokumente. Demzufolge soll er in einem Gremium mit dem angeschossenen Hoffman gesessen haben. Ob die beiden sich kannten, war zunächst unklar.
In Afrika habe der Verdächtige versucht, Islamisten zum Christentum zu bekehren, schrieb die «Washington Post». Auch zu LGBTQ-Rechten äusserte er sich laut CNN kritisch.
Die Polizei war nach dem Angriff auf das Ehepaar Hoffman aktiv geworden und hatte vorsorglich das Wohnhaus der Hortmans überprüft. Dort stiessen Einsatzkräfte auf einen Mann in Polizeiuniform, der sich als Beamter ausgab. In der Einfahrt stand ein Fahrzeug mit Blaulicht. Als die Polizisten den Mann zur Rede stellten, eröffnete dieser das Feuer – es kam zu einem Schusswechsel. Der Verdächtige floh laut den Behörden zunächst ins Haus und dann vom Tatort. Im Haus fanden die Beamten die Hortmans.
«Es handelte sich nicht um einen echten Polizeibeamten», hiess es seitens der Behörden. Vielmehr handele es sich um jemanden, der sich als Polizist ausgegeben und das Vertrauen in Dienstmarke und Uniform ausgenutzt habe, um ins Haus zu gelangen. Bei der späteren Durchsuchung des Fahrzeugs fanden Ermittler nach eigenen Angaben ein Manifest, in dem mehrere Amtsträger namentlich genannt werden. Die Sicherheitsbehörden leiteten daraufhin zusätzliche Schutzmassnahmen für Personen auf der Liste ein.
In einer Tasche im Wagen sei zudem eine grössere Menge Munition gefunden worden – darin auch eine zum Vatertag adressierte Karte an den mutmasslichen Täter.
Der Vorfall ist einer von mehreren politisch motivierten Gewalttaten in den USA in den vergangenen Jahren. Drohungen gegen Politiker gehören längst zum Alltag. Immer wieder warnen Behörden und Experten vor zunehmender Radikalisierung in Teilen der Gesellschaft, angeheizt durch Hass im Netz und aggressive Rhetorik.
Ende 2022 wurde etwa der Ehemann der demokratischen US-Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi bei einem Angriff mit einem Hammer schwer verletzt. In der Residenz des demokratischen Gouverneurs von Pennsylvania, Josh Shapiro, wurde erst vor einigen Monaten Feuer gelegt – laut Ermittlern aus politischen Motiven. Im vergangenen Jahr wurde Trump – damals noch republikanischer Präsidentschaftsbewerber – bei einem Attentat mit einer Schusswaffe am Ohr verletzt. Er selbst bediente sich im Wahlkampf immer wieder einer teils radikalen Sprache. Hinzu kommt, dass man in den USA relativ einfach an Schusswaffen kommt.
Aus Sicherheitsgründen wurden geplante Proteste gegen Trump in Minnesota abgesagt. Gouverneur Tim Walz hatte dazu aufgerufen, Demonstrationen vorerst zu vermeiden, da der Verdächtige weiter flüchtig ist. Die Proteste unter dem Motto «No Kings» hatten sich gegen Trumps Politik gerichtet. Nach Angaben der Veranstalter gingen insgesamt mehr als fünf Millionen Teilnehmer in rund 2100 Städten auf die Strasse.
Die tödlichen Schüsse in Minnesota verurteilte Donald Trump nun scharf. Er sprach von einem «wohl gezielten Angriff auf Staatsbedienstete». Die Bundespolizei FBI und Justizministerin Pam Bondi seien mit den Ermittlungen betraut, hiess es in einer Mitteilung aus dem Weissen Haus. «Solch schreckliche Gewalt wird in den Vereinigten Staaten von Amerika nicht toleriert», erklärte Trump demnach und kündigte an, alle möglichen Tatbeteiligten «mit der vollen Härte des Gesetzes» zu verfolgen.
Tim Walz würdigte seine Parteikollegin Hortman als «enge Freundin», die «jeden Tag mit dem Ziel aufwachte, diesen Staat ein Stück besser zu machen». Hortman war einst Vorsitzende des Parlaments in dem US-Staat, dem sie seit 2004 angehörte.
Der frühere US-Präsident Joe Biden hat die tödliche Attacke scharf verurteilt. «Wir alle müssen uns als Nation gegen politisch motivierte Gewalt zusammenschliessen», schrieb der Demokrat auf der Plattform X. Er sprach von einer «abscheulichen» Tat. Hass und Extremismus dürften in den USA keinen Platz finden. Biden sprach den Angehörigen sein Mitgefühl aus.
(sda/dpa/oli)