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So risikofreudig ist der Tauchboot-Besitzer Stockton Rush

FILE - Submersible pilot Randy Holt, right, communicates with the support boat as he and Stockton Rush, left, CEO and Co-Founder of OceanGate, dive in the company's submersible, "Antipodes,& ...
Stockton Rush (links) auf Tauchgang mit seinem U-Boot.Bild: keystone

«Sicherheit ist reine Zeitverschwendung»: So risikofreudig ist der Tauchboot-Besitzer Rush

Oceangate-Chef Stockton Rush gehört zu den fünf Menschen an Bord der «Titan». Dabei hat ihn ein Ex-Mitarbeiter dringend vor den Risiken des Tauchbootes gewarnt.
22.06.2023, 02:1522.06.2023, 08:07
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Ein Artikel von
t-online

Der «letzte amerikanische Visionär», so nennt ein früherer Kunde Stockton Rush. Der Gründer von Oceangate habe eine magnetische Persönlichkeit, sagt Mike Reiss, der einmal mit Rush in einem von dessen Booten in die Tiefe getaucht ist. Eine gewisse Ausstrahlung braucht wohl, wer Menschen 250'000 US-Dollar abnimmt, um sie in einer engen Röhre auf den Grund des Atlantiks zu bringen. Und womöglich auch eine gewisse Skrupellosigkeit.

Die Sicherheit seiner Expeditionsgäste jedenfalls hatte für Rush wohl nicht die höchste Priorität, wie jetzt bekannt wird. So feuerte er 2018 seinen wichtigsten Ingenieur, den britischen Marineexperten David Lochridge. Dieser hatte in einem internen Bericht bemängelt, dass Oceangate die «Titan» nicht von unabhängigen Experten überprüfen und zertifizieren lassen wolle, berichtet die «New York Times» unter Berufung auf Lochridges Bericht. Die «Titan» ist das Tauchboot, das jetzt im Atlantik verschollen ist – mit Stockton Rush und vier seiner Gäste an Bord.

Lochridge klagte gegen seine Entlassung und warf dem Unternehmen vor, «extreme Risiken für Fahrgäste» in Kauf zu nehmen. Der Ingenieur verlangte Härtetests bis hin zur Zerstörung eines Prototypen, um das experimentelle Design der «Titan» auf die Grenzen seiner Belastbarkeit zu überprüfen.

Die Hülle des U-Boots besteht grösstenteils auf Karbonfasern und nicht, wie bei klassischen Tauchbooten für solche Tiefen, aus Stahl oder Titan. Das Unternehmen behauptete dagegen, ein einfacher akustischer Test würde ausreichen, um die Stabilität der Hülle zu prüfen. Lochridge zufolge liessen sich mit diesem Test aber keine strukturellen Fehler feststellen.

Titan Tauchboot Oceangate Grafik
Bild: t-online/dpa/ha

Den Gerichtsunterlagen zufolge bemängelte Lochridge auch, dass das Sichtfenster der «Titan» vom Hersteller nur für eine Tauchtiefe bis 1'300 Meter zugelassen war. Oceangate habe sich geweigert, bei dem Hersteller ein Sichtfenster bauen zu lassen, das bis zu 4'000 Meter Tiefe zugelassen wäre. In diese Tiefe sollte das Boot schliesslich vordringen. Dem Bericht zufolge einigten sich Lochridge und Oceangate schliesslich aussergerichtlich. Weder die Firma noch Lochridge wollten den Bericht der «New York Times» bislang kommentieren.

Eine hohe Risikobereitschaft lässt sich früheren Äusserungen Rushs entnehmen: «Irgendwann ist Sicherheit reine Zeitverschwendung», sagte Rush voriges Jahr dem Sender CBS.

«Wenn du immer auf Nummer sicher gehen willst, dann bleib einfach im Bett.»

Die Fahrt zum Wrack der «Titanic» erklärte Rush für sicher, solange sich das Tauchboot von Fischernetzen und Kliffs fernhalte: «Am Ende geht es um das richtige Steuern des U-Boots. Man muss sich von den Gefahren fern halten.»

In der Rolle des Kapitäns gefällt sich der 61-Jährige offenbar. Als Kind wollte er nach eigenen Angaben Astronaut werden und machte 1984 sogar seinen Abschluss als Raumfahrtingenieur. Dann sei ihm eines klar geworden, so Rush in dem CBS-Interview: «Es ging gar nicht darum ins All zu fliegen, sondern darum, neue Lebensformen zu entdecken.» Sein Vorbild: der risikofreudige Held der «Star Trek»-Serie aus den 60er-Jahren.

«Ich wollte eine Art Captain Kirk werden.»

Verwendete Quellen:

  • nytimes.com: OceanGate Was Warned of Potential for ‘Catastrophic’ Problems With Titanic Mission (englisch; Stand: 21. Juni 2023)
  • CBS Sunday @youtube.com: A visit to RMS Titanic (englisch; Stand: 21. Juni 2023)

(t-online, mk)

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«Wirkt improvisiert» – TV-Bericht von 2022 zeigt Titanic-Tauchboot
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103 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Linus Luchs
22.06.2023 06:27registriert Juli 2014
«Irgendwann ist Sicherheit reine Zeitverschwendung.»

Beim Bau der Titanic empfahl Schiffbauer Alexander Carlisle 64 Rettungsboote. Er wurde ignoriert. Carlisle verliess die Werft. Chefschiffbauer Thomas Andrews wollte 48 Rettungsboote haben. Er wurde überstimmt, weil sie auf dem Promenadendeck zu viel Platz weggenommen hätten. Und aus ästhetischen Gründen. 20 Boote seien genug. Auch sein Vorschlag, einen doppelten Rumpf zu bauen, wurde abgelehnt. Andrews ist mit der Titanic untergegangen.

Da gibt es doch einige Parallelen zum Schicksal des Tauchboots.
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Antaios
22.06.2023 06:36registriert Mai 2022
Aus lauter Pietät steht nicht ' war risikofreudig', oder? Das Ganze zeigt exemplarisch, dass Leute mit viel Stutz nicht abschätzen können und nicht hinterfragen was ihnen ein selbsternannter Techno-Zampano verzapft. Die Kritischen und MINT-Orientierten sind gar nicht erst eingestiegen oder haben abgesagt. Bin gespannt ob man das Tauchboot findet und was die Ursache des Versagens ist.
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and1therealone
22.06.2023 03:53registriert März 2023
Also ich würde mal behaupten den Wasser Druck von rund 420 Bar sollte die Hülle problemlos standhalten (ist 12cm dick) das entspricht 60cm dickem Stahl. Problematisch ist wohl eher die Glas front, es könnte allerdings auch einfach nur die Elektronik ausgefallen sein und vermutlich ist aus Platzgründen kein Backup System an Board.
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